Auch Parma-Schinken ist ein regionales Produkt
Foto: Handelsgruppe Pfeiffer
Es braucht eine rechtlich bindende Definition, was wo und wie als „regionales Produkt“ verkauft werden darf, meint Otto Bauer, der Manager der Bio-Marke „natürlich für uns“. Denn: Was wir als „regional“ empfinden, unterliegt interessanterweise starken regionalen Unterschieden. Ein Gespräch über Vorarlberger Bergkäse, südamerikanischen Sojaschrot, schlecht bezahlte Erntehelfer und patriotischen Konsum.
Biorama: Die Menschen achten beim Konsum von Lebensmitteln verstärkt auf Regionalität. Anders als bei Bio ist aber nirgendwo genau definiert, was das eigentlich ist, „regional“. Sie haben nun untersucht, was die Österreicher für regional halten und herausgefunden, dass es dabei große regionale Unterschiede gibt.
Österreicher haben je nach Region einen sehr unterschiedlichen Zugang zu Regionalität. Als Beispiel: Für Menschen in Wien ist alles, was aus Österreich stammt, regional; in Oberösterreich werden Produkte aus dem eigenen Viertel oder der näheren Umgebung als regional klassifiziert, in Kärnten hingegen sind Produkte dann regional, wenn sie aus diversen Tälern stammen. Und in Tirol muss ein Produkt aus Tirol sein, damit es dem Anspruch Regionalität gerecht wird.
Wichtig ist in jedem Fall beim Thema Regionalität, dass es sich um ein handwerkliches Produkt handelt. Große Industriebetriebe in der Region werden nur in den seltensten Fällen als regionaler Produzent angesehen. Je kleinräumiger Regionalität definiert ist (Mikroregionalität) und je bodenständiger und eingesessener der Hersteller, desto größer die regionale Bindung seitens der Konsumenten. Weiters werden auch Produkte, die für eine Region stehen und sich hoher Beliebtheit erfreuen – z.B. steirisches Kürbiskernöl, Vorarlberger Bergkäse, Parma Schinken, etc. – von vielen Konsumenten als regionale Produkte angesehen.
Regionalität kann sohin nicht nur an einer Distanz oder Kilometerangaben bzw. der Bundeslandgrenze festgemacht werden. Entscheidend ist, wie Konsumenten vor Ort in der jeweiligen Region tatsächlich empfinden.
Wenn der Begriff so unterschiedlich gedeutet wird, wie geht man denn als Händler seriös damit um, damit sich der eine oder andere Konsument nicht betrogen fühlt?
Besonders wichtig ist die Transparenz. Kunden müssen sowohl zum Produzenten aber auch zur Region ein hohes Maß an Vertrauen haben. Produkte müssen bodenständig und der Produzent in der Region verwurzelt sein. Bei Unimarkt (LINK
www.unimarkt.at) wird diese Regionalität gelebt. Unimarkt-Filialen sind mit der jeweiligen Region verwurzelt und können so Konsumentenwünsche und ein regional angepasstes Sortiment authentisch umsetzen. Unimarkt ist der Experte für Regionalität.
In Vorarlberg wird Sutterlütty-Kunden schon seit Jahren nach dem Einkauf am Kassazettel ausgewiesen, wieviel Prozent ihres Einkaufes sogenannte „Ländle-Produkte“ ausmachen, also die regionale Wertschöpfung. Ließe sich solch ein Konzept auch für eine bundesweit agierende Supermarktkette wie Zielpunkt umlegen?
Hierbei handelt es sich um ein regionales Gütesiegel aus dem Hause Sutterlütty. Welche Parameter sich genau dahinter verbergen und ob dies national ausrollbar ist, kann in dieser Form nicht eindeutig beurteilt werden. Sicher ist jedoch, dass sich Kunden eine seriöse, unabhängig kontrollierte Richtlinie zur Kennzeichnung von regionalen Produkten wünschen.
Bio– bzw.
AMA-Gütesiegel sind in dieser Form sehr gute Vorbilder.
Ihre Bio-Eigenmarke ’natürlich für uns‘ arbeitet mit dem Slogan „Das Glück kommt aus der Region“. Das ist auch nicht gerade konkret. So ließe sich nach Hamburg importierter Parma-Schinken auch bewerben.
