Unter Strom
Derzeit wird an unterschiedlichen Modellen getüftelt, um auf Autobahnen Strom zu gewinnen.
Photovoltaikstraßen nutzen Solarzellen am Boden bereits für die Produktion von Sonnenenergie. Die Idee ist vielversprechend, eine praktische Umsetzung in Frankreich dämpfte allerdings die Euphorie. Ein Forschungsprojekt untersucht derzeit eine Methode, bei der Solarzellen nicht direkt auf, sondern über der Straße angebracht werden.
Solarzellen sind die kleinste Einheit eines Solarmoduls. Mehrere Solarzellen bilden gemeinsam mit einem Rahmen und Beschichtungen ein Solarmodul. Aus wie vielen Solarzellen ein Solarmodul besteht, hängt von der Größe des Moduls ab.
Aus Fehlern lernen
Auf Solarstraßen werden entweder Solarzellen am Straßenbelag angebracht oder direkt in die Straße eingelassen. Durch die einfallende Sonneneinstrahlung wird Strom erzeugt, eine erste Umsetzung gab es 2014 in den Niederlanden in Form eines Solarradweges. 2016 wurde in der Gemeinde Tourouvre au Perche die erste Solarstraße der Welt eingeweiht. Die 3000-EinwohnerInnen-Gemeinde 150 Kilometer westlich von Paris wurde mit 2800 Solarpaneelen ausgestattet, die direkt in die Straße eingearbeitet und mit Kunstharz beschichtet wurden, um der Belastung des Straßenverkehrs standzuhalten. Der Strom, der auf dem einen Kilometer langen Straßenabschnitt produziert wurde, sollte für die lokale Straßenbeleuchtung eingesetzt werden. Doch das Projekt scheiterte. Die Solarmodule waren weniger widerstandsfähig als ursprünglich gedacht und mussten nach drei Jahren ausgetauscht werden, AnrainerInnen beschwerten sich außerdem über zu laute Abrollgeräusche der Autos auf dem Kunstharzbelag und statt der kolportierten 790 Kilowattstunden pro Tag konnte auf dem Solarstraßenabschnitt nur knapp die Hälfte der Energie produziert werden.
12.993 Kilometer Autobahn gibt es in Deutschland nach Angaben des deutschen Verkehrsministeriums. Zumindest in der Theorie könnte darüber ein Solarpark mit der Fläche der Stadt Bremen entstehen.
Fabian Janisch, zuständig für den technischen und energiewirtschaftlichen Bereich beim Bundesverband Photovoltaic Austria, schätzt das theoretische Potenzial von Solarstraßen groß ein, sieht aber Probleme in den Ausführungen, die Solarzellen am Boden vorsehen. »Auf Straßen selbst ist die Belastung enorm, die Solarzellen auf Autostraßen in so gutem Zustand zu erhalten, dass diese langfristig Strom produzieren, halte ich für sehr schwierig. Neben der hohen Belastung sind außerdem der Neigungswinkel und die Verschmutzung der Module ein Problem für die Stromerzeugung.«
Zwei schon erprobte Lösungen für das Problem sind einerseits das Anbringen von Solaranlagen auf Autobahntunneln, die die Tunnel mit Strom versorgen, und andererseits Lärmschutzwände, an denen Solarmodule angebracht sind. Eine weitere Lösung sieht Janisch in überdachten Solarstraßen: »Durch die Neigung der Solarzellen, die die Straße überdachen, reinigt sich die Anlage durch Niederschläge gewissermaßen selbst.« An einer solchen Konstruktion arbeitet derzeit das Forschungsprojekt »PV Süd«. Es will damit die Vorteile von Tunneln und Lärmschutzwänden miteinander verbinden. So sollen Solarpaneele auf Leichtbaukonstruktionen über der Autobahn angebracht werden und dabei Strom erzeugen. Das hat den Vorteil, dass die Straßenoberfläche zusätzlich vor Regen, Schnee oder Überhitzung geschützt wird und seltener gewartet und geräumt werden muss, zudem soll die PV-Überdachung durch ihre Konstruktion auch die Lärmbelastung senken.
