Mauerblümchen bis Ohrwaschlkaktus – Wir waren auf der Raritätenbörse
Am Wochenende fand im Botanischen Garten der Uni Wien die Raritätenbörse statt. Tatsächlich sollen dieses Mal so viele Besucher und Besucherinnen wie noch nie zuvor dort gewesen sein. Biorama war dabei.
Das Wetter ist wie bestellt, strahlender Sonnenschein, angenehm warm. Die Leute sind entsprechend gut drauf, ganz untypisch für Wien. Ich befinde mich am Rennweg und mache mich auf zum Botanischen Garten, wo wie jedes Jahr um diese Zeit die Raritätenbörse, ein großer Pflanzenmarkt voller Seltenheiten, stattfindet, dieses Jahr schon zum 16. Mal. Nur kenne ich den Weg leider nicht, aber kein Problem. Ich gehe einfach dorthin, wo die vielen Menschen mit den Pflanzen herkommen. Wie die Meisten habe ich vom Event über Facebook erfahren. Knapp 15.000 haben ihr Interesse dort bekundet. Viele wurden aber auch von anderen mitgenommen oder sind quasi Stammgäste, die jedes Jahr vorbei kommen.
Lukas, 31 besucht die Raritätenbörse jeden Frühling mit seiner Großmutter und seinen Eltern. In seiner Familie ist seine Mutter die Pflanzenbegeistertste. „Die tigert sich da immer so rein und da hab ich mir gedacht, ja, komm ich mal mit und es wird von Jahr zu Jahr immer mehr.“ Es kommen tatsächlich jedes Jahr mehr Besucher und Besucherinnen. Ich bin nicht gut im Schätzen, aber mindestens 3.500 sollen tatsächlich gekommen sein. Ich kann mir gut vorstellen, dass das hinkommt. Die Menschen drängen sich an den Ständen vorbei, schauen, riechen und lassen sich beraten. Das Angebot ist riesig. Von Kakteen über Gemüse bis zu Trüffelbäumchen ist alles vertreten.
Viktorias Freund hat zu Hause an die 20 Orchideen. Sie selbst hat einen Philodendron und einen Elefantenfuß im Gepäck. Als ich sie frage wo ihre Begleitung gerade ist, deutet sie auf einen Stand und sagt: „Er kauft gerade eine Orchidee.“ Heute sind nicht nur Pflanzeninteressierte, sondern regelrechte Pflanzenfanatiker unterwegs. Ein junges Biologen-Paar aus Deutschland ist vor allem von der Location im Botanischen Garten begeistert. „Wir haben jetzt erst mal eine Runde gemacht, um zu gucken, was es alles gibt und jetzt werden wir einen Kaffee trinken, dann machen wir einen Plan und steigern uns in den Kaufrausch.“, sagen sie. Sie sind nicht die einzigen Touristen hier. Auch einige der Verkäufer kommen von weit her.
Auch Till, 26 von Blumenzwiebel Spezialitäten Niewöhner in Paderborn, Deutschland, freut sich über den Erfolg der Raritätenbörse. „Die Mundpropaganda macht da viel. Es kommen immer mehr Besucher, es ist ganz schön hier zu sein.“, sagt er und strahlt dabei übers ganze Gesicht. Er ist bereits das dritte Jahr in Folge auf dem Pflanzenmarkt beschäftigt, sein Chef war schon von Anfang an dabei.