Grundsätzlich stimme ich Ihnen zu. Denn was spricht gegen
Parma Schinken, der nach definierten Grundwerten produziert wurde und in Hamburg als regionales Produkt des besagten Gebietes verkauft wird. Wichtig ist doch, dass die handwerkliche Tradition und die Wertschöpfung weitestgehend in der Region erhalten bleiben.
Als Beispiel unsere „natürlich für uns“
Woolets: Hier wird die Schafwolle aus der Region von Bauern in einem gemeinschaftlichen Projekt direkt in der Region verarbeitet und an die
Pfeiffer Handelsgruppe – als oberösterreichisches Familienunternehmen – geliefert. Pfeiffer wiederum verteilt dieses zu 100 Prozent regionale Produkt nahezu in ganz Österreich über die einzelnen Vertriebe. Das Produkt bleibt somit ein regionales Bio-Produkt. Dennoch wird der Regionalbezug der Konsumenten in Österreich durch die persönliche Wahrnehmung unterschiedlich sein.
Bräuchte es eine rechtlich verbindliche Definition, was regional ist?
Ja. Die Glaubwürdigkeit von Bio wurde erst durch klare rechtliche Regeln und unabhängige Kontrollen sichergestellt. Allerdings braucht es abgesehen von einer rechtlich verbindlichen Definition auch eine klare Kommunikation der Richtlinien als Hilfestellung für Konsumenten, damit sie sich bei den unterschiedlichsten Bezeichnungen auch tatsächlich auskennen. Transparenz und Nachvollziehbarkeit stehen hierbei im Fokus.
Wie könnte so eine Definition aussehen? Schließlich sind zumindest alle landwirtschaftlichen Produkte irgendwo auf der Welt regional.
Wie diese im Detail aussehen soll müsste man sich erst anschauen. Wichtig ist, dass eine solche Regelung klar und einfach verständlich sowie gut überprüfbar ist. Einer der relevanten Kriterien wäre sicherlich festzulegen, wieviel des Rohproduktes aus einer definierten Region stammen muss. Auch wie das Produkt verarbeitet werden und wie hoch der Gesamtwertschöpfungsanteil in der Region sein kann. Man muss das Rad ja nicht neu erfinden. In den benachbarten Ländern Deutschland und Schweiz beschäftigt man sich schon sehr eingehend mit dem Thema Regionalität. Hier kann man sich sicher anlehnen und für Österreich adaptieren bzw. verbessern.
Wie kann so eine Definition rechtsverbindlich sein? Der Terminus „regional“ lässt sich wohl schwer schützen.
Ich bin kein Rechtsexperte, aber ich glaube schon, dass es eine Möglichkeit gäbe, die Bezeichnung „regional“ rechtlich abzusichern.
In Österreich wäre dafür vermutlich die AMA Ihr erster Ansprechpartner. Wie geht man denn dort mit der Vagheit von „Regionalität“ um?
Inwieweit die AMA bereits über ein „Regional-Label“ nachdenkt kann ich nicht sagen.
Für Wiener sind Produkte aus Ungarn definitiv regionaler als solche aus der Vorarlberger Bodenseegegend. Denken Sie, dass sich ungarischer Gemüse in Wien als regional vermarkten ließe?
Ich denke, es kann in und aus jedem Land regionale Produkte geben, die auch woanders als regional angesehen werden. Dazu gibt es ja mit den Produkten mit geographischer Ursprungsgarantie schon jetzt genügend positive Beispiele. Ob das auch auf Gemüse aus Ungarn zu trifft, möchte ich nicht beurteilen.
Ist patriotischer Konsum nicht ein Konzept des 20. Jahrhunderts?
Nein, Regionalität oder wie Sie es nennen, patriotischer Konsum, hat auch viel mit Wertewelt, Nachhaltigkeit und Vertrauen zu tun. Dies sind meines Erachtens zeitlose Werte. Regionale Lebensmittel werden vom Konsumenten ja auch als frischer wahrgenommen, da kein Transport über tausende Kilometer notwendig ist. Vor allem im Zeitalter der Globalisierung stärkt die Möglichkeit der Mikroregionalität – etwa die Produzenten auch im Hofladen besuchen zu können – das Vertrauen in die Produkte.
