Plakate für eine vegane Ernährung
Der Kommunikationsdesigner und Vegetarier Denis Becker macht in seiner vielbeachteten Diplomarbeit „Plakate für eine vegane Ernährung“ auf die Misstände in der modernen Nutztierhaltung aufmerksam. Dafür greift er auf die Form von Werbeplakaten zurück, nutzt sie aber für eine gänzlich andere Bildsprache, als es die Agrarindustrie tut.
BIORAMA: In deiner Diplomarbeit ist viel von Kognitiver Dissonanz die Rede. Dahinter steckt die Theorie, nach der Menschen bevorzugt solche Informationen aufnehmen, die mit ihren eigenen Standpunkten und Meinungen übereinstimmen, und andere übersehen und verdrängen. Schauen die meisten Menschen deshalb an den Zuständen in der Massentierhaltung vorbei?
Die Ansicht, dass eine Systematik wie die Nutztierhaltung und die damit verbundenen Automatismen wie Haltung, Nutzung und Schlachtung grundsätzlich abzulehnen ist, weicht von den »normalen« Vorstellungen in unserer Gesellschaft deutlich ab, und wird von einer großen gesellschaftlichen Mehrheit als dissonant empfunden und daher ignoriert.
Wenn man sich regelmäßig mit Nutztierhaltung auseinandersetzt, dann hat man schon viele dramatische Bilder aus den Ställen dieser Welt gesehen. Sind die neun Beispiele deiner Diplomarbeit repräsentativ oder hast du bewusst drastische Darstellungen gewählt?
Es geht bei den Abbildungen vor allem um Realität, eine Realität die dem unkritischen Verbraucher bewusst verschwiegen wird. Ich hätte weitaus extremere Bilder für meine Arbeit verwenden können, aber ich glaube nicht an die Wirkung dieser „Ekelbilder“. Die Leute sollen sich nicht ekeln und abwenden, sondern hinsehen und nachdenken!
Wie bist du zu den Motiven für deine Diplomarbeit gelangt? Bist du selbst in landwirtschaftliche Betriebe gegangen, um dir ein Bild von den Produktionsbedingungen zu machen? Hatten die Produzenten nichts dagegen, dass du die Fotos machst und verwendest, oder hast du auf das Bildmaterial anderer zurückgegriffen?
Ich hatte leider nicht die Möglichkeit selbst in die Betriebe zu gehen und Fotos zu machen. Deshalb habe bei meiner Arbeit auf das Bildmaterial verschiedener Tierschutzorganisationen und Tierschützer zurückgegriffen.
Wie können Design und visuelle Kommunikation dazu beitragen, die Menschen für die Bedingungen in der modernen Nutztierhaltung zu sensibilisieren?
Visuelle Kommunikation kann aufklären. Gerade die Intellektuellen, Kreativen, Fotografen, Autoren, Künstler, Designer… – wir verfügen doch über die nötigen Mittel um auf Missstände aufmerksam zu machen. In meinen Augen gibt es da eine ganz klare Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft.
Wenn man genauer nachfragt, wissen eigentlich die meisten Menschen, dass in der Agrarindustrie einiges schief läuft. Inwieweit ist es eine Frage der stetigen Bewusstmachung und Erinnerung der Menschen daran, die zu Veränderungen führt?
Es ist vor allem eine Frage der Frequentierung. Die Konfrontation der Gesellschaft mit kritischen Informationen erzeugt ein kognitives Spannungsverhältnis, welches die Menschen zur Abänderung ihrer Moralvorstellungen und Verhalten bewegen kann. Jedes gezeigte Bild, jeder schriftliche Kommentar, jede Diskussion – jede geäußerte Kritik am Status Quo – ist somit ein potenzieller Faktor bei der Neubewertung gegenwärtiger Umstände und Verhaltensgewohnheiten des Verbrauchers.
Plakate werden vor allem als Werbemedium eingesetzt. Eignen sie sich gerade deshalb, um Inhalte zu transportieren, die der Bildsprache von Werbung diametral widersprechen?
