Rebell am Reisfeld: Wie Öko nach Myanmar kommt
Wie ein Landwirt aus Myanmar mit ökologischem Landbau dafür sorgen möchte, dass die Böden des Landes nicht unter den Einfluss von Agrarkonzernen geraten.
Khaing Dhu Wan ist Idealist. Er will die Agrarböden Myanmars vor der Ausbeutung, die Bauern vor den Tricks der Großkonzerne schützen und obendrein ethnische Minderheiten vereinen. Dazu hat er in Hmawbi, 50 Kilometer nordwestlich von Yangon, Land gekauft und eine Öko-Lehrfarm aufgebaut.
Die Bananenstauden und Reisfelder saugen gierig den Regen auf. Ein schwarz gefiederter Truthahn wackelt über die Gemüsebeete, Küken stecken ihre Köpfe zwischen den Mangos hervor, die an dünnen Ästen baumeln. Im vergangenen Mai saß ich mit Khaing Dhu Wan unter seinem Wellblechdach, auf das fast durchwegs das Wasser plätscherte. Zu Beginn der Regensaison hatte er Zeit, mir seine Öko-Lehrfarm und NGO NEED Myanmar (Network for Environmental and Economic Development) zu erklären.
Bio-Dünger mit Vorzeigeeffekt
»Dort drüben«, sagt er in brüchigem Englisch und zeigt auf das Lehmhaus hinter dem Bambus, »ziehen bald wieder 40 junge Bäuerinnen und Bauern aus dem ganzen Land ein. Sie bleiben zehn Monate und lernen, warum es sich lohnt, ökologisch anzubauen.« Der alte Holztisch, auf dem jetzt eine Katze eingerollt schläft und schnurrt, wird dann von Papierstapeln und Buntstiften belagert. Die Teilnehmer basteln hier Permakultur-Karten: Beobachtungen an Wind und Sonne zeichnen sie im richtigen Einfallswinkel auf die Gebäude und Agrarflächen der Farm ein, um dann an den bestgeeigneten Stellen anzupflanzen. Gemeinsam bewirtschaften sie die fünf Hektar, stellen Lehmziegel für neue Bauwerke her, flechten Dächer aus Palmenwedeln, produzieren Bio-Dünger wie etwa Aminosäure aus Fisch und Palmzucker. Alles Fertigkeiten, die sie später auf ihrer eigenen Farm gebrauchen können. »Die Nachbarbauern belächeln uns, wenn wir rein organisch bewirtschaften«, erzählt Khaing und schmunzelt durch den Dreitagebart. »Aber wenn sie sehen, wie schön unsere Okras, wie groß unsere Kürbisse werden, beginnen sie, sich dafür zu interessieren.«
Gratis hat seinen Preis
Nachhaltig betreibt in Myanmar bisher selten jemand seine Landwirtschaft. Mehr als ein Viertel der Bevölkerung lebt in Armut, in ländlichen Gebieten steigt der Anteil gar auf die Hälfte. Hier gilt es, schnell, mit bewährten Methoden Geld zu verdienen. Die Konzerne erkannten darin ihre Chance: »Sie verteilen großzügig Gratissamen und chemische Dünger und versprechen damit eine tolle Ernte«, weiß Khaing. Viele Bauern greifen zu, ohne zu bedenken, dass jenes Hybridsaatgut zwar ertragreich ist, jedoch im Gegensatz zu samenfestem Saatgut im Folgejahr nicht wieder ausgesät werden kann und neu zugekauft werden muss. Auch die vermeintlichen Gratisdünger haben ihren Preis. Sie führen dem Boden zwar schnell Nährstoffe zu, schwächen aber dessen selbstregulierenden Zyklus. Anstatt der anfangs noch geringen Mengen fordert das Erdreich immer mehr der chemischen Mittel – die der Bauer nun erwerben muss. Viele werden gezwungen, Darlehen aufzunehmen und geraten in eine wirtschaftliche Abhängigkeit. Um dem zu entkommen, lernen die Jungbauern auf der NEED-Farm, eine ökologische Kreislaufwirtschaft zu betreiben und langfristig davon zu profitieren.
