Cremig, winterweiß und nussig
Pflanzliche Joghurts sind relativ neu.
Soja, Nüsse, Mandeln, Kokos. Pflanzen, aus deren »Milch« sich kinderleicht cremig-saurer Joghurt fermentieren lässt, gibt es jede Menge. Auch in Super- und Biomarkt-Regalen wird das Angebot immer größer. Worauf ist zu achten? Und ist die Herstellung in der eigenen Küche tatsächlich keine Hexerei?
Beginnen wir mit einer kleinen Geschichte, die – zumindest auf den ersten Blick – mit pflanzlichen Joghurts wenig zu tun zu haben scheint. Michael Kerschbaumer ist ein Kärntner Milchbauer und Käser. Seine Sennerei, die »Kaslab’n Nockberge« verarbeitet Biomilch (Kuh, Schaf und Ziege) von Kärntner BiolandwirtInnen zu Butter und Käse. Mittlerweile in stattlicher Menge. Er schreibt gerade ein Buch. Aber nicht etwa über Käse, Kühe oder Milch. Über Tofu. Und einer der wesentlichen Gründe, warum er über Tofu schreibt, ist, dass er zwischen den Ernährungsphilosophien einen Graben verlaufen sieht, den er überwinden möchte. »Den Konflikt heilen«, wie er es in seinen eigenen Worten nennt. Gemeint ist der Graben zwischen jenen, die der Umwelt und/oder den Tieren oder etwa der eigenen Gesundheit zuliebe auf Milch und Milchprodukte verzichten und jenen, für die das kategorisch gar nicht erst in Frage kommt. Kerschbaumer will weg von der Sichtweise, dass es sich bei Tofu (mancherorts als »Bohnenkas« vermarktet) um ein Ersatzprodukt handelt. Er will weg vom Entweder-oder hin zur Ansicht, dass beides seine Geschichte und seine Berechtigung hat. Es sind andere Ideen,andere Produkte, andere Geschmäcker, andere Konsistenzen, andere Rezepte, die daraus entstehen. Pflanzliche Joghurts müssen nicht notwendigerweise als Alternative zum Kuh- oder Schafmilchjoghurt gesehen werden. Sie schmecken ganz anders – und fühlen sich ganz anders an. Aber der Vergleich bringt uns nicht weiter. Vielmehr die Tatsache, dass sie Möglichkeiten eröffnen. Der Strauß an Farben, Formen, Geschmäckern und möglichen Rezepten wird größer. Es lebe die Vielfalt.
Die Wurzeln
Genug philosophiert. Worum geht es? Zugegeben, neu sind pflanzliche Joghurts nur im Vergleich zu ihrem historischen Vorgänger. Die Wurzeln des Joghurts auf pflanzlicher Basis liegen klar erst in jenem Wandel der Ernährungsgewohnheiten, der durch gezielten Verzicht auf tierische Produkte angetrieben wird. Diese Feststellung ist wesentlich, weil es auch bedeutet, dass es eine relativ junge Geschichte ist. Oder anders gesagt, Joghurts auf Milchbasis gehören, wie Sauermilchprodukte generell, zu den ältesten Nahrungsmitteln, die wir kennen. Irgendwann, vermutlich zufällig, sind wir draufgekommen, dass Milch sauer werden kann, dann anders schmeckt und noch dazu länger haltbar ist. Das Wort Joghurt hat seine Wurzeln im Türkischen, wo es, Yoğurt, nichts anderes heißt als ›vergorene Milch‹. Das bedeutet aber auch, dass es in vielen Ländern und Kulturen auch verschiedene Formen des Joghurts gibt. Kefir im Kaukasus, Skyr in Island, Dugh in Persien, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Daraus resultieren auch unzählige Gerichte und Rezepte, die Teil kulinarischer Kulturen wurden. Denken wir nur an Griechenland und sein Tsatsiki. Dann, ein paar tausend Jahre später, kam die Erkenntnis, dass Konsum von Milch- und Milchprodukten und Tierwohl zumindest im heute üblichen Ausmaß nicht unter einen Hut zu bringen sind. Womit die Suche nach Alternativen begann.
Die Idee dahinter ist simpel: Was Kuhmilch sauer macht, macht auch Sojamilch sauer. Soja ist hier nun deshalb als Beispiel angeführt, weil vom Soja alles ausging. Die erste marktfähige Pflanzenmilch war Sojamilch. Auch wenn sie derzeit nicht als »Milch« vermarktet werden darf: Analog zur Milch wird die Pflanzenmilch zu pflanzlichem Joghurt verarbeitet. Auch der muss im Handel dann anders heißen – es darf weder im Hofladen, noch im Supermarkt »Joghurt« draufstehen. Mithilfe probiotischer Bakterienstämme jedenfalls wird pflanzliche Milch fermentiert. Die Bakterien wandeln den verfügbaren Zucker in Milchsäure um, und die wiederum ist für zwei sensorische Eigenschaften verantwortlich: das Säuerliche und das Cremige. Achtung bei der Cremigkeit. Die beiden am häufigsten verwendeten Bakterienstämme arbeiten ziemlich stichfest. Das heißt, durch die Fermentation mit Lactobacillus bulgaricus oder Streptococcus thermophilus entsteht stichfester Joghurt. Um hier mehr Cremigkeit zu erreichen, wird oft Tapioka- oder Reisstärke und auch Pektin als Stabilisator dazugegeben. Die Zutatenliste gibt entsprechend Auskunft. Achtung auch beim Zucker. Sojamilch enthält von Natur aus weniger Zucker als Kuhmilch. Manchmal wird das mit Agavendicksaft oder Rohrzucker kompensiert. Wenn eines von beiden zugesetzt ist, muss es allerdings auf der Verpackung ausgewiesen werden.
Die Prägung
Aus sensorischer Sicht sind pflanzliche Joghurts hochgradig spannend. Aber Achtung. Der Geschmack ist ein heikler Genosse, geprägt von frühkindlichen Erfahrungen und vor allem ein Gewohnheitstier. Wer erinnert sich nicht an das köstlich süß-säuerliche »Fru Fru«, für das es verschiedene Strategien des Genusses gab. Schütteln, Umrühren, das Joghurt löffeln, bis man unten bei der Marmelade ist. Bei pflanzlichen Joghurts müssen wir umlernen: Nichts erinnert uns an das, was wir als Joghurt kennen. Sie sind viel dichter, viel nussiger, viel voluminöser. Meist sind sie auch eine Spur dunkler als milchbasierter Joghurt. Dafür aber weicher im Abgang und insofern zum Beispiel die perfekte Wahl, wenn man das eingangs erwähnte Tsatsiki machen will.
Bronze für Joghurt
Auf dem europäischen Markt für pflanzenbasierte Produkte belegt veganer Joghurt mit einem Marktvolumen von 200 Mio € den dritten Rang nach Milch- und Fleischersatzprodukten.
Im BIORAMA #89 haben wir mehr zum Thema Pflanzenmilch und ihrer Geschichte geschrieben.