Schimmel: Wir züchten und wir fürchten ihn

Bild: Klaus Pichler / Anzenberger

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Unsere liebsten Genussmittel verdanken ihnen ihr Aroma, viele Menschen ihre Gesundheit, trotzdem gelten Schimmelpilze bei uns alles als andere als willkommen.

Vom Käsebrot und Fruchtjoghurt zum Frühstück über die vom Arzt verschriebenen Antibiotika bis hin zu den wohlig warmen eigenen vier Wänden. Die Situationen, in denen wir mit Schimmel in Kontakt kommen, sind so vielfältig wie die Halbwahrheiten und Mythen, die um die Pilzfäden und Sporen bildenden Mikroben kursieren. Mit unseren Lebensgewohnheiten bieten wir Schimmel in vielerlei Hinsicht den idealen Nährboden zum Wachsen und Verteilen ihrer Sporen. Dazu brauchen diese neben Sauerstoff nämlich vor allem eines: Feuchtigkeit. Lebensmittel mit hohem Wassergehalt sind daher ein gefundenes Fressen für Schimmelpilze. Nicht alles, was weißlich, grünlich oder grau auf unserem Essen sprießt, ist unbedingt gefährlich. Bestimmte Schimmelpilzarten bilden aber Gifte, die immunschwächend wirken und sogar krebserregend sein können. Diese sogenannten Mycotoxine können außerdem Auslöser von Hautreaktionen und Allergien sein. Deshalb tut man gut daran, seine sparsamen Großeltern eines Besseren zu belehren und stark wasserhältige Lebensmittel wie Säfte, Suppen, Marmeladen und Milchprodukte ohne Umwege in den Müll wandern zu lassen. Auch bei geschnittenem Brot, Obst und Gemüse lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, dass durch Abschneiden oder Wegkratzen alle schädlichen, zum Teil unsichtbaren Sporen entfernt werden. Einen Versuch ist es jedoch bei festen und dichten Lebensmitteln wie Hartkäse ebenso wie bei nur teilweise befallenen ganzen Laiben Brot wert.

Edelschimmel – wo er sprießt, verbirgt sich Genuss

Auf die Idee, den feinen weißen Schimmelfilm bei einem Camembert wegzuschneiden oder die aromatischen blauen Stellen aus einem Stilton entfernen zu wollen, käme so schnell wohl niemand. Immerhin werden die Edelschimmelstämme der Familie Penicillium eigens bei der Käseherstellung hinzugefügt, um den charakteristischen Geschmack und die gewünschte Textur zu bewirken. Blauschimmelkäse wie Roquefort oder Stilton verdanken ihr Aroma dem Stamm Penicillium Roqueforti, der in feinen Rissen im Käse wächst und sich mit verhältnismäßig wenig Sauerstoff begnügt. Das weißschimmelige Pendant dazu ist Penicillium Camemberti, der Camembert und Brie ihre cremige Textur und Aromen von Pilzen, Knoblauch und Ammoniak verleiht. Das Schimmelkulturen in den Käse injiziert werden, ist übrigens Humbug. Die feinen Einstiche im Käse stammen von Nadeln, mit denen er pikiert wird, um mit den entstehenden Luftkanälen die Schimmelbildung zu fördern. Ähnlich wie bei Käse wächst auch auf fermentierten Würsten wie Salami und luftgetrockneten Schinken wie dem berühmten Culatello ein harmloser, weißer Schimmel, der einerseits zum Aroma beiträgt, zugleich aber auch konservierend wirkt.

Bei Winzern ist Schimmel wie etwa jener der Gattung Botrytis dagegen nur begrenzt willkommen. Nämlich dann, wenn voll ausgereifte Trauben im Herbst von dem Pilz befallen werden und ihre Haut dadurch perforiert wird. Folgt auf nasse Witterung und hohe Luftfeuchtigkeit eine warme Trockenperiode, kommt es zur sogenannten durchaus erwünschten Edelfäule, die in den Trauben zu einer Konzentration von Säure, Zucker, Extrakt und Aroma führt und edelsüße Weine hervorbringt. Schaut der Schimmelpilz jedoch zu früh im Weingarten vorbei, wenn die Weinbeeren noch nicht reif sind, ruft er die sogenannte Rohfäule hervor. Einmal befallen können die Trauben nicht weiter reifen und sind für die Weinherstellung nicht mehr zu gebrauchen. Die bekanntesten Vertreter der Botrytis-Weine stammen aus dem Tokajer Weinanbaugebiet in Ungarn und dem französischen Sauternes. In Österreich hat sich Rust mit seiner Variante des flüssigen Goldes einen Namen gemacht. Für den verhassten Korkgeschmack sind übrigens ebenfalls Schimmelpilze verantwortlich. Die chemische Verbindung TCA (2,4,6-Trichloranisol) entsteht durch ihr Zusammenwirken mit Chlor und Phenolen, das einerseits durch die Korken selbst, andererseits aber auch durch Fehler im Weinkeller zustande kommen kann.