Viele Unternehmen nutzen im Marketing ganz gezielt aus, dass regional eben alles sein kann. Wer hätte denn eher kein Interesse daran, dass eine Definition verbindlich geregelt wird?
Was die anderen Produzenten und Handelsunternehmen dazu denken kann ich nicht beurteilen. Die Pfeiffer Handelsgruppe scheut sich jedenfalls nicht vor vernünftigen Regeln. Im Gegenteil, wir wären gerne bei der Erarbeitung mit dabei. Für die gesamte Branche kann es ja nur von Vorteil sein, wenn sich die Spreu vom Weizen trennt.
Was meinen Sie: Soll Fleisch von einem Rind, das zu Lebzeiten Tirol nie verlassen hat, dessen Kraftfutterzusatz aber zum Teil aus südamerikanischen Soja bestand, als regional verkauft werden dürfen?
Hier müssen wir uns die grundsätzliche Frage stellen, müssen wir einem Rind als Wiederkäuer wirklich Kraftfutter zuführen oder gibt es nicht nachhaltigere Alternativen. Gerade bei regionalen Produkten erwarten sich Konsumenten ja auch eine nachhaltige Produktionsweise, dies sich klar von der Agrarindustrie unterscheiden muss. Der Einsatz von Grund- und Kraftfutter sowie dessen Herkunft muss in meinen Augen klar definiert und an die Erwartungen der Konsumenten angepasst sein.
Otto Bauer und Günter Kaiser bei der Schafschur
Fisch aus Österreich kommt de facto nie ohne Proteinfutter aus, das aus industrieller Meeresfischerei stammt. Ein punkto Regionalität unlösbares Problem?
Zum Thema Fisch kann ich leider nichts sagen, da gibt es sicher Experten auf dem Gebiet.
Betrachten wir die gesamte Wertschöpfungskette: Darf man im eigenen Bezirk gewachsenes Gemüse guten Gewissens als regional kaufen, wenn die Erntehelfer mit größter Wahrscheinlichkeit schlecht bezahlte Saisonarbeiter aus Rumänien oder Weißrussland sind?
Ich denke, dass es nicht wichtig ist, welcher Nationalität der Erntehelfer angehört. Wichtig ist, dass die Menschen, die an der Produktion beteiligt sind, einen fairen Teil des Kuchens – sprich der Wertschöpfung – erhalten. Eine Art „Fair Trade“ in Österreich. Denn natürlich ist auch die soziale Nachhaltigkeit beim Thema Regionalität bedeutend. Gerade bei regionalen Produktion gehen die Konsumenten auch von regionalen Lebensstandards und Arbeitsbedingungen aus.
Vielen Konsumenten geht es bei der Bevorzugung regionaler Lebensmittel um den Faktor Nachhaltigkeit. Ich selbst lebe im Marchfeld. Die Landwirtschaft dort wird von der schlimmsten Agrarindustrie dominiert, das Grundwasser ist schwerst belastet. Für den Großraum Wien ginge Gemüse aus dem Marchfeld aber wohl nach jeder Definition als „regional“ durch. Versagt die Idee der Regionalität nicht genau genommen, wenn es um Nachhaltigkeit geht?
Wie schon erwähnt: Regionalität muss eben mehr als nur Herkunft erfüllen. Die Konsumenten erwarten sich bei regionalen Produkten Werte wie Nachhaltigkeit, Fairness, Qualität, gesicherte Herkunft. Diese Anforderungen müssen genau definiert, kontrolliert und glaubwürdig vermittelt werden. Gerade im Hinblick auf die Erzeugung von regionalen Gütern ist im Kopf der Konsumenten ja die handwerkliche Produktion verankert.
Unimarkt ist es daher auch ein Anliegen, die besonderen und kleinstrukturierten Betriebe einer Region zu fördern. Die ökologische und soziale Erhaltung der Region wird von Konsumenten quasi mitgekauft.
Was heißt regional? Unser Umgang mit Regionalität ist eine Geschichte voller Missverständnisse, gut gemeinter Fehleinschätzungen und gezielter Falschinformation. Wer sich beim Einkauf nicht ausschließlich vom Preis leiten lässt, achtet auf die Herkunft der gekauften Ware. Aber woran erkennt man die – und wie stark wirkt sich die Produktionsmethode, die Region und der Transport etwa auf die Klimabilanz eines Produkts aus?