Von N.Y. bis Rio: Auf der Suche nach Ecowarriors
Eufemia ist eine ganz normale 50-jährige Frau – nicht sonderlich gebildet, nicht besonders reich lebt sie mitten im Nirgendwo in Chiapas, Mexiko. Und doch ist sie etwas Besonderes: In den 1990er Jahren hat ihr Bruder begonnen, dort auf unfruchtbarem Boden Bäume zu pflanzen. Eine Arbeit, für die er eines Tages als er vom Feld zurück kehrt von einem anderen Bewohner der Gemeinde umgebracht wird. Er ist gestorben, seine Idee aber nicht, denn seither pflanzt Eufemia mit Hilfe ihrer Familie tapfer Bäume weiter. 200 Hektar Regenwald haben sie so zusammen bereits erneuern können.
“Ecowarriors”, so nennt das belgisch-US amerikanische Ehepaar Anne und David Leute wie Eufemia oder wie die Selbst- Versorger-Community The HAUS project in Houston oder wie die Gründer eines illegalen, aber für Verkäufer und Käufer fairen Bauernmarkts in Ecuador: Es sind keine großen Organisationen, sondern ganz normale Menschen wie du und ich, die verstehen, dass sie schon mit – nach außen hin – einfachen Dingen wie Bäume pflanzen einen Beitrag für die Zukunft leisten können. Auf ihrer monatelangen (Bus-)Reise von New York zur RIO+20 UN Conference on Sustainable Development nach Rio de Janeiro suchen Anne und David Beispiele, wie wir unsere Welt zum Positiven verändern können und leisten dabei mit ihrem Projekt Permacyclists selbst einen Beitrag dazu…
Entstanden ist die Idee, sich – als Amateure – mit Videokameras, Linsen und Computern bewaffnet auf die Spur nach Ecowarriors zu machen, mitten auf der Straße in Mosambik. Seit 2009 sind Anne und David 16 Monate durch 12 Länder Afrikas geradelt, haben dabei auf 12.300 km Schönes wie weniger Schönes gesehen und im Januar 2011 beschlossen, beim RIO+20 Summit dabei sein zu wollen. “Unsere geliebten Räder mussten wir dafür gegen öffentliche Busse eintauschen”, erzählt mir Anne von den Anfängen, “weil wir es nicht geschafft hätten, die große Distanz zurück zu legen, daneben Filme zu machen und rechtzeitig in Rio im Juni 2012 anzukommen. Das war die härteste Entscheidung, die wir getroffen haben und noch jetzt vermissen wir unsere Räder schmerzlich.”
“Wir konzentrieren uns auf kleine, lokale Basisorganisationen und günstige, sozial bewußte Projekte, die ohne Unterstützung einer großen NGO oder der Regierung arbeiten”, wissen Anne und der frühere Journalist David genau, was sie interessiert, “Projekte, die in so vielen verschiedenen Bereichen wie möglich an Lösungen für Umweltprobleme arbeiten und die in anderen Teilen der Welt wiederholt werden können.” Genau solche Projekte zu finden, darin besteht ein Teil der Herausforderung, schließlich braucht man dafür die Hilfe von Kennern der Region. Über soziale Netzwerke, aber auch über einzelne Projekte selbst oder Organisationen wie 350.org, ATD Fourth World oder The Earth Charter“ erhalten die Permacyclists Kontakt zu neuen Interviewpartnern. “Außerdem schicken wir viele Emails, bevor wir in ein Land kommen”, so der Arbeitsprozess, den sie – zugegebenermaßen – anfangs auch unterschätzt haben, “aber wir erhalten nur auf einen Teil davon Antworten und davon wiederum können wir nur ein oder zwei Projekte besuchen sowie filmen.” Und Anne fügt hinzu: “Das Härteste aber für uns ist es, in einer anderen Kultur zu arbeiten. Wir lieben Lateinamerika, aber man hat dort eine ganz andere Art zu arbeiten und das verursacht für uns natürlich Stress!”
