Rainbow Scouts: Die Pfadfinderbewegung ist bunt wie nie zuvor
Spät, aber doch dürfen sich in den USA ab 2014 auch geoutete Schwule bei den Boy Scouts engagieren. In Österreich oder in Großbritannien, dem Ursprungsland der Pfadfinderbewegung, ist das längst gelebte Normalität. Günther „Güma“ Marincelj, aktiver Pfadfinder und schwul, erklärt, warum es die von ihm gegründete Intitiative „Rainbow Scouting Austria“ dennoch braucht.
Seit zwei Jahren formieren sich innerhalb der Pfadfinder und Pfadfinderinnen Österreichs die „Rainbow Scouts“. Wozu braucht es denn eine „Initiative von homo/bi/transsexuell empfindenden Pfadfindern und Pfadfinderinnen“?
Günther Marincelj: Wir Pfadfinder und Pfadfinderinnen versuchen alle Menschen, egal welcher Herkunft, Religion und sexueller Ausrichtung zu achten und versuchen alle zu verstehen. Wir haben vor zwei Jahren gemerkt, dass das Thema „homosexuelle Pfadfinder “ bisher in Österreich praktisch nicht präsent war. Eine der ersten Ideen war also sich anzuschauen, inwiefern ist das Thema überhaupt ein Thema. Dabei hat sich sehr schnell gezeigt, dass in den Zugängen und Einstellungen der Pfadfindergruppen/Landesverbände doch sehr große Unterschiede bestehen, die sich auch in den konkreten Erfahrungen einzelner homosexueller Pfadfinder widergespiegelt haben.
Das heißt es geht euch um einen integrierten Zugang und nicht darum, eine eigene schwule, lesbische, bi oder transsexuelle Pfadfindergruppe zu gründen?
Ganz genau, mit einer eigenen Gruppe würden wir ja das Gegenteil von dem erreichen, was wir wollen. Homo/bi/transsexuelle Pfadfinder sind Realität in den Gruppen und der täglichen Pfadfinderarbeit. Dieser Realität zur bewussten Normalität zu verhelfen ist eines unserer Ziele. Wir wenden uns dabei nicht nur an homosexuelle Pfadfinder, sondern an alle, die sich zu dem Thema austauschen oder engagieren möchten. Wir verstehen uns also vielmehr als Plattform zum Austausch und zur Unterstützung.
Wie viele Rainbow Scouts gibt es denn aktuell in Österreich?
Nun die Initiative hat derzeit etwa 12-15 offen unterstützende Mitglieder aus drei verschiedenen Bundesländern und viele Sympathisanten. Auf Facebook hat unsere Seite derzeit 70 Mitglieder. Es hat einige Zeit gedauert bis der Zug ins Rollen gekommen ist, aber gerade in den letzten Wochen spüren wir ein verstärktes Interesse.
Was sind konkrete Ziele der Rainbow Scouts Austria? Gibt es so etwas wie ein Manifest?
An einer Art „Manifest“ arbeiten wir gerade. Ich würde die konkreten Ziele in zwei große Bereiche trennen. Auf der einen Seite geht es um ein Angebot. Wir sehen uns als Ansprechpartner wann immer es Fragen, Bedarf an Erfahrungsaustausch oder Unterstützung geht. Wir möchten auch, dass die pädagogischen Behelfe sofern sie einen Bezug zur Sexualität haben (wie z.B. im Kinder- und Jugendbuch „Joker“) auch homo/bi/transsexuelle Lebenskonzepte erwähnen. Da reicht oft schon ein Satz um Normalität zu schaffen.
Vorstellbar ist für uns auch, dass die PPÖ eine Art „Leitfaden“ herausgeben so ähnlich den Factsheets, die es von den britischen Pfadfindern dazu gibt. Auf der anderen Seite geht es um Bewusstseinsbildung. Das beginnt bei der Verwendung des Wortes „schwul“ als Schimpfwort und hört bei der positiven Wirkung von Role-Models auf. Wir sehen das immer wieder, sobald sich eine Leiter oder ein Leiter outet und die Gruppe positiv damit umgeht, bekommt das ganze Thema für die Kinder und Jugendlichen eine ganz andere, weil normale Bedeutung.