Gemeinsam ernten statt Fronten verhärten
Neben der Öko-Ausbildung verfolgt die NGO ein zweites Ziel: die Zivilgesellschaft stärken. Auf der Farm leben Myanmare aus den verschiedenen ethnischen Gruppierungen des Landes zusammen, die sich in ihren Heimatregionen in teils bewaffneten Konflikten gegenüberstehen. Dort kämpfen sie für mehr Autonomie, hier bei NEED ackern sie zusammen die Reisfelder um, säen Samen, verkochen geerntete Bohnen und Bambussprossen, erfahren über Menschenrechte, erstellen Social-Media-Kampagnen. »Dabei lernen sie sich langsam kennen. Anfangs ist das oft holprig und distanziert«, weiß Loa Khaoung, der beim NEED-Programm an einem reibungslosen Ablauf mitwirkt und sich auf einen Plastikstuhl zu uns an den Tisch gesellt hat. »Beim Chinlone- oder Badmintonspielen werden aber viele zu guten Freunden, von denen sie sich nach den zehn Monaten nur schwer trennen wollen. Das ist schön zu sehen.« »Und wichtig für unser Land«, ergänzt Khaing.
Flucht und Aufschwung
Erst als ein junger Mann Reis und gebratene Melanzani bringt, fällt mir auf, dass schon Mittag ist. Sein Gesicht ist mit der eierschalenfarbenen Thanaka-Paste bemalt, der landestypischen Schminke aus geriebener Baumrinde. Frauen wie Männer tragen sie. Er lächelt zurückhaltend, aber herzlich. Als wir die großen Schüsseln ausgelöffelt haben, erzählt Khaing, wie NEED entstanden ist: Wegen des repressiven Militärregimes (siehe Infobox) sei er vor rund 20 Jahren, wie viele Myanmare, nach Thailand geflüchtet. In Chiang Mai hatte er freie Hand und konnte 2006 NEED gründen. »Als sich die Lage besserte und die Grenzen geöffnet wurden, habe ich Land gekauft und bin vor vier Jahren nach Myanmar zurückgekehrt.« Seine vom Kauen der Betelnüsse typisch rot gefärbten Zähne grinsen zufrieden. Jetzt erlebt er den Aufschwung mit, im März vergangenen Jahres löste eine neue Regierung das Militärregime ab. Khaing erkennt darin Chancen für sein Land, eine Umverteilung des Geldes und eventuell Steuereinnahmen, die den Bauern zugute kommen. »Aber jetzt müssen wir erst einmal abwarten. Es gab zu viel Korruption. Die Regierung hat kein Geld, um sofort alle Probleme zu lösen.«
Im Styropor sprießt das Geld
Die Farm entwickelt sich inzwischen stetig weiter. Nach und nach entstehen neue Gebäude – unterstützt von der Child’s Dream Foundation, einer gemeinnützigen Schweizer Organisation. Die NEED-Familie lebt vom geernteten Gemüse oder tauscht es am Markt gegen Fisch und Fleisch. Auch die Kursteilnehmer werden damit versorgt. »Es ist wichtig, dass das Programm kostenlos ist. Sonst würde vermutlich kaum jemand teilnehmen. Viele Farmen können es sich nicht einmal leisten, zehn Monate lang auf eine Arbeitskraft zu verzichten«, weiß Khaing, der auch immer wieder hartnäckig versucht, von der regionalen Politik finanzielle Spritzen zu ergattern. Doch jetzt springt er auf und zeigt mir ein weiteres Projekt: Pilze, die in einer dunklen Holzhütte aus Styroporkugeln wachsen. »Das sind meine Soldaten. Sie wachsen schnell und lassen sich gut verkaufen.« Er lacht. Inzwischen ist mir klar, dass es Khaing Dhu Wan nie ums Geld ging. Doch auf die fruchtbare Idee, Pilze zu Barem zu machen, ist er stolz.
Hintergrund Zur politischen Situation in MyanmarMyanmar hat ein fast 50 Jahre andauerndes Militärregime (1962 bis 2011) hinter sich, das die Eliten bereichert hat, die Bevölkerung verarmen ließ und von weltweiten Menschenrechtsorganisationen stark kritisiert wurde. Jegliche Regimekritiker wie Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi wurden unterdrückt, sie stand 20 Jahre lang immer wieder unter Arrest. Ein Liberalisierungsprozess ist seit 2010 im Gang, die ersten demokratischen Wahlen wurden international jedoch als nicht frei eingestuft. Erst 2016 kam Suu Kyi, inzwischen 70 Jahre alt, mit der Nationalen Liga für Demokratie (NDL) an die Macht. Die Wahlen wurden im ganzen Land bejubelt, Poster der Volksheldin hängen in den Wohnzimmern. In die neue Regierung steckt man große Hoffnungen: Unter anderem soll sie die Armut bekämpfen, die Wirtschaft vorantreiben, die Korruption beenden, ethnische Konflikte lösen und den Friedensprozess vorantreiben. |
Auf der NEED-Farm sind auch Freiwillige aus aller Welt willkommen. Sie geben etwa Englischkurse oder arbeiten am Feld mit. www.facebook.com/need.organics