#fahrplan 2050: utopie ist machbar.
Mit Strom aus sauberen und erschwinglichen Energiequellen – Wind-, Wasser- und Sonnenkraft – hat man in den vergangenen 150 Jahren zwar immer wieder geliebäugelt, sie aber dann nie wirklich konsequent nutzbar gemacht. Das könnte sich jetzt ändern: Eine unter Beteiligung europäischer Energiekonzerne von der Klimastiftung European Climate Forum (ECF) erstellte Studie („Fahrplan 2050: Ein praktikabler Weg für ein florierendes CO2-freies Europa“) kommt nämlich zu dem überraschenden Schluss, dass Europa bis 2050 vollständig mit Elektrizität aus erneuerbaren Energien versorgt werden kann.
Die vor wenigen Tagen in Brüssel präsentierte Untersuchung zeigt darüber hinaus, dass der Weg in eine kimaneutrale Stromversorgung nicht merklich teurer sein wird als die Fortführung konservativer Energieerzeugung, die vor allem auf klimaschädlichen fossilen Brennstoffen und hoch riskanter Atomenergie gründet. Zudem kann ein europaweites Stromnetz auf Basis erneuerbarer Energien Haushalte und Industrie ebenso verlässlich mit Elektrizität beliefern wie das derzeitige System. Für eine Vollversorgung mit Ökostrom müssen 15 Prozent Strom aus solarthermischen Kraftwerken in Nordafrika importiert werden, alles andere ist lediglich eine Frage des Ausbaus bereits bestehender Möglichkeiten zur regenerativen Energieerzeugung. So könnte künftig zu windreichen aber sonnenarmen Zeiten Strom von Nord- nach Südeuropa fließen und zu windarmen aber sonnenreichen Zeiten Strom von Süd- nach Nordeuropa. Ausgangspunkt der Studie waren ausschließlich bereits heute existierende Technologien – absehbare Durchbrüche der nahen Zukunft wurden bewusst nicht berücksichtigt, um die wissenschaftliche Stichhaltigkeit nicht zu gefährden. Ein Umbau der Stromwirtschaft mit dem Ziel, 100 Prozent des Stroms im Jahr 2050 aus erneuerbaren Energien zu beziehen, würde laut ECF im Durchschnitt 52 Milliarden Euro pro Jahr kosten. Dies entspricht grob jener Summe, die für die Energieerzeugung aus fossilen Quellen jährlich benötigt wird.
Eine hundertprozentige Versorgung von Europa mit erneuerbaren Energien ist also nicht teurer als die Energieversorgung mit Kohle, Öl, Gas und Atomkraft – und das ganz ohne Klimaschäden und ohne riesige Folgekosten für künftige Generationen?
Vor dieser Erkenntnis entlarvt sich die von den konventionellen Stromerzeugern seit Jahren gebetsmühlenartig wiederholte Behauptung, erneuerbare Energien seien sündhaft teuer und nicht in der Lage, eine verlässliche Versorgung des steigenden Strombedarfs sicherzustellen, endgültig als interessensgeleitete Angstkampagne. Die Chance, binnen einer Generation eine klimaneutrale und risikoarme Stromversorgung in Europa aufzubauen, kann niemand, der heute bei klarem Verstand ist, noch ernsthaft in Frage stellen. Ob – und vor allem: wann – die fossil-atomare Großindustrie nun endlich beginnen muss, sich an zeitgemäßen Machbarkeitsstudien zu orientieren, bleibt letztlich eine Angelegenheit der Politik von oben. Um diese Dynamik aber zu beschleunigen, muss die ökologische Transformation von unten flankiert werden: von Green-Tech-Unternehmen und Öko-Bauern, Erfindern und Investoren, Umweltverbänden und aufgeklärten Konsumenten.
Anmerkung: Die ECF-Studie „Roadmap 2050“ wurde federführend von der Unternehmensberatungsgesellschaft McKinsey erarbeitet. Zur Arbeitsgruppe, die für die Datenbasis und technischen Inputs verantwortlich zeichnete, gehörten Vertreter großer europäischer Stromversorger (darunter RWE, Vattenfall und E.on), führende Netzbetreiber (Tennet, Energienet/DK, Entso-e), Hersteller von Kraftwerksanlagen (Siemens, Vestas) und Umweltorganisationen (WWF, German-watch, E3G).