Auch der Schutz der Jugendlichen liegt uns am Herzen. Die Suizidrate unter homosexuellen Jugendlichen ist immer noch deutlich höher als unter heterosexuellen Jugendlichen. Gerade in der Pubertät sind die Pfadfinder für viele Jugendliche eine wichtige Gemeinschaft, in der man sich verstanden fühlt. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich Jugendliche, die sich mit dem Gedanken tragen homosexuell zu sein an einen Pfadfinderleiter oder eine -Leiterin wenden. So eine Situation kann schon sehr herausfordernd sein und da möchten wir einfach Unterstützung bieten.
Ab 2014 dürfen sich in Amerika erstmals auch geoutete Schwule bei den Boy Scouts engagieren. Davor waren die Boy Scouts of America als reaktionär und homophob aufgefallen, was Madonna dazu veranlasst hat, gegen Schwulenfeindlichkeit Partei zu ergreifen und in Scout-Uniform aufzutreten. Seid ihr mit amerikanischen Rainbow Scouts vernetzt?
Es gibt seit dem Jamboree 2011 in Schweden eine weltweite Vernetzung mit ähnlichen Initiativen und Pfadfindern auf der ganzen Welt, darunter auch amerikanische Pfadis. Daraus sind auch schon konkrete Aktionen z.B. am Roverway, einem internationalen Pfadfinderlager für Jugendlichen von 16 – 21 Jahren, in Finnland entstanden. Oder auch die bunte Lilie, die wir als Symbol verwenden, sie stammt aus Finnland.
Auch Bill Gates, der selbst Pfadfinder war, hat sich gegen Schwulenfeindlichkeit zu Wort gemeldet. Seine Begründung: „Because it’s 2013!“. Haben die Rainbow Scouts in Österreich prominente Verbündete und ehemalige Pfadfinder, die sich engagieren?
Nein derzeit noch nicht, unsere Initiative ist noch sehr jung und man muss auch klar feststellen, dass die Situation in den USA nicht vergleichbar ist mit jener in Österreich. Die PPÖ sind ganz klar gegen jede Form von Diskriminierung und haben sehr deutlich festgestellt, dass homosexuelle PfadfinderInnen in Österreich selbstverständlich sind. Es gibt auch eine ganze Reihe von positiven Beispielen bei den PPÖ. Aber natürlich gibt es auch immer wieder Unsicherheiten, Schwierigkeiten und manchmal auch einfach nur Unwissenheit und genau dort möchten wir ansetzen.
Die Pfadfinder sind unparteiisch und überkonfessionell, gelten aber – nicht zuletzt in Wien – als strukturell eher konservativ. Wie hat man euer Engagement denn aufgenommen?
Sehr unterschiedlich. Die Pfadfinder sind nun mal eine sehr heterogene und bunte Bewegung und ebenso bunt waren auch die Reaktionen. Ich würde sagen sie reichten von Entsetzen bis Begeisterung.
Bei Aussendungen der Rainbow Scouts werden die Worte homosexuell eher vermieden. Ist das Absicht?
Derzeit schon noch. Für eine neue Initiative ist einer der wichtigsten Schritte den Bekanntheitsgrad zu steigern. Um diesen Schritt innerhalb der Pfadfinderbewegung erfolgreich gehen zu können durften wir die offiziellen Kommunikationskanäle der Wiener Pfadfinder und Pfadfinderinnen verwenden. Dort hatte man aber starke Bedenken wegen des Wortes „Homosexualität“ weshalb wir derzeit die etwas verwirrende und vielleicht auch leicht kindische Umschreibung „PfadfinderInnen im Sinne des Rainbow Scoutings“ verwenden. Wir sind damit nicht sehr glücklich, weil viele es nicht verstehen, aber es war damals die einzige Chance den Bekanntheitsgrad zu steigern.
Gibt es Bundesländer, aus denen ihr besonderen Gegen- oder Rückenwind spürt?
