Der falsche Kulturkampf ums Schweinefleisch

Bild: Flickr, Deraman Uskratzt, CC BY 2.0

Bild: Flickr, Deraman Uskratzt, CC BY 2.0

Politiker fordern den politischen Schutz von Schweinefleisch in öffentlichen Kantinen. Das Begründen sie mit Minderheitenschutz. What? 

Als die Grünen in Deutschland vor einiger Zeit angeregt haben, über sogenannte Veggie-Days in öffentlichen Kantinen nachzudenken, um den Fleischkonsum ein wenig zu senken, sahen darin viele eine politische Bevormundung erster Güte. Jemandem vorzuschlagen, weniger Fleisch zu essen – ein Skandal. Dabei gibt es ja bekanntlich gute Gründe, die Fleischindustrie ein wenig einzuschränken.

Das Tierwohl, die Ethik, die Bodenbelastung durch Nitrate aus den Abwässern der Mastbetriebe, die Unmengen von Gülle, die inzwischen exportiert werden müssen, die Geruchsbelästigung für die Nachbarn von Mastanlagen, gesundheitliche Risiken durch Konsum von zu viel Fleisch, die Flächenkonkurrenz von Nahrungs- und Futterpflanzen weltweit …

Die Grafik zeigt, wo in Deutschland Schweine- und Rinderfleisch produziert wird. Sie stammt aus dem Fleischatlas 2016, herausgegeben von BUND und Heinrich Böll Stiftung (CC-BY-SA).

Die Grafik zeigt, wo in Deutschland Schweine- und Rinderfleisch produziert wird. Sie stammt aus dem Fleischatlas 2016, herausgegeben von BUND und Heinrich Böll Stiftung (CC-BY-SA).

#VeggieDay als Bevormundung, aber #PorkyDay als gute Idee?

Es macht durchaus Sinn, darüber nachzudenken, wie man Fleisch produzieren und konsumieren möchte, und in welchen Mengen das geschehen kann, ohne dass daraus ein agrarindustrieller Exzess wird. Wenn man jeden Vorschlag, Wege zu finden, den Fleischkonsum einzuschränken, als Bevormundung abtut, wird das schwierig.

In einigen norddeutschen Regionen hat die Fleischindustrie gigantische Ausmaße angenommen und dementsprechend groß ist ihr Einfluss auf die Agrarpolitik in Bundesländern wie Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Im nördlichsten deutschen Bundesland, in Schleswig-Holstein, hat die konservative CDU nun gefordert, die Landesregierung möge sich politisch doch bitte dafür einsetzen, dass in Kantinen weiterhin Schweinefleisch serviert wird. „Die Landesregierung wird aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass insbesondere Schweinefleisch auch weiterhin im Nahrungsmittelangebot sowohl öffentlicher Kantinen als auch in Kitas und Schulen erhalten bleibt“, heisst es im betreffenden Antrag. Möglicherweise möchte die CDU im Land damit einfach nur die Schweinebauern der Region stärken. Vielleicht hat man sich aber auch etwas bei den Rechtspopulisten, zum Beispiel im benachbarten Dänemark, abgeschaut, die Angst vor Halal-Ernährung bei Muslimen schüren. Schließlich findet sich im Antrag der CDU auch der Satz: „Toleranz bedeutet in einer pluralistischen Gesellschaft auch die Anerkennung und Duldung anderer Esskulturen und Lebensweisen“, ganz so, als drohten Veganer, Vegetarier und andere Minderheiten, die Schweinefleisch-Esser an den gesellschaftlichen Rand zu drängen.

Essen als Politik

Dass die Politik bis auf den Speiseplan vordringt, ist nicht nach jedermanns Geschmack. Allerdings: Nahrungssicherheit, Ressourcen- und Umweltschutz sind große Themen. Die gehören gesellschaftlich diskutiert und an mancher Stelle verbindlich reglementiert. Dann reflexartig von Gängelung und Bevormundung zu reden, hat nicht viel mit Verbraucherschutz zu tun. Was ebenfalls nicht sehr ratsam ist: so zu tun, als gerate die Gesellschaft ins Wanken, weil Veganer, Vegetarier, Muslime oder wer auch immer kein Schwein essen möchten. Dieser paranoide Verdacht passionierter Schweineesser ist in letzter Zeit immer wieder aufgefallen, zum Beispiel, als Spar in Österreich wegen rechter Schreihälse Halal-Fleisch aus dem Sortiment nahm. Die Agrarpolitik in der Europäischen Union ist bisher nicht im Verdacht gestanden, sich zu wenig um die Belange der Agrarindustrie zu kümmern. Umso alberner ist es, wenn jetzt auch noch die Gesellschaftspolitik bemüht wird, für mehr Fleisch auf dem Speiseplan zu sorgen.

 

 

 

 

 

 

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