Perpetuum mobile: Urban Mining
Ahoi abfallfreie Welt – »Urban Mining« perfektioniert die Kreislaufwirtschaft
Jeans und T-Shirt, Acht-Stunden-Arbeitstage, Wochenenden frei und ein Schreibtischplatz an der Fensterfront – so sieht die Minenarbeit der Zukunft aus. Das Bergwerk der Ressourcenaufspürer: die Stadt mit ihren Häusern plus Infrastruktur als moderne Mine, die den klassischen (Unter-)Tagebau ablöst und deren Funde ökologisch nachhaltig für Unabhängigkeit von Rohstoffpreisen und Importen sorgen. »Urban Mining« ist der Fachbegriff für die Hebung sogenannter anthropogener – also vom Menschen geschaffenen – Sekundärlagerstätten. Steckt die wirtschaftliche Umsetzung auch noch in den Kinderschuhen, das Konzept einer lückenlosen Kreislaufwirtschaft mit dem Menschen als ressourcen- statt abfallproduzierendem Individuum scheint ein durchaus gangbares Zukunftsszenario.
Alltäglicher Konsum lässt die natürlichen Rohstoffreserven schrumpfen, während sich gleichzeitig Materiallager um uns herum anhäufen. In Wien beispielsweise werden 4.500 kg Eisen, 340 kg Aluminium, 210 kg Blei und 200 kg Kupfer pro Kopf vermutet, was im Falle von Kupfer rund 340.000 Tonnen allein in der österreichischen Hauptstadt ausmacht. Mit nur ca. 15 Prozent der Energie des Primärprozesses kann dieses beliebig oft ohne Qualitätsverluste wieder aufbereitet werden – praktisch, reicht doch das Kupfer aus herkömmlichen Minen Schätzungen zufolge gerade noch 36 Jahre. Und genau da kommt Urban Mining ins Spiel.
Design for Recycling
»Wo Urban Mining – auch wenn es nicht so genannt wurde – schon lange gelebt wird, ist beim recyceln von Glas, Papier, Altmetall und Baurestmassen«, sagt Brigitte Kranner, Geschäftsführerin des Wiener Unternehmens Altmetalle Kranner, Initiatorin des Blogs Urbanminig.at und Mitveranstalterin des internationalen Urban Mining Kongresses in Bremen. Recycling ist ein notwendiger Beitrag zur zielorientierten Abfallwirtschaft, das im Sinne des „Urban Mining aber nur ein Teil des Konzeptes ausmacht. Urban Mining setzt bereits beim Produktionsprozess an, denn je besser man weiß, woraus sich ein Haus, ein Kinderwagen oder die Sandwichverpackung zusammensetzt, desto besser können die Dinge auch wieder rückgebaut werden. »Design for Recycling« werden solche Zugänge genannt, die die langfristige Mehrfachnutzung im Blick haben und im Idealfall sogar im Sinne von Cradle-to Cradle weiterverarbeitet werden können. »Vor allem bei Gütern mit langer Lebensdauer fehlen am Ende Informationen über Art, Menge und Zusammensetzung«, sagt Paul H. Brunner, Professor am Institut für Wassergüte, Ressourcenmanagement und Abfallwirtschaft an der TU Wien, und empfiehlt eine Art Produktpass, in dem sämtliche stoffliche Informationen eingetragen werden und der in 20 bis 30 Jahren als Rohstofflandkarte dient. Dieses Katalogisieren erleichtert die Suche nach verwertbaren Materialien, denn auch die Methoden für das Aufspüren und Bewerten brauchbarer Lagerstätten sind noch nicht ausgereift. Genauso fehlt es derzeit noch an ökonomisch rentablen Verwertungstechnologien: »In Zukunft werden neue High-Tech-Prozesse zu entwickeln sein, die die komplexen Gemische, die morgen aus den heutigen Stofflagern in die Sekundärstoffwirtschaft eintreten, auftrennen können“«, sagt Brunner und denkt dabei neben dem Sortieren von Müll beispielsweise an Spezifisches wie die Gewinnung von Metallen aus Ruß oder Schlacke, die bei der Abfallverbrennung entstehen.
Wohnzimmer-Dekor aus Computerteilen, Aluminium für die Autoindustrie, Second-Hand-Spielsachen oder Recycling-Laufschuhe – Urban Mining fängt Materialien ab, bevor sie zu Abfall werden. Das Ziel ist der intelligente Umgang mit Rohstoffen, der über Generationen hinweg funktioniert und nur kleine Rückstände in sinnvollen Deponien anlegt. »Was gestern noch Abfall war, wird heute als wertvoller Rohstoff gesehen«, sagt Kranner und eigentlich klingt das doch nach der Lösung in Sachen nachhaltiges Umweltmanagement.