ArghhHh! Das Plastiktütenmonster ist da
So etwas hat man selten gesehen: Ein Monster vollgepackt mit 200 Plastiktüten demonstriert gegen die Verwendung von Einweg-Sackerln. Sein Lösungsvorschlag? Mehrweg-Taschen.
Eins vorweg: Das Monster ist nicht echt. Andy Keller spielt das Plastiktütenmonster um dem Einweg-Plastiktüte ein Ende zu bescheren. Damit die Menschen eine Alternative zu herkömmlichen Sackerls haben, hat er außerdem die Firma Chico Bag gegründet. Was genau Chico Bag macht und wie die Beziehung zwischen Andy und dem Plastiktütenmonster läuft hat BIORAMA im Interview mit dem Monster herausgefunden.
BIORAMA: Das Plastikmonster kämpft gegen Einweg-Plastiktüten. Was ist deine Waffe?
Plastiktütenmonster: Meine Waffe ist Ironie. Ich bekämpfe Feuer mit Feuer, zumal ich ja selbst aus fast 200 Plastiktüten bestehe – so viele verbraucht ein durchschnittlicher Europäer pro Jahr. Wenn die Menschen beim fast automatischen Griff nach der Plastiktüte im Supermarkt an das Plastiktütenmonster denken müssen, die Kreatur die aus dem übermäßigen Plastiktütenkonsum entstanden ist, und sich beim Gedanken an das Plastiktütenmonster für ihren nächsten Einkauf vornehmen, eigene Mehrweg-Taschen oder Behälter mitzubringen, dann hab ich ganze Arbeit geleistet.
Wie ist das Plastiktütenmonster entstanden?
Das Plastiktütenmonster ist die Idee des Chico-Bag-Gründer Andy Keller, der auf vielen Märkten in den USA immer einen riesigen Haufen von Plastiktüten aufbahrte und dort seine Mehrweg-Taschen als Alternative verkaufte. Irgendwann entschied er sich, den ganzen Haufen Plastiktüten einfach anzuziehen. So war das Plastiktütenmonster geboren.
200 Tüten verbraucht ein durchschnittlicher Europäer pro Jahr, in Deutschland sind es 71. Wird das Monster auch in Gebiete fahren, die den Durchschnitt in die Höhe treiben? Bzw. welche Länder sind das und warum?
Ja, das ist die Idee. Das Plastiktütenmonster soll zu einer internationalen Bewegung und einem Symbol gegen Plastiktütenverschwendung werden. Polen und Portugal sind Spitzenreiter im europäischen Plastiktütenverbrauch, dort werden pro Jahr und Einwohner fast 500 Plastiktüten verbraucht. Das Plastiktütenmonster soll auch dort den Menschen zeigen, was aus all den gebrauchten Plastiktüten entstehen kann. Portugal ist wirklich eine gute Adresse für das Plastiktütenmonster – es liegt gern am Strand, in der Sonne und auch im Meer fühlt es sich zu Haus, dort wo so viele Plastiktüten landen. Es gibt aber auch vorbildliche Regionen auf der Welt. In Ruanda zum Beispiel dürfte das Plastiktütenmonster gar nicht erst einreisen. Dort ist der Verbrauch und die Einfuhr von Plastiktüten schon seit einigen Jahren verboten und wird sogar an der Grenze streng kontrolliert.
Kinder glauben an Monster. Wie reagieren Erwachsene auf diese Form des Protests bzw. auf Aktionen?
Auch Erwachsene waren mal klein. Das Plastiktütenmonster kommt eigentlich fast überall sehr gut an. Viele verstehen die Idee und können sich ein Lachen nicht verkneifen. Es kommt natürlich auch immer darauf an, wie man den Menschen begegnet. Das Monster hat trotz der schlechten Hülle einen weichen und humorvollen Kern und verbreitet seine Botschaft mit einem Augenzwinkern. Es gibt aber natürlich auch Leute, die das gesamte Thema Plastikmüllvermeidung einfach nicht interessiert. Diese Leute erreicht man auch mit dem Plastiktütenmonster nur schwer, oder sie lassen sich es einfach nicht anmerken.
Das Plastiktütenmonster vor dem Supermarkt – eine wirksame Form des Protests?
