Regionalität: Zwischen Einkaufswagerl und Ernteanteil
Ein Blick in unsere Kühlschränke und Vorratskammern ist aufschlussreich. Sie sind die Spiegel unserer Esskultur. Wie regional ist, was wir darin finden?
Es ist eine der Schlüsselszenen im Film „Ratatouille“. Der griesgrämige Restaurantkritiker kostet, überheblich und gelangweilt, von einem einfachen Gericht und erlebt Unfassbares. Binnen Sekundenbruchteilen lösen Aroma und Geschmack des provencalischen Gemüsegerichts kristallklare Erinnerungen aus. Plötzlich steht er als kleiner Bub in der Küche der Mutter, sieht sie Melanzani, Zwiebel und Zucchini schneiden und kann den Kräuterduft nach Lavendel, Salbei und Thymian riechen. In diesem Moment verändert sich der Kern seines Wesens.
Regionale Lebensmittel sind vor allem deshalb ein Trend, weil sie unsere Sehnsucht nach dem Ursprünglichen, dem Authentischen stillen. Und natürlich, weil es die Konsumenten satt haben, sich permanent mit den Fehlentwicklungen der Lebensmittelindustrie auseinander zu setzen. Pferdefleisch und EHEC seien genannt, sind aber nur die Spitze des ungustiösen Eisbergs.
Gewinn an Lebensqualität und Wohlbefinden
Um Lebensmittel einzukaufen, die in der eigenen Region angebaut und/oder produziert werden, gibt es eine Reihe von Möglichkeiten. Dazu aber gleich eine Warnung vorweg: Wer es ernst meint, wird für die Beschaffung mehr tun müssen, als nur in den Supermarkt zu gehen. Sich mit guten, handwerklich hergestellten, regionalen und saisonalen Lebensmitteln zu versorgen ist ein Prozess. Es gilt, ein Netzwerk aufzubauen, die persönlichen Beschaffungswege zu planen, zu lagern und mit großer Wahrscheinlichkeit auch, die Kochgewohnheiten zu ändern.
Das klingt zwar nach größerem Aufwand (was es definitiv auch ist), allerdings ist es insgesamt ein Gewinn. Der Einkauf am Bauernmarkt, das Abholen des Ernteanteils bei der Food-Coop oder das Treffen mit dem Rinder- oder Schweinezüchter für die Übergabe des Fleischpakets. All das ist wesentlich befriedigender, als jeder Einkauf im Supermarkt, bei dem meist unbedacht und unpersönlich seelenlose und in der Regel weit gereiste Nahrungsportionen in den Einkaufswagen wandern. Es ist ein Gewinn an Lebensqualität und Wohlbefinden.
Allerdings hat der Lebensmitteleinzelhandel die Zeichen der Zeit erkannt und bietet eigene Linien regional hergestellter Produkte an. Den Anfang machte Hofer, bzw. Werner Lampert, mit seiner »Zurück zum Ursprung«-Linie. Biologischer Anbau als Grundvoraussetzung, CO2-Bilanz als zusätzliche Information für die Kunden und immer mit entsprechendem Herkunftshinweis. Mittlerweile haben die anderen großen Ketten nachgezogen. Die Rewe Group positioniert sich mit der neuen Eigenmarke »Da komm‘ ich her«, Spar bietet in seinen Interspar-Märkten seit kurzem lokale Produkte unter der Marke ‚»Von dahoam des Beste« an. Das Logo, ein Apfel in der Form eines Herzens, spricht dabei genau an, worum es geht. Die tiefe Sehnsucht nach Heimat, Ursprünglichkeit und einfachen Dingen.
Diese Projekte sind zwar ambitioniert und begrüßenswert, greifen letztlich aber zu kurz. Der cremige Hochland-Honig von den Mühlviertler Hochland-Imkern ist ein grandioses Produkt. Ebenso die Amlacher Kasnudeln oder Grüne Veltliner aus dem Burgenland. Es sind auch lokale Produkte, aber natürlich nur dort, wo sie auch hergestellt werden. In den Filialen in Vorarlberg oder der Steiermark (wo es ebenfalls sensationellen Honig gibt), sind die Honige der Hochland-Imker keine regionalen mehr.
Dabei eignet sich gerade Honig als Beispiel dafür, denn eines der zentralen Argumente aus der Perspektive gesunder Ernährung ist, dass Lebensmittel, die im näheren Umfeld entstehen, deswegen gesund sind, weil biologische Milieu der Region widerspiegeln. Der Honig von der Wiese ums Eck enthält also die gleichen Pollen und Partikel, mit denen auch der Mensch täglich konfrontiert ist. Es gibt Fachleute, wie die Salzburger Kräuter-Spezialistin Karin Buchard, die die Entstehung von Allergien auf den dauerhaften Genuss von Lebensmitteln zurückführen, die nicht aus dem eigenen Lebensraum kommen.
Was ist regional?
Die Frage, was »regional« ist, ist eigentlich gar nicht so verzwickt. Die Rohstoffe müssen innerhalb eines vernünftigen Umkreises angebaut werden. Die Verarbeitung muss ebenfalls innerhalb der Region liegen. Wie genau ‚Region’ dabei definiert ist, muss jeder für sich entscheiden. Für den Fleisch- und Fischkonsum ist natürlich noch zu klären, woher die Futtermittel kommen. Auf gesamtwirtschaftlicher Ebene – tierethische Aspekte sind wichtig, lassen wir in dieser Diskussion aber außen vor – sprechen wir von Fleischproduktion.
Dabei ist die Frage wichtig, wie viel Protein ist erforderlich, um ein Kilogramm Schweine- oder Rindfleisch zu produzieren. Für die Entscheidung, ob Fleisch regional ist, reicht es also nicht, nach Waldviertler Blondvieh, Sulmtaler Hühnern oder Turopolje-Schweinen zu fragen. Es ist auch zu klären, wie diese Tiere gefüttert wurden und woher das Futter dafür kam. Wenn all diese Fragen beantwortet sind, steht dem Genuss von regionalen Produkten nichts mehr im Weg. Der Inhalt des Kühlschranks, der Gefriertruhe und der Speisekammer wird sich dann verändert haben. Es ist aber eine Veränderung in die richtige Richtung. Für Körper, Geist und Seele. Und für die Welt.
Was bedeutet Regionalität?
Was heißt regional? Unser Umgang mit Regionalität ist eine Geschichte voller Missverständnisse, gut gemeinter Fehleinschätzungen und gezielter Falschinformation. Wer sich beim Einkauf nicht ausschließlich vom Preis leiten lässt, achtet auf die Herkunft der gekauften Ware. Aber woran erkennt man die – und wie stark wirkt sich die Produktionsmethode, die Region und der Transport etwa auf die Klimabilanz eines Produkts aus?