Ökologisch Segeln mit Gegenwind
SeglerInnen sind bei der Frage nach dem ökologischen Fußabdruck fein raus, meinen manche. Doch die Ökobilanz ist oft bescheiden.
Text: Ulrike Potmesil
Das kann zum einen nur durch Desinteresse vieler Seglerinnen und Segler erklärt werden, die Reinigunsmittel, Duschgel oder Müll hemmungslos ins Wasser leiten, den Motor allzu häufig anwerfen, statt Segel zu setzen und für die Kreislauffähigkeit der gemieteten oder gekauften Boote kein sonderliche Rolle spielt; zum anderen an Wassersportzentren und Schiffsbau, die sich ebenso verhalten. Doch langsam entsteht in der Community Bewusstsein: auf Ankerplätzen, in Onlineforen und Fachmagazinen wird Ökologie zum Thema – Green Sailing nimmt Fahrt auf.
Am Bodensee bereitet man derzeit ein ambitioniertes Projekt vor: Sail Zero. Mit einem alten, refitteten Boot will ein Team 365 Tage 24 Stunden nonstop den See umrunden, angetrieben von Wind, Sonne und Wasser. In diesem Jahr will Sail Zero nicht nur einen technischen und menschlichen Härtetest absolvieren, sondern vor allem Raum für Dialoge zum Thema Nachhaltigkeit schaffen.
Verbrennungsmotoren verboten
Der Bodensee ist Österreichs einziger See, der ganzjährig von Booten mit Verbrennungsmotor befahren werden darf. Am Attersee und am Traunsee sind diese in den Sommermonaten verboten, auf allen anderen Seen dürfen nur Sportboote mit Elektromotoren fahren. In Deutschland gibt es keine einheitliche Regelung, auf manchen Seen sind Verbrennungsmotoren gänzlich verboten, auf anderen teilweise. SeglerInnen müssen im Vorfeld entsprechende Revierinformationen einholen. Im Dezember 2023 wurde eine Machbarkeitsstudie zur zukünftigen Klimaneutralität der Schifffahrt am Bodensee präsentiert. Die Anrainerländer Österreich, Schweiz und Deutschland ziehen an einem Strang, das Aus der Verbrennungsmotoren bis spätestens 2035 ist eines der großen Ziele. Damit sind auch jene Segelboote betroffen, die einen Dieselmotor besitzen. Zwar ist der Anteil der Rückstände, die über Segelbootmotoren in Gewässer gelangen, gering, dennoch nicht zu ignorieren. Laut SEOS, einem Projekt, das sich der Reduktion von weltweiter Gewässerverschmutzung widmet, tragen kleine Wasserfahrzeuge mit 4,2 Prozent zur Ölverschmutzung in Gewässern bei. In dieser Zahl sind allerdings auch Berufsschifffahrt und Rettungsboote enthalten.
40.000 Boote und Schiffe sind am Bodensee zugelassen. Ihre problematische Ökobilanz ergibt sich nicht nur aus Dieselrückständen, die ins Wasser und in die Luft gelangen. Der Großteil der Wasserfahrzeuge besteht aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK), eine Kombination von Glasfasern, die mit Kunstharz gebunden sind, um eine sehr robuste und dennoch leichte Struktur zu bilden. Nicht nur die Herstellung ist problematisch, zunehmend bereitet die Entsorgung der Überreste alter Boote Sorgen. Allein in Deutschland sind 35.000 Segeljollen und 160.000 Segelyachten registriert, viele der ersten GFK-Yachten der 70er-Jahre stehen auf Bootsfriedhöfen – in Deutschland sind es geschätzte 30.000 – und warten auf Entsorgung, die nicht stattfindet. Denn bis dato hat man noch keine praktikable Lösung für GFK-Recycling gefunden. Harze und Glasfasern zu trennen ist zwar möglich, aber unwirtschaftlich. Ein Kilogramm Glasfaser kostet ein Euro, ein Kilo recycelte Glasfaser fünfmal so viel. SeglerInnen und WerftbetreiberInnen sind in den seltensten Fällen bereit, diese Kosten zu übernehmen.
Gerade beim Tagescharter bietet sich eine gute Alternative zum problematischen GFK. Einige Charterbasen bieten Holz-Jollen und Jollenkreuzer. Mit ihnen zu segeln sorgt für geringere Umweltschäden und außerdem für das Gefühl, zu segeln wie früher.
Holz, GFK oder Stahl – was bleibt, ist die Frage nach dem Rumpf-Anstrich. Zum Schutz gegen sich festsetzende Organismen wird sogenanntes Antifouling eingesetzt. Der Markt ändert sich gerade rasant. Eine bekannter Farbenhersteller setzt ausschließlich auf kupferfreie Farben, generell steigt der Marktanteil biozidfreier Antifoulings und zinnorganische Verbindungen sind seit 2008 weltweit verboten. Obendrein sind vielfältige Innovationen in der Testphase auch zur Verwendung in der Sportschifffahrt, sie reichen von Ultraschall über stachelige Klebefolien bis zu Reinigungsrobotern und Silikonbeschichtung.
Schutz der Uferzone
Die Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB) überwacht das Wasser, betreibt Schadensabwehr und empfiehlt Schutzmaßnahmen. Dazu gehört die Minimierung von Umweltproblemen durch die Sportschifffahrt, die Störungen in Flachwasserzonen verursacht und damit Fauna und Flora beeinträchtigt. Die naturnahen Ufer sind die Kinderstube für Jungfische und unverzichtbar für die Selbstreinigung des Sees, daher dürfen sowohl die Uferzone als auch Bereiche mit Schilf- und Seerosen-Bewuchs nicht befahren werden.
Die Einschleppung und Ausbreitung von nicht heimischen Tierarten, sogenannter Neozoen, spielen eine immer größere Rolle für die Gewässer, da sie heimische Arten verdrängen können. Dies kann zum Verlust von Biodiversität führen. Auch Segelboote, deren Revier gewechselt wird, können Neozoen einschleppen, aktuell beschäftigt sich die IGKB mit der Quagga-Muschel. Ein weiteres Monitoring-Projekt sind Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) im See. PFAS sind eine Gruppe von langlebigen, synthetisch hergestellten Industriechemikalien, die etwa auch noch in Gebrauchsgegenständen wie Pfannen und Textilien enthalten sind.
Schließlich beeinträchtigt der Uferbau für den Wassersport ebenfalls Flora und Fauna des Sees. Laut IGKP sind 39 Prozent der Uferbereiche durch Verbauungen so stark beeinträchtigt, dass sie als naturfremd zu werten sind. Die IWGB, die Internationale Wassersportgemeinschaft Bodensee, Interessensvertretung des Wassersports, setzt sich auch für Umweltschutz ein. Im Zuge des Programms »Blauer Anker« erarbeitet man derzeit die umweltgerechte Gestaltung von Hafen- und Steganlagen.