Natur und Kunst vis-á-vis

Bild: Johannes Puch

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Nock/Art – das „wanderbare“ Kunstprojekt in Bad Kleinkirchheim, Kärnten, eröffnet am 20. und 21. September mit Symposium und einem Public Art Walk mit Hamish Fulton. Zu abstrakt? Keineswegs.

Wo heuer dem geduldigen Wanderer noch ungebrochene Naturschönheiten entgegen lächeln, werden bald einige Irritationen in der Landschaft entstehen. Das Land-Art-Projekt Nock/Art könnte das kärntnerische Bad Kleinkirchheim in den nächsten Jahren in ein international bekannte Kunst-Zentrum verwandeln, mit Namen wie Andy Goldsworthy, Hamish Fulton (der u.a. bereits das Gelände erkundete, wie auf den Fotos zu sehen) oder Gottfried Bechtold. Dabei soll die Kunst gleich aufwiegen mit der Natur, sich nicht pompös triumphierend über der Nockberger Naturlandschaften hinweg heben, sondern mit ihnen verschmelzen zu einer ganzheitlichen seelisch-körperlich erholsamen Erfahrung. Sukzessive werden die Künstler hier ihre Spuren nahe der insgesamt 50 Kilometer langen Wanderwege hinterlassen – mit Kunstwerken, die der Vergänglichkeit der Natur trotzen oder sich beugen und wieder vergehen.

Gelände-Begehung und Kamingespräch mit Kurator Edelbert Köb und den Künstlern Daniel Knorr, Michael Strasser, Philipp Furtenbach und Philipp Riccabona Bild: Johannes Puch

Gelände-Begehung und Kamingespräch mit Kurator Edelbert Köb und den Künstlern Daniel Knorr, Michael Strasser, Philipp Furtenbach und Philipp Riccabona
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Laufende Symposien begleiten die Ausstellung und sorgen so für eine hoffentlich langlebige und fruchtbare Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Land-Art und Natur-Kunst. Das erste Symposium findet am Freitag, den 20. September von 16 bis 19 Uhr im Festsaal von Bad Kleinkirchheim unter Leitung des ORF-Kulturchefs Martin Traxl statt. Es beleuchtet im Vorfeld der Eröffnungsveranstaltung am Samstag und mit deren Künstler als Keynote-Speaker die unterschiedlichen psychologischen, physiologischen, kulturellen und künstlerischen Aspekte von Wandern unter dem Thema „Wandern, Bewegung in Raum und Zeit“.

Hamish Fulton: „No Walk, No Art“

Am 21. September geht es buchstäblich „los“ mit einer Wanderung mit und geführt von Hamish Fulton aus Canterbury, England. Fultons Auseinandersetzung mit der Natur ist das Wandern – ob in meditativer, innerlicher Versenkung durch Schottland oder unter Schrittzählung mit der Genauigkeit einer Landvermessung um den Berg Hiei in Japan. Kontemplativ im Museum oder Katalog erscheinen lediglich Dokumentationen dieser „Walks“ in Form von Fotografien oder Aufzeichnungen. Das Künstlerisch-Ästhetische seines Schaffens erscheint also eigentlich ausschließlich in der unmittelbaren Erfahrung der Natur und des eigenen Körpers. In ihrem Nicht-Eingreifen in die Natur und ihrer Trennung von Natur und Kunst stehen Fultons Arbeiten der Tradition der avantgardistischen Land-Art-Bewegung der 60er strikt entgegen und entwickeln sie zugleich radikal weiter.

Land-Art als Avantgarde

Als Gegenbewegung zur künstlich anmutenden Kunst der 60er-Jahre und den Vermarktungsmechanismen der Kunst zog es Land-Art-Künstler hinaus in bevorzugt entlegene, unwirtliche Landschaften, wo kolossale Skulpturen und Umbauten erfolgten. Ihre Arbeiten provozieren gegenseitige Verletzungen zwischen Kunst und Umgebung, zwischen Kultur und Natur; – die Kunst, die unnachgiebig Narben und Furchen in die Erde schlägt und die Natur, die Geschaffenes überwuchert, erodiert, verschlingt. Kunst bedarf keiner Rechtfertigung und genau darin lag auch wiederum die Legitimation der Land-Art im Diskursdenken – ihre Kunst galt auch als Spiegel oder Kommentar des prekären Verhältnisses der urbanen Zivilisation zur Natur.

