Saltbrennt
Eine Homestory mit Geist und Geistrohr.
Saltbrennt? Sucht man nach dem Begriff im Internet, tauchen unzählige Einträge zu einer Tiroler Folk- und Bluesband aus Imst auf. Fragt man die Jungs (oder irgendeineN OberländerIn), was »Saltbrennt« bedeutet, grinsen sie verschmitzt. »Selbst gebrannt«. Schnaps aus der Wohnküche oder dem Fahrradkeller. Die Leute im Oberland haben darin eine so lange Tradition, dass sie dafür sogar einen eigenen Namen haben. Überall anders ist Selberbrennen ein DIY-Trend mit Potenzial. Aber Achtung! Suchtpotenzial in doppeltgebrannter Hinsicht. Wir zeigen, wie es geht.
Destilliert wird seit Jahrhunderten. Am Anfang sind es die Pfaffen und AlchimistInnen gewesen, die mit dem Feuer gespielt und dem Ganzen die Aura des Geheimnisvollen, Mystischen verpasst haben. Das wäre überhaupt nicht notwendig gewesen. Die Idee der Destillation ist nämlich grundsimpel und lässt sich mit einem Topf Wasser demonstrieren. Man stellt ihn auf den Herd, gibt einen Deckel drauf und bringt das Wasser zum Kochen. Wenn dann der Deckel runtergenommen wird, sind auf seiner Unterseite Wassertropfen. Die sind dort, weil das Wasser zu dampfen beginnt, der Dampf aufsteigt, auf den kühlen Deckel trifft und dort wieder zu Wasser kondensiert. Voilà. Die einfachste Destillation ever. Sie bringt zwar an sich nichts, aber das Prinzip lässt sich nutzen.
»Das Wesen der Destillation ist eigentlich recht einfach. Der Teufel (der ja bekanntlich auch den Schnaps gemacht hat) liegt im Detail.« – Josef Farthofer (Niederösterreich)
Nachdem nichts praktischer als eine gute Theorie ist, bleiben wir kurz dabei. Das Prinzip Destillation ist wie gesagt simpel. Aus einer Flüssigkeit oder Maische, in der bereits ein bestimmter Anteil Alkohol enthalten ist, wird durch Destillation dieser Alkohol entzogen und separat gesammelt. Die alkoholische Flüssigkeit ist dabei ein Gemisch aus Flüssigkeiten mit unterschiedlichen Siedepunkten. Wasser kocht bei 100 Grad Celsius, Alkohol hingegen schon bei 78,3. Das heißt also, wenn die Maische oder alkoholhaltige Flüssigkeit erwärmt wird, dampft der Alk, lange bevor das Wasser dampft. Dieser Alkoholdampf wird aufgefangen, abgeleitet und abgekühlt. Die kondensierte Essenz, die dabei entsteht, ist reiner Alkohol.
Wie funktioniert das konkret? Beginnen wir mit dem Rohstoff, der alkoholischen Flüssigkeit, die Grundlage jedes Destillats ist. Natürlich kann man die Äpfel oder Birnen aus dem Garten nehmen. Oder die Zwetschken, Marillen oder Kriecherl. Sie müssen dafür nur gewaschen, entkernt, zerkleinert und eine Zeitlang stehen gelassen werden. Bis es blubbert. Nur ist das schon »Heimbrennen für Fortgeschrittene«. Man muss auf so viele Dinge achten. Bei der Vorgärung ist die Maische noch nicht durch die Kohlensäure geschützt und daher für Schimmel anfällig (ein grauenhafter Ton im späteren Destillat), bei der Hauptgärung ist auf konstante Temperatur zu achten und wenn die Gärung selbst einmal überhaupt nicht anspringen will, muss mit Reinzuchthefen nachgeholfen werden. Für den Einstieg empfehlen wir den kurzen Dienstweg. Wein, Bier oder Most. Saubere Flüssigkeiten mit ausreichend Alkohol. Keine Vorbereitung notwendig, die perfekte Resteverwertung.
