Die durstige Diva
Reis aus Österreich: Warum die Rispenpflanze auch hierzulande angebaut wird, heimischer Reis aber ein Nischenprodukt bleiben wird.
Beim gemeinsamen Mittagessen werden schon einmal die großen Themen aufs eigene Leben runtergebrochen. Das ist auf einem Biohof nicht anders als in einer durchschnittlichen Büroküche oder Kantine. Und das war im Sommer 2017 nicht anders als heute. Die Familie von Johannes und Claudia Mühl saß an ihrem Hof in Parbasdorf im Marchfeld zusammen. Man diskutierte über Gott, die Welt, diverse Krisen. »Plötzlich stand im Raum, was wir im Fall einer wirklichen Krise zu essen haben würden«, erinnert sich Johannes Mühl. Man zählte auf, was man selbst im Winter am Hof gelagert habe; kam auf tausend Kilo Weizen, Kürbis, Karotten. »Uns war peinlich, dass wir selbst als Bauern vielleicht nicht genug zu essen haben würden«, sagt der 47-Jährige. Und weil man gerade Risotto aß, sagte der Sohn plötzlich: »Papa, probieren wir doch einen Reis!«
Johannes Mühl machte sich schlau und baute im Mai darauf erstmals Reis an. Die Sache war gleich ein Erfolg. Und auch wenn man seither einige Sorten ausprobiert und viele davon als für die Gegend untauglich wieder verworfen hat, ist man am Biohof Mühl beim Reisanbau geblieben. Bereits auf mehr als einem Zehntel der 90 Hektar des Betriebs wurde 2022 Reis gedroschen: eine ungarische Züchtung, eine Mischung aus Mittel- und Langkornreis, die geschmacklich überzeugt und vielfältig einsetzbar ist. Sein »Sonnenreis« hat auch die WirtInnen überzeugt, die der Biohof mit seinem Bioreis versorgt. »Die verwenden ihn als Risottoreis, machen Süßspeisen daraus, kochen ihn als Beilage und für Salate«, sagt Mühl.
Trockenanbau statt nasser Felder
Johannes Mühl ist einer von höchstens zwanzig Bäuerinnen und Bauern, die in Österreich Reis anbauen. Das schätzt Clemens Flamm, der bei der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) für die Sortenprüfung von Getreide zuständig ist, also auch für Reis. 2021 wuchsen auf 181 Hektar Reis. Zum Vergleich: Beim Winterweichweizen waren es im selben Jahr 233.308 Hektar. Endgültige Zahlen für 2022 gibt es noch nicht. Wahrscheinlich liegen sie beim Reis geringfügig darüber. Denn auch die Biomarke Ja! Natürlich führt Reis aus Österreich, aus dem burgenländischen Seewinkl. Und für den Marchfelder »ÖsterReis« in der markanten Glasflasche bauen mittlerweile 15 Biobetriebe Reis an. Anders als in Asien, woher die Reispflanze ursprünglich stammt und wo sie in zeitweise gefluteten Feldern angebaut wird, um Unkräuter zu unterdrücken, die mit dem Wasserstand nicht zurechtkommen, wird in Österreich der sogenannte Trockenanbau praktiziert. Der Name täuscht, denn der Wasserbedarf der Rispenpflanzen ist auch im Trockenanbau enorm. Die Reiskulturen werden intensiv bewässert. Zudem braucht es dafür warmes Oberflächenwasser (etwa aus Gewässern), weil die Pflanzen durch Grundwasser aus dem Brunnen einen Kälteschock erleiden würden. Auch Biobauer Mühl sagt, dass der Reis bei ihm »sehr viel beregnet werden muss« und dass die Pflanze »eine richtige Diva ist«: anspruchsvoll und empfindlich gegenüber Kälteperioden.
Geringer Ertrag, guter Preis
»Verglichen mit anderen Getreidearten ist der ökologische Fußabdruck von Reis nicht gut, weil er intensiv bewässert werden muss. Das bedeutet einen hohen Energieeinsatz«, sagt Clemens Flamm. Aber auch importiert und aus Nassanbau ist die Ökobilanz von Reis eher schlecht. Weil unter Wasser organische Stoffe faulen, wird dabei Methan freigesetzt. Und weil Reis für die Hälfte der Weltbevölkerung ein Grundnahrungsmittel darstellt, wird geschätzt, dass bis zu 2,5 Prozent aller vom Menschen verursachten klimarelevanten Emissionen aus dem Reisanbau stammen.
Ganzheitlich betrachtet werde dieser in Mitteleuropa aber ohnehin kaum ins Gewicht fallen, schätz Clemens Flamm von der Ages: »Reis in Österreich ist eine Sonderkultur, die mit einer guten Vermarktungsstrategie funktioniert, aber nichts, wenn es um die Ernährung der breiten Bevölkerung geht. Reis aus Österreich wird ein Nischenprodukt bleiben.« Biobauer Johannes Mühl bestätigt das: »Keine Getreidesorte sonst hat so wenig Ertrag. Aber der Preis der Sonderkultur kompensiert das gut.« Während er für Getreide maximal 2 Euro pro Kilo verlangen kann, bekommt er für seinen Reis selbst in größeren Mengen mindestens 10 Euro das Kilo.
Die Vielfalt am Mittagstisch in Parbasdorf hat der »Sonnenreis« jedenfalls bereichert. Mindestens zweimal die Woche essen die Mühls im Marchfeld Reis aus eigenem Anbau. Und auch die Tierwelt dürfte sich mit der neuen Kultur anfreunden – nicht nur, weil sich Johannes Mühl der regenerativen Landwirtschaft verschrieben hat und auf seinen Äckern besonders auf Vielfalt und aufs Bodenleben achtet. Denn wie Clemens Flamm erzählt, hat ein mehrjähriger Feldversuch der Ages im Kleinen eines gezeigt: »Hasen und Mäuse lieben den Reis.«
Am Biohof Mühl werden neben Reis auch andere Produkte wie Haselnüsse, Karotten, Kürbis und Mais angebaut, welche man per Mail oder Whatsapp bestellen kann.