Über ein Kilometer lang ist die derzeit längste Solarstraße der Welt in der chinesischen Provinz Shandong. Sie soll mit einer jährlichen Stromerzeugung von 330.000 Kilowattstunden den Stromverbrauch von rund 220 Haushalten decken. Die Kosten für die Straße: über 5 Millionen Euro.
BrückenbauerInnen
Das Forschungsprojekt wurde 2020 gestartet und läuft noch bis Anfang des kommenden Jahres. Von 2020 bis 2021 wurde ein theoretisches Konzept für die überdachten Solarstraßen entwickelt. Für die praktische Umsetzung werden PV-Technologien gesucht, die mit hoher Effizienz, Robustheit und Langlebigkeit auch großen Niederschlagsmengen und Druckwellen großer Fahrzeuge standhalten können und außerdem lichtdurchlässig sind, damit weiterhin möglichst viel Tageslicht auf die Fahrbahn gelangt. Die Überkopftragekonstruktion soll begehbar sein, damit mögliche Schäden schnell ausgebessert werden können und die Anlage in Fahrtrichtung modular erweitert werden kann. Der Prototyp, der aus dem Konzept hervorging, ist ein zehn Meter langes Basiselement, bestehend aus PV-Zellen aus Glas und Silizium und einer seitlich offenen Stahlkonstruktion, die die Zellen trägt. Jedes dieser Basiselemente kann nach ersten Messungen jährlich 40 Megawattstunden Solarenergie produzieren.
Prototyp in Deutschland
»PV Süd« soll Lösungen für den gesamten DACH-Raum hervorbringen, in Auftrag gegeben wurde es vom österreichischen Klimaschutzministerium, der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft, dem deutschen Bundesministerium für Verkehr und dem Schweizer Bundesamt für Straßen. Koordiniert wird das Projekt vom AIT, die Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut sorgt für einen Wissensaustausch im Bereich neuester Photovoltaiktechnologien, das österreichische Unternehmen Forster Industrietechnik ist in der bautechnischen Planung, Umsetzung und Montage involviert.
Projektleiter Manfred Haider erklärt die großen Vorteile von überdachten Solarstraßen gegenüber Straßen mit Solaroberfläche folgendermaßen: »Themen wie Haftung der Reifen auf der Fahrbahnoberfläche, Abnutzung sowie direkte Beschädigungen durch Autos fallen weniger ins Gewicht.« Er betont aber, dass Kosten und Nutzen erst nach Abschluss des gesamten Forschungsprojekts gegenübergestellt werden können.
Zum Problem für die überdachte Solarstraße könnten allerdings auch Straßenunfälle werden, denn bei 3D-Vermessungen zur Unfallherleitung kommen häufig Drohnen zum Einsatz, welche allerdings nicht durch das Solardach filmen könnten. Auch ein Rettungshubschrauber kann bei Solarüberdachungen auf der Autobahn möglicherweise nicht direkt an der Unfallstelle landen. Wie gut sich die Idee in die Praxis umsetzen lässt, wird jetzt mit einem Prototyp getestet. Dieser befindet sich auf einer Raststätte in Baden-Württemberg, wo in fünfeinhalb Metern Höhe auf einer Fläche von 12 mal 14 Metern Solarmodule installiert wurden. Auch wenn der Standort des Prototyps nur vorrübergehend ist und die Solarmodule nach Abschluss des Projekts über Autobahnabschnitten auf Höhe von Schilderbrücken Sonnenenergie erzeugen sollen, sind für Fabian Janisch von PV Austria Parkplätze ein guter Standort für PV-Überdachungen, durch die nicht nur grüne Energie erzeugt, sondern auch Autos und FahrerInnen vor Witterungseinflüssen geschützt werden können.
BIORAMA BUSINESS #1