Beim Brennen selbst gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder man investiert zwischen 150 und 300 Euro in eine kleine Tischbrennerei. Die sieht aus wie die Minimundus-Ausgabe einer gewerblichen Brennblase, hat aber alles, was erforderlich ist. Wärmequelle, Brennblase, Helm, Geistrohr, Kühlvorrichtung, Auffangbehälter. Wenn man das Prinzip verstanden hat und handwerklich einigermaßen fit ist, kann man die Brennerei auch selbst bauen. Die einfachste Variante ist, einen alten Druckkochtopf (aka Kelomat) als Brennblase zu nehmen, anstatt des Druckventils einen Gartenschlauch anzusetzen und den Schlauch durch einen Zylinder zu führen, den man beim Brennen mit Eiswürfeln füllen kann.
Beim Brennen ist wichtig, dass das Erwärmen der Maische oder der alkoholischen Flüssigkeit behutsam geschieht. Nur so ist eine präzise Trennung von Wasser und Alkohol möglich. Außerdem sollte das erste Destillat, der Raubrand, auf alle Fälle ein zweites Mal destilliert werden, weil beim ersten Durchgang das Ethanol (der Alkohol, den wir uns wünschen) nicht ausreichend vom Methanol und den Fuselölen (die Bestandteile, die wir uns definitiv nicht wünschen) getrennt wird.
»Um beim Brand herauszufinden, wo das Herzstück beginnt, ist einige Übung notwendig. Sobald der stechende Geruch, der an Lösungsmittel, Superkleber oder Nagellackentferner erinnert, nicht mehr wahrnehmbar ist, sind wir, wo wir hingehören.« – David Gölles (Steiermark)
Das Wohl und Weh von Vor- und Nachlauf
Viele Produzenten erzählen gern die Geschichte vom »Herzstück«. »Nur das Beste« darf ins Destillat, bla, bla, bla. Das stimmt zwar, ist aber so, als würde ein Autohersteller sagen: »Wir produzieren nur Autos mit Motoren. Ohne Motor verlässt bei uns kein Wagen die Fabrik.«
Es ist einfach eine Selbstverständlichkeit. Die ersten Alkohole, die bei der Destillation extrahiert werden, sind leichtflüchtige Substanzen wie Methanol, Acetaldehyd oder Ethylacetat. Stoffe, die nicht nur unangenehm stechend riechen, sondern der Gesundheit durchaus nicht zuträglich sind. Sie sind aber mit einer halbwegs geübten Nase leicht zu erfassen. Beim Brennen geht man am besten so vor, dass man, sobald der Alkohol zu rinnen beginnt, immer wieder ein Glas unter den Hahn hält und daran riecht. Die unangenehmen Aromen werden sukzessive weniger. Sobald sie nicht mehr wahrnehmbar sind, kann das Destillat in einem größeren Behälter gesammelt werden. Das Gleiche gilt dann noch einmal am Schluss. Die letzten Alkohole nach dem Herzstück riechen zwar nicht mehr ganz so unangenehm wie der Vorlauf am Anfang, aber ein süßlicher, an Seifenlauge erinnernder Grundton ist auch nicht das, was man in einem klaren Destillat haben will.
Alles in allem ist es Übungssache. Wir empfehlen, mit ein paar Flaschen Wein zu beginnen. Wenn man nach ein paar Runden die Basics im Griff hat, kann man anfangen, kreativer zu werden. Auch in der kleinsten Brennblase lassen sich Teesiebe mit Wacholderbeeren oder Gewürzen unterbringen und im Nullkommanix hat man den ersten eigenen Gin.
Wenn der erste selbstgebrannte Schnaps aus dem Hahn tropft, stellt sich erfahrungsgemäß ein erhabenes Gefühl der Zufriedenheit ein. Saltbrennt! Die Premiere. Volles Verständnis für alle, die dabei Feuer fangen und mehr wollen. Nur sei denen noch ein letzter Rat ans Herz gelegt: immer schön den Ball flach halten. Zoll und Finanz sind – wenn es um Schnaps geht – spaßbefreit, unentspannt und meist wenig einsichtig.