Bild: Klaus Pichler / Anzenberger

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Natürliches Aroma von dort, wo der Schimmelpilz wächst

Hinter der Packungsaufschrift »natürliches Aroma« verbirgt sich nicht immer das, was wir zunächst vermuten würden. Als natürlich gilt nämlich alles, was im weitesten Sinne pflanzlichen oder tierischen Ursprungs ist. Tatsächlich werden die meisten natürlichen Aromen nicht aus Früchten wie Erdbeeren oder Gewürzen wie Vanille gewonnen, sondern aus Preisgründen und zugunsten einer konstanten Qualität aus Schimmelpilzen hergestellt. Eine Win-Win-Situation für die Aromenindustrie und die Schimmelpilze, wie ich im Gespräch mit Elisabeth Buchinger erfahre. »Schimmelpilze brauchen Nährstoffe zum Wachsen und bekommen diese aus einem Medium wie z.B. aus Milchprodukten, Wein oder einer Nährlösung. Dabei geben sie Aromen an das Medium ab, das dadurch geschmackvoller wird«, erklärt Elisabeth, die sich mit ihrem Unternehmen Sensorikum dem Genuss und aktuell dem Best of Taste-Gütesiegel für natürlich guten Geschmack widmet. Während diese Aromen bei Käse und Wein im Produkt erhalten bleiben, werden die gewünschten Stoffe (z.B. Vanillin) bei der Aromenherstellung aus dem Medium extrahiert. Auch in der Bio-Verordnung gibt es keine Beschränkungen darüber, wie Aromastoffe gewonnen werden. Demeter sei diesbezüglich strenger, weiß Elisabeth zu berichten, bei dem Verband würden nur Aromaextrakte erlaubt. Beim Best of Taste-Gütesiegel seien überhaupt nur natürliche Aromen mit Angabe des Ausgangsmaterials erlaubt.

Ungebetener Gast: Wenn zuhause der Schimmel einzieht

Wird Schimmel nicht über die Nahrung zu sich genommen, kann es passieren, dass wir ihn durch Einatmen oder unsere Haut aufnehmen. Auch wenn man ihn anfangs häufig nicht sieht, kann sich Schimmel in feuchten Räumen und Gebäuden ausbreiten und seine Sporen in der Luft verteilen. Manchmal macht er sich erst durch einen modrigen Geruch bemerkbar, bevor er sich in Form von dunklen Stellen an Wänden und Decken zeigt. Vor allem jetzt in der kalten Jahreszeit, wenn wir unsere Fenster lieber geschlossen halten, hält Schimmel in unseren Wohnräumen Einzug. Atemwegsinfektionen, Asthma und Allergien können die Folge sein. Wer verhindern möchte, dass Schimmel es sich in seinem Zuhause gemütlich macht, sollte daher regelmäßig lüften, sodass kein Dampf an den Wänden kondensieren kann. Gefährlich auswirken kann sich der Kontakt mit Schimmel insbesondere auf die Gesundheit immunschwacher Menschen, chronisch Kranker sowie die Risikogruppen Kinder und ältere Menschen.

Ein Schimmelpilz schreibt Medizingeschichte

Trotz seines negativen Images hat sich Schimmel in der Vergangenheit als durchaus nützlich für unsere Gesundheit erwiesen. In Form von Antibiotika tut er es noch heute. Die Namensähnlichkeit des Schimmelstammes Penicillium und des wohl bekanntesten Antibiotikums Penicillin kommt nicht von ungefähr. Antibiotika, wie sie der Großteil von uns schon einmal eingenommen hat, werden als Stoffwechselprodukte von Schimmelpilzen hergestellt. Entdeckt hat Penicillin der schottische Bakteriologe Alexander Fleming, als sich auf seinen Experiment-Glasschalen mit Krankheitserregern Schimmel gebildet hatte. Zu seiner Überraschung hatte dieser die Erreger zum Teil zerstört.

Fest steht: Gezüchtet wird Schimmel weiterhin werden, ob von der Lebensmittel- oder der Aromenindustrie. Fürchten muss ihn, wer ihm vorzubeugen und richtig mit ihm umzugehen weiß, aber nicht.

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