Aus dem ursprünglichen Plan, eine große Dokumentation über ihre Reise und die verschiedenen Projekte zu machen, sind mittlerweile sieben Kurzfilme über diverse Aktionen geworden, die sie nicht nur auf ihrer Website veröffentlichen, sondern auch in Städten wie Bogotá oder Panama City präsentieren. Material für weitere acht Filme und sechs Artikel liegen bereits in der Schublade, um bearbeitet zu werden. “Unser Plan ist, noch vier oder fünf andere Projekte in Argentinien und Brasilien zu filmen”, verrät Anne ihre Pläne und fügt hinzu, “wir schließen auch nicht aus, nach Rio weitere Projekte in den USA und in Europa aufzunehmen. Unser Ziel ist es, über 15 verschiedene Probleme und Themen wie Wasser, Abholzung, Transport, Energie etc. zu dokumentieren und Lösungen dafür aufzuzeigen.”
Dass diese Lösungen natürlich nicht Allheilmittel oder Patentrezepte sind, das wissen die beiden Vielgereisten nur zu gut, vielmehr geht es ihnen darum Menschen zum Andersdenken zu inspirieren. “Wenn nur 15 Personen einen Umweltinitiative in ihrer eigenen Gemeinde gründen, nachdem sie einen unserer Filme angeschaut haben, haben wir unser Ziel erreicht”, ist für die ehemalige Anwältin Erfolg klar definiert – neben “Weltruhm, eine Million Dollar und dem Friedensnobelpreis”, wie sie scherzhaft hinzufügt, um gleich darauf wieder ernst zu werden: “Alles ist im Internet, aber bevor man sich ein 20-Minuten-Video auf Youtube anschaut, muss man wissen, was man sucht. Unsere Hoffnung ist, dass unsere Website – wenn einmal alle Videos und Texte fertig sind – genau dieses Service bietet.” Übrigens sollen all diese Informationen auch in Zukunft gratis zur Verfügung stehen – etwas, wovon bereits das Transition Movement,TreeHugger.com und The Atlantic Magazine in den USA Gebrauch gemacht haben. ”Wir möchten, dass die ganze Welt von Eufemia, die Chiapas wiederbewaldet (Video #6) oder von Paul, der eine Kooperative in Texas gründet (Video #2), genauso inspiriert werden wie wir”, so Anne, die mit ihrem Mann bereits darüber nachdenkt, ihre Erfahrungen in einem Buch oder einem längeren Film zu verarbeiten.
Bis dahin ist es noch ein langer – oft steiniger – Weg, nicht nur wegen der Herausforderung, als Ehepaar zusammen zu arbeiten oder weil die Reise mit so viel Material anstrengend ist, sondern auch weil es sehr viel Arbeit gerade für Amateure ist, Videos zusammenzustellen. “Wenn wir ganz wenig Reaktion auf unsere Videos oder unsere Artikel bekommen, wundern wir uns oft, warum wir das tun”, gibt Anne zu, lenkt jedoch sofort ein: “Aber dann denken wir an Leute wie Eufemia: Wenn jemand, der so viel Widerstand im Leben erfährt – eine arme Frau aus dem ländlichen Chiapas mit nur wenig Bildung, die Todesdrohungen für ihre Arbeit bekommt, eine Arbeit, für die ihr Bruder ermordet wurde – so viel für den Planeten tun kann, welche Ausrede gibt es dann für uns? Selbst unsere schlimmsten Tage sind nichts im Vergleich dazu, was sie durchgemacht hat – und wenn sie kämpfen kann, können wir es auch!”
Mehr zu Permacyclists und den positiven Projekten findet sich auf ihrer Website, auf Facebook und Twitter
Dieser Beitrag erschien ursprünglich im Blogbereich von Tripwolf.com – Dein Reiseführer. Doris Neubauer ist Mitarbeiterin von Tripwolf und bloggt von Zeit zu Zeit auch für Biorama.eu. Zum Beispiel überquerte sie für Biorama letztes Jahr die Alpen und bloggte täglich.