Auf jeden Fall. Supermärkte und andere Geschäfte sind die nicht versiegenden Quelle der Plastiktütenflut. Dort den Menschen zu begegnen ist sehr wirksam. Die Kommunikation darf dann vor Ort allerdings auch nicht aggressiv sein. Viele Menschen fühlen sich sonst ertappt und reagieren abwehrend, da sie eigentlich wissen, dass sie auch eine eigene Mehrweg-Tasche benutzen könnten. Der Schlüssel zu weniger Plastiktütenverbrauch liegt tatsächlich bei den Supermärkten und den Konsumenten. Wenn viele Supermärkte aktiv Alternativen oder Bonusprogramme für den Verzicht auf Plastiktüten anbieten würden, dann würden sie auch einen Teil der Verantwortung mittragen. Natürlich entscheidet am Ende der Konsument, ob er eine Tüte haben möchte oder nicht. Oftmals mangelt es tatsächlich einfach nur an kreativen Alternativen und der Motivation.
Braucht es Verbote, um die Flut an Plastiktüten einzudämmen?
Es gibt verschiedene Ansätze, wie man die Plastiktütenfrage auch politisch angehen kann. Verbote, Regeln und Richtlinien sind unbeliebt, viele auch überflüssig und doch haben sie meist eine große Wirkung auf das Verhalten. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass eine Abgabe pro Plastiktüte schnell zu einer Reduktion des Plastiktütenverbrauches führt. Wenn für jede Plastiktüte gezahlt werden muss und sie nicht einfach nur kostenlos zur Verfügung gestellt werden, dann überlegen sich Menschen schon, ob sie wirklich eine Plastiktüte brauchen oder doch lieber schon vor dem Einkauf an eine eigene Tasche denken und sich das Geld sparen.
Bei der Bekämpfung von Plastiktüten zeigen aber vor allem Staaten wie Ruanda und Bangladesch, was man für die Umwelt tun kann. Dort gibt es zwar Verbote, hohe Strafen, aber auch Aufklärungsunterricht zum Thema Plastik in den Schulen, die die Problematik der Tüten schon bei den Jüngsten ins Bewusstsein rücken. Dort lernen die Kids, dass die Industriestaaten mit solchen Bemühungen für die Umwelt noch echte Entwicklungsländer sind.
Wolfgang Pauser, ein Konsumexperte, der sich mit Konsum und Alltagskultur beschäftig, glaubt zum Beispiel, dass das eigentlich größte Problem bei der Frage nach der Abschaffung der Tüten ist, dass das Shoppen erfunden wurde. Shoppen ist Flanieren, eine Freizeitbeschäftigung bei der man nicht wirklich zielgerichtet unterwegs ist, aber irgendwo spontan zu einem Kauf verführt werden möchte. Shoppen ist spannend. Für so ein Abenteuer kann man sich keine Tasche mitnehmen und die Tüte muss dann beim Impulskauf einfach verfügbar sein.,Verbote und Richtlinien können etwas bewirken, aber eigentlich müssen wir alle unser Konsumverhalten hinterfragen und viel Aufklärungsarbeit leisten.
Wie sieht es mit dem restlichen Müll aus? Plastiktüten sind ja nicht alleine Schuld,…
Das ist richtig. Die Plastiktüte steht natürlich nur als Symbol für den gesamten Plastikkonsum, weil man auf sie am einfachsten verzichten kann. Aber Plastik ist heute überall, durchdringt alle Lebensbereiche und hat uns um den Verstand gebracht. Es ist sauber, abwaschbar und super flexibel. Auch in den Zeiten zunehmender Müllberge und riesiger Müllstrudel im Meer hat die Faszination Plastik noch nicht so richtig nachgelassen. Der Werkstoff Plastik verspricht universelle Gestaltbarkeit und Reinheit. Als Verpackung für Lebensmittel mit Bildern aus der Natur ist Plastik sogar das Trägermaterial für ein Frischeversprechen. Und genau hier liegt der knifflige Punkt: Plastik wird oft nicht als Plastik wahrgenommen, sondern verkörpert etwas anderes. Plastik in Form von Spielzeug ist Spaß, Plastik in Form eines Radios oder Fernsehers ist Unterhaltung. All diese Dinge verlieren aber nach ihrer Nutzung oder wenn sie kaputt gehen ihre Bedeutung und sind dann oft nichts weiter als Müll.
Das sollte sich ändern. Plastikmüll sollte ein Rohstoff sein und am besten 100% recycelbar. Leider ist nicht jedes Plastik recycelbar und es fehlt oft auch an Recyclingsystemen. Es gibt bereits viele kreative Ansätze wie man Teile dieses Problems lösen kann. Bis es soweit ist hilft es aber darüber nachzudenken, wo man im Alltag auf Plastik verzichten kann.
Plastiktütenmonster: www.repetbags.de/plastiktuetenmonster
Chico Bag: www.repetbags.de