Ganz richtig. Die Funktion des Plakats ist die schnelle Vermittlung von Informationen. Zur Zielgruppe gehören nicht nur diejenigen, die diese Informationen suchen, sondern auch diejenigen, die das Plakat und seine Aussage im Vorbeigehen wahrnehmen. Genau hier liegt der entscheidende Vorteil der Plakate, sie können eine größere Masse erreichen und dazu animieren, sich eingehender mit diesen unbequemen Wahrheiten auseinanderzusetzen.
Sind die Leute aufnahmebereiter, wenn Inhalte im gewohnten Werbeformat transportiert werden?
Das kann gut sein. Begreifen wir Plakate als generelles Mittel der Kommunikation, lassen sich auch kritische und unbequeme Botschaften transportieren. Mit unbequemen Themen werden wir im öffentlichen Raum nur sehr selten konfrontiert. Es stehen zwar aufklärende Informationsmedien zur Verfügung, allerdings setzt sich nur der von Haus aus »kritische Konsument« eingehender damit auseinander.
Muss der Verzehr tierischer Produkte zwangsläufig zu skandalösen Methoden in der Nutztierhaltung führen?
Alleine das Wort „Nutztier“ ist doch schon absoluter Wahnsinn, aber gut… – Es geht dabei doch nicht nur um die skandalösen Methoden, sondern auch um die Folgen, die globalen Auswirkungen.
Am Anfang des Ganzen gilt es eine ganz einfache Frage zu beantworten: Darf man ein Tier töten? Ja oder Nein? Die Antwort ist NEIN.
Glaubst du, dass die Konsumentinnen und Konsumenten weiterhin diese Mengen an Fleisch verzehren würden, wenn die Produktionsbedingungen in der Agrarindustrie bekannter wären, oder würde die Werbung sie weiterhin zum Kauf von Fleisch verführen?
Tja, eine gute Frage. Ich bin zumindest fest davon überzeugt, dass wir, eher früher als später, an einen Punkt kommen werden, an dem wir uns eingestehen müssen, dass wir so nicht weitermachen können. Bis dahin gibt es ja noch die Möglichkeit sein Gewissen mit dem Kauf eines Elektroautos, oder einer Spende zur Weihnachtszeit zu beruhigen.
Kannst du dir vorstellen, dass Werbung auch mit einer ehrlichen Bildsprache funktionieren würde, oder ist es in der Werbung unumgänglich, idealisierte und verklärende Darstellungsformen zu wählen?
Selbstverständlich kann Werbung auch mit einer ehrlichen Bildsprache funktionieren, das ist zunächst eine Frage des Produktes. Ehrliches Produkt – ehrliche Werbung. Dennoch bleibt Werbung in erster Linie ein Mittel der Verkaufsförderung und Imagebildung, dass da idealisiert wird liegt doch in der Natur der Sache, darf aber keine Alibi für unkritischen Konsum sein.
Was wird mit deiner Diplomarbeit geschehen?
Das Potential der Arbeit ist ja noch nicht ausgereizt. Ich werde die Serie in nächster Zeit um einige Plakate erweitern. Motive aus dem Bereich der Gänseleber Produktion, Milchproduktion und Fischerei sind bereits in Arbeit. Und dann gibt es noch die Idee, das ganze als Kochbuch zu veröffentlichen. Erste Verlage haben bereits Interesse signalisiert. Es gibt also noch genug zu tun.
Werden die Plakate tatsächlich irgendwo im öffentlichen Raum zu sehen sein?
Erfreulicherweise gibt es ein großes Interesse an meiner Arbeit und es wird mehrere regionale und überregionale Ausstellungen geben. Im Juli werde ich die Plakate in der Schauraum 8 Ausstellung der Fachhochschule Dortmund ausstellen, vom 05.-21. November in der Dortmunder Berswordt-Halle. Eine weitere Ausstellung im Lüneburger Glockenhaus ist bereits in Planung.
Weitere Motive und Infos: denisbecker.com