Günther Seiter betreibt mit seiner Frau Sabine einen Karnivorenshop in Wiener Neustadt. Er verkauft hauptsächlich Fleischfressende Pflanzen und Moorpflanzen. Auch sein Geschäft ist schon seit vielen Jahren bei der Raritätenbörse dabei. Ihm fällt ebenfalls auf, dass die Besucherzahlen immer weiter zunehmen. „Wir haben viele Stammkunden, die jedes Jahr herkommen, viel Laufkundschaft und immer wieder neue Kunden, die uns übers Internet kennengelernt haben. Es läuft.“
Nadja, 30 ist mit ihren Eltern und ihren Kindern hergekommen. Sie besucht die Veranstaltung nach eigenen Angaben jedes Jahr und ist längst nicht mehr auf Erinnerungen über Facebook angewiesen. Als ich sie frage, was sie gekauft hat, sagt sie: „Bei Arche Noah hab ich dieses Jahr Sauerampfer, ein Chrysanthemen Kraut – weil ich gern grünes Blattgemüse mag – und einen Bergtee gekauft. Der soll schmerzlindernd sein. Probieren wir’s mal aus.“ Ach ja, Arche Noah!
Die Arche Noah steht mittlerweile schon synonymisch für die Erhaltung von alten, selten gewordenen Kulturpflanzen. Während die meisten Stände auf der Raritätenbörse nur von ein oder zwei Menschen betrieben werden, ist der gemeinnützige Verein durch 25 Personen vertreten und damit der größte Anbieter der Veranstaltung. „Wir beraten und beantworten Fragen, da ist es nötig, dass man viele Leute da hat. Wir haben auch ein Infozelt, wo man Informationen zum Verein bekommt.“, erzählt mir Roland, 28, Student der Agrarökologie und Pflanzenexperte bei der Arche Noah. Beratung ist auch bitter nötig wenn man sich zwischen 30 Sorten Tomaten, 30 Sorten Paprika und unzähligen anderen Obst- und Gemüsesorten entscheiden muss. Um diese Artenvielfalt zu erhalten, ist der Anbau in Zyklen ganz besonders wichtig. „Wenn man beispielsweise Tomaten sichern möchte, dann baut man die alle 7 Jahre an, weil das Saatgut nicht ewig gut keimfähig ist. Deswegen muss man immer in gewissen Zyklen anbauen, um die Pflanzen dauerhaft schützen und erhalten zu können. Wir bauen in unserem Vermehrungsgarten immer an, was gerade an Keimfähigkeit verliert.“, erklärt mir Roland.
Die Erhaltung der Artenvielfalt ist ein schwieriges Unterfangen, weil sie teilweise von der Politik und der Saatgutindustrie behindert wird. Dabei ist es vor allem in Zeiten des Klimawandels wichtig viele verschiedene Nutzpflanzensorten zur Verfügung zu haben. Vielfalt bietet Schutz vor Krankheiten, Frost- und Trockenheitsschäden. Die eine oder andere Sorte ist immer resistent.
Die Arche Noah bietet auch nur Pflanzen an, die über Bio-Qualität verfügen und samenfest sind. Das heißt, dass aus den Samen einer Pflanze immer wieder die gleiche Pflanze wächst. Bei Hybridkulturen, die von großen Konzernen angeboten werden ist das nicht mehr der Fall.
Ich frage Roland, was man tun kann, um zur Erhaltung der Sortenvielfalt beizutragen. „Man kann bei der Arche Noah Mitglied werden und den Verein unterstützen. Man kann uns auch gerne in Schiltern bei Langenlois besuchen und sich den Schaugarten anschauen. Man kann die Petition gegen Patente auf Leben unterschreiben. Man kann aber auch natürlich selbst die Vielfalt kultivieren im Rahmen der Möglichkeiten, die man hat. Man kann Saatgut weitergeben und tauschen und man kann mit anderen darüber reden und Wissen und Erfahrung mit anderen teilen.“
Ich kaufe der Arche Noah ein paar Gemüse-Samen ab. Dann nehme ich noch eine kleine Zwergpyramiden Lärche mit Bonsaipotential mit nach Hause – ich nenne sie Hermine – und bekomme noch einen kleinen Ohrwaschlkaktus namens Sebastian geschenkt. Nun ist also auch in mir eine kleine Pflanzenfanatikerin erwacht. Ich freue mich schon auf die nächste Raritätenbörse.