Bild: Johannes Puch

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Land-Art heute

Per Navi und Satellitenfotografie wird heute jede Koordinate auf dem Erdball sichtbar, aber die Erfahrung dessen, was da stattfindet, bleibt auf der Strecke und so auch wirkliche Auseinandersetzung. Künstler zeitgenössischer Land-Art – heute auch ob der unterschiedlichen Zugänge „Natur-Kunst“ genannt – eröffnen vielfältige Perspektiven, das Verhältnis von Mensch und Natur zu betrachten. In Andy Goldsworthys längst hin berühmten Arbeiten sind Spuren der Avantgarden zu erkennen – in seinen Farbspuren, -linien und -spiralen oder Furchen und Gräben, die er in der Landschaft hinterlässt. In der empathischen Verschmelzen seiner Arbeiten mit der Umgebung und ihrer Natur-romantischen Ästhetik klingt aber auch der dekorative und ökologische Ansatz der „Natur-Kunst“ an.

Künstlerische Positionen 

Das ökologisch-politische Moment überwiegt sicher in den Arbeiten Ingeborg Strobels und in einigen Roman Signers, wo Kunst nicht mehr Naturraum okkupiert, sondern in der Natur oder im Museum für diese arbeitet oder plädiert. Kunst kann gar zur Provokation werden, wie bei Lois Weinbergers Spontanvegetationen im städtisch-öffentlichen Raum. In der Betrachtung der von Daniel Knorr zur Nock/Art geplanten Kammern in Ziegelgesteinsböden verschwimmen schon die Grenzen zwischen Natur und von Menschenhand Erschaffenem. Und für den Schweizer Künstler Not Vital hingegen umspannt Natur vielmehr alle kulturellen Prozesse. Zur Nock/Art wird er Monolithen aus fünf Kontinenten – 1986 als „Interkontinentale Skulptur“ vor dem Austria Center Vienna erbaut – zur Gesamtskulptur zusammenführen.

Bild: Johannes Puch

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Die unterschiedlichen künstlerischen Positionen spiegeln gar sinnbildlich und erfahrbar unser komplexes wie wandelbares Verhältnis zur Natur. Mit dem interdisziplinären Symposium und der wanderbaren Ausstellung Nock/Art könnten wir unserem Traum, ein angemessenes Verhältnis zwischen Mensch und Natur zu finden, etwas näher kommen. Mehr und mehr macht sich die Kunst Gedanken um dieses Verhältnis –  die diesjährige Documenta oder das Paraflows-Festival in Wien machten es zum Leitthema. Nock/Art macht nun die Vollbringung wichtiger Reflexionen über dieses Verhältnis in Kärnten möglich – das sich hier nun doch als Liaison entpuppen könnte.

Zur Nock/Art in Bad Kleinkirchheim wurden u.a. folgende Künstler eingeladen: Gottfried Bechtold, Ingeborg Strobl, Lois Weinberger, AO& und Michael Strasser aus Österreich; Andy Goldsworthy und Hamish Fulton aus Großbritannien, Roman Signer und Not Vital aus der Schweiz sowie Daniel Knorr aus Rumänien.

Symposium zum Thema „Wandern. Bewegung in Raum und Zeit“ am 20. September um 16 bis 19 Uhr im Festsaal Bad Kleinkirchheim in Kärnten 

Public Art Walk mit Hamish Fulton am 21. September um 10 bis 11 Uhr; Treffpunkt: Parkplatz Thermal Römerbad, Dorfstraße 74, 9546 Bad Kleinkirchheim 

Eintritt frei!

Weitere Infos unter www.nockart.at, www.anaberlin.com oder auf Facebook

 

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