Am schwarzen Meer kein Rotterdam
Der Rhein und die Donau sind zwei der großen Ströme in Europa. Wenn es um die Warenströme, die auf ihnen umweltfreundlich transportiert werden, geht, spielen sie allerdings in ganz unterschiedlichen Ligen.
»Den Rhein möcht‘ ich sehn, der da ungereimt bleibt«, hat Kurt Tucholsky einst über Europas alten Herrn unter den Flüssen geschrieben. Und wahrlich, es ist schwer, sich mit ihm zu messen. Allein im ersten Halbjahr 2015 wurden an den Häfen im Rheingebiet 50 Millionen Tonnen Waren umgeschlagen, in über 600.000 Containern. Kein Wunder, fließt der alte Angeber doch durch wichtige Wirtschaftsräume wie die Rhein-Ruhr- und die Rhein-Main-Neckar-Region und bedient wichtige Industriezweige wie Metall-, Papier- und die Chemie-Industrie. An seiner Mündung liegt dann auch noch wie ein funkelnder Diamant der internationale Seehafen Rotterdam.
Die Donau hingegen ist von ihrer Topografie her ein »natürlicherer« Fluss, mit allen charmanten Charakterzügen, die den Gütertransport erschweren. Sie birgt Untiefen, Schlingen und wechselnde Wasserstände, die so manches Transportunternehmen an ihrer Verlässlichkeit zweifeln lassen können. Der Anteil der Güter, die im Donauraum über Wasser transportiert werden, liegt bei weniger als zwei Prozent der gesamten Transportleistung und damit deutlich niedriger als im europäischen Durchschnitt. 2014 machten der Österreichischen Wasserstraßen-Gesellschaft Via Donau zufolge Transporte im Donaukorridor etwa zwölf Prozent des Güterverkehrsaufkommen aus. Geholfen hat diesen Zahlen über die letzten Jahre nicht einmal die EU-Osterweiterung. Am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) vermutet man, sie habe vielleicht sogar einen gegenteiligen Effekt gehabt, da die Oststaaten bisher weit mehr auf den Straßenausbau als auf Wasser- und Schienentransport setzen.
Kostengünstiger, aber langsamer
Dabei ist der Wassertransport nicht nur ökologischer, sondern pro Tonnenkilometer auch deutlich kostengünstiger als Straße und Schiene. Unternehmer wollen es aber nicht nur billig, sondern auch schnell und zuverlässig, weiß auch Fritz Lehr, Geschäftsführer vom Hafen Wien. »Der große Nachteil der Wasserstraße ist, dass sie nur so stark ist wie ihr schwächstes Glied«, sagt er. Zum einen gäbe es das Problem von generell seichten Stellen durch die Veränderung des Untergrundes und unterschiedliche Sedimentablagerungen und zum anderen spielen Wetterbedingungen, wie etwa die sehr trockene Vegetationsperiode des letzten Jahres, die automatisch Tiefstände von sämtlichen Wasserstraßen bedeute, eine Rolle. Dies führe etwa dazu, dass man Schiffe nicht mehr so schwer beladen könne, weil man nicht wissen kann, wie die Wasserstände der Donau zwei Wochen später aussehen. Gleichzeitig sei der Transport doch deutlich langsamer als auf dem Landweg.
Erschwerend wirke sich auch der niedrige Öl- und somit ebenfalls niedrige Dieselpreis aus, der den Transport auf der Straße noch attraktiver macht. Jedoch habe es bereits zuvor, seit der Erfindung des Automobils, eine klare Präferenz für die Straße gegeben. Die Güterströme, die durch den Wiener Hafen gehen, kommen etwa nicht großteils über den Wasserweg, dieser macht nur etwa zehn Prozent aus. Hingegen kommen die Hälfte der Transporte per LKW und etwa 40 Prozent über Schiene. »Bei Häfen, bei denen der Wasserweg ein Meer ist, ist das manchmal anders, gedrittelt etwa. Aber bei Binnenhäfen wie dem Wiener Hafen spielt der Wasserweg sicher nicht die Nummer eins«, so Lehr.
Kooperation der Donauländer
Lehr betont aber, dass die Wasserstraße von Österreich gefördert würde und dass man sich auch in unterschiedlichsten Interessensvertretungen dafür einsetze, dass diese vermehrt genutzt würde. Zwischen den Donauländern gibt es seit geraumer Zeit auch maßgebliche Kooperation bezüglich der Belebung der Wasserstraße, wie etwa die EU-Strategie für den Donauraum (EUSDR), die eine Vielzahl von Themengebieten wie Innovation, Umweltschutz und administrative Kooperation der Donaustaaten abdeckt. Am Hafen Wien glaube man auch, dass die Wasserstraße ein Zukunftsthema sei, wobei man nicht abschätzen könne, wie sich die Situation entwickelt. »Vor 30 Jahren hatten wir die gleichen Themen, da ist die Wasserstraße Donau auch nicht weniger attraktiv gewesen als heute«, gibt Lehr zu bedenken. Es gelte auch zu beachten, dass Donauländer verschiedene Interessen haben. Bulgarien etwa verfüge über keinen großen Binnenhafen, habe also weniger Grund, seinen Anteil an der Wasserstraße, der durchaus verbesserungswürdig sei, zu sanieren.
Was eine Kapazitätssteigerung der Donau als Transportweg generell in Zahlen bringen würde, ist schwer abzuschätzen. WIFO-Experte Gerhard Streicher erinnert an teure Anstrengungen im Hafenausbau, die zu Geisterhäfen führten. Er weist auch auf die WIFO-Studie »Danube +20« hin, die sich mit Szenarios zur Schaffung von Arbeitsplätzen an der Donau auseinandersetzt. Darin versuchte man, die wirtschaftlichen Effekte einer 20-prozentigen Steigerung im Donau-Transportvolumen zu schätzen. Das Ergebnis war ein moderates: Insgesamt, das heißt über die gesamte EU verteilt, kam man auf ein Wachstumspotenzial von etwa 10.000 bis 15.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen, von denen einige hundert auf Österreich entfallen wären.
Aufschwung nicht wahrscheinlich
Des Pudels Kern ist jedoch, dass die Donau nicht an einem internationalen Seehafen mündet. Zwar steigen auch die Umschlagszahlen des größten Schwarzmeerhafens bei Konstanza in Rumänien, doch sind diese im Jahr 2015 zustande gekommenen 56.336 772 Tonnen nicht einmal eine Taschenversion des mächtigen Rotterdam. Letzteres agiert in einem völlig anderen Kontext und ist an die großen Nordsee- und adriatischen Häfen angebunden und verfügt somit über ganz andere Volumina, dieser Meinung ist auch Gerhard Streicher.
»Ein Schwarzmeerhafen wird ziemlich sicher nie eine auch nur annähernd vergleichbare Größe und Bedeutung wie die großen Atlantikhäfen haben, dazu ist schon der Anreiseweg zu umständlich.« Auch potenzielle Erdöltransporte in der Region würden mehr auf Pipelines setzen als auf den Schiffstransport. Auch ein ökonomischer Aufschwung der Schwarzmeer-Anrainerländer sehe momentan »nicht gerade unausweichlich« aus. Nicht zuletzt machen ungelöste politische Probleme in der Region zumindest mittelfristig den Anbruch goldener Zeiten nicht sehr wahrscheinlich, so Streicher.