Naja das hängt immer davon ab, auf wen man ein Bundesland reduziert. Es gibt Einzelpersonen, die uns sehr unterstützen und andere, die sehr darauf bedacht sind, dass wir möglichst nicht auffallen. Und es gibt Gremien, in denen sich mal mehr der einen und mal mehr der anderen Seite finden. Ganze Bundesländer aber wegen einzelner Gremien als Unterstützer oder Gegner zu nennen, fände ich den vielen Gruppen gegenüber unfair. Außerdem bin ich davon überzeugt, dass der überwiegende Teil in den Gruppen dem Thema sehr offen und positiv gegenüber steht.
Angeblich wurden die Rainbow Scouts von älteren Pfadfinder-Funktionären schon als „Pädophile“ bezeichnet. Wie geht man denn mit solcher Ignoranz um?
Ruhe bewahren, soweit wie möglich aufklären und falls dies nicht möglich ist ignorieren.
In einigen Bundesländern wurde bislang eher die „Don’t ask, don’t tell“-Politik praktiziert. In Oberösterreich hingegen gibt es seit Jahren ein geoutetes schwules Paar, das in einer Pfadfindergruppe Kinder und Jugendliche betreut. Was sind denn die Erfahrungen mit Eltern und Kindern? Gab es da Vorbehalte?
Es gibt viel mehr offen geoutete Pfadfinderleiterinnen und -Leiter als die meisten annehmen würden. Die Kinder und Jugendlichen reagieren eigentlich immer positiv. Bei den Eltern ist die Bandbreite wieder etwas größer. Wichtig aber ist meiner Meinung nach, dass es allen Eltern immer lieber war sie wussten es und man konnte darüber reden und sich informieren. Das schlimmste ist ja das Negieren und Nicht-Thematisieren. Davon hat am Ende niemand etwas und vor allem wird durch Ausgrenzung nur die Heimlichkeit gefördert. Besser offen leben und respektvoll miteinander umgehen!
Vor einigen Jahren sollte in Oberösterreich ein kirchlicher Preis an die dortige Homosexuellen-Initiative (Hosi) vergeben werden, was plötzlich zurückgezogen wurde. Was die ebenfalls ausgezeichneten oberösterreichischen Pfadfinder spontan dazu veranlasst hat, sich solidarisch zu erklären und ihren Preis an die Hosi weiterzureichen. Gibt es andere positive Beispiele aus der österreichischen Pfadfinderbewegung?
In dieser Dimension kenne ich keine weiteren Beispiele, aber österreichweit zeigen Pfadfinder immer wieder eine starke Offenheit und Unterstützung für schwule, lesbische, bi- und transsexuelle Menschen.
Eine persönliche Frage: Wie ist es dir mit deinem eigenen Outing bei den Pfadfindern gegangen?
Als ich mich geoutet habe war ich Späher-Leiter („Guides“ und „Späher“ sind Mädchen bzw. Buben im Alter von 10-13 Jahren, Anm.) und kurz davor, zum Gruppenleiter gewählt zu werden. Bei mir in der Gruppe war es nie ein Problem, im Gegenteil: Ich weiß, dass das Team mich mit aller Kraft unterstützt und verteidigt hätte wenn es da irgendwelche Bedenken oder Schwierigkeiten gegeben hätte.
Meinen Guides und Spähern habe ich es nur erzählt, wenn sie mich gefragt haben, wobei sie es mir im Normalfall ohnehin nicht geglaubt haben. Die meisten haben es erst bei den CaEx (Altersstufe der Mädchen/Burschen ab 13 Jahren) erfahren aber auch da gab es nie Probleme. Sicherlich eines der vielen positiven Beispiele. Leider gibt es aber auch andere.
Abschließend noch eine Einschätzung: Wie konservativ sind die österreichischen Pfadfinder?
Wie schon erwähnt sind die Pfadfinder unglaublich bunt, es gibt in Österreich sowohl sehr konservative wie sehr progressive Gruppen. Das lässt sich nicht über einen Kamm scheren. Darin besteht ja auch ein Teil unseres Engagements, Brücken zu schlagen für ein respektvolles Miteinander.
„Rainbow Scouts Austria“ auf Facebook: www.facebook.com/RainbowScoutingAustria
Kontakt: rainbow.scouting(at)gmx.at