Für Österreich etwas bewegen – ein Journalist und ein Künstler gegen Rassismus in Bild und Wort. Teil 2
BIORAMA: Wenn das die gesamte Gesellschaft betrifft, und sehr viele sind davon betroffen, soll dann die Öffentlichkeit die Kosten für eine Änderung des Markenlogos und des -namens übernehmen oder soll sie das Unternehmen selbst tragen?
SI: Als privates Unternehmen muss es dafür selbst aufkommen. Aber wenn es um öffentliche Institutionen geht, dann muss die Öffentlichkeit dafür aufkommen. In manchen Fällen – in den Bereichen Rassismus, Ausgrenzung, Diskriminierung – sind beide finanziell verantwortlich. Die öffentliche Formulierung beeinflusst das Leben von privaten Institutionen und Menschen. Islamophobie ist in Österreich sehr weit verbreitet. Es gibt Menschen, die auf Grund ihrer Religion nicht arbeiten können, weil sie ein Kopftuch tragen. Da ist es die Rolle des Staates aufzuschreien, denn auf Grund unserer Verfassung Artikel 7, ist es nicht akzeptabel. Wir müssen das bekämpfen und davon profitieren auch Private davon.
In München kann man auf Bierfesten einen „Neger“, also ein Weizenbier gemischt mit Cola, bestellen. Wie würdet ihr eine Kampagne gegen diese Bezeichnung entwickeln?
SI: Wir beziehen uns immer auf wissenschaftliche Forschung und fragen die Einheimischen selbst, warum etwas heißt, wie es heißt. Wenn wir die Fakten kennen, entwickeln wir eine Kampagne. In diesem Fall ist es klar, dass das Bundesland Bayern etwas dagegen machen muss. Die Initiative muss aber von der schwarzen Community kommen.
Eine Brauerei in Ried am Innkreis hat vormals ein sogenanntes „Rieder Neger“ produziert und angeboten. Wir haben dagegen protestiert und 2001 wurde es tatsächlich aus dem Produktrepertoire genommen. Heute existiert das Bier unter einem anderen Namen und auch das Logo haben sie geändert.
Gibt es auch internationale Beispiele für Unternehmen, die ihren Markennamen und ihr Logo aus Gründen politischer Correctness geändert haben?
SI: Hauptsächlich wurden Produktnamen geändert, aber nicht die Markennamen. Das größte österreichische Beispiel ist Julius Meinl. Das Unternehmen hat in den USA ein anderes Logo als in Österreich. Als wir das in einer Doku thematisiert haben, bekamen wir als Antwort, dass sei aber Tradition. Wir wissen aber genau, wenn wir am Wiener Graben gehen, sieht das Logo anders aus. Ohne Kritik hätten sie das Logo nicht geändert. Diesbezüglich waren sie schon sehr fortgeschritten und Julius Meinl ist eine international agierende Firma!
In Kommentaren empören sich manche auf m-media.at, dass ihr euren antirassitischen Kampf an einem Logo ansetzt und nicht realpoltische Diskriminierung wie die Asylpolitik in Österreich behandelt.
SI: Über so etwas rede ich nicht einmal! Wir engagieren uns aktiv in diesem Bereich, das haben wir immer gemacht. Wir berichten ständig darüber auf m-media.at. Ich spreche aus der Perspektive eines ehemaligen Asylwerbers, denn ich war selber einer.
Die Kampagne ist eine Fokussierung. Wenn wir es schaffen, in der Öffentlichkeit nicht mehr beleidigt zu werden, haben wir auch etwas für Asylwerber erreicht. Der Kampf gegen Rassismus wird noch einige Zeit andauern, da Österreich noch nicht in seiner eigenen Geschichte sauber gemacht hat. Wenn es um den Ausschluss verschiedener Gruppierungen geht, nur auf Grund ihrer Religionen oder ihrer sexuellen Orientierung, ethnischer Zugehörigkeit, ihres Geschlechts oder ihrer Behinderung, dann werde ich mich da ganz sicher engagieren. Man kann sich die eigene Hautfarbe nicht aussuchen und deshalb ist sie kein Grund für Diskriminierung. Ich höre erst auf, wenn ich unter der Erde bin.
MN: Viele haben auch geschrieben, ob wir nichts anderes zu tun hätten. Natürlich haben wir auch anderes zu tun, was wir auch daneben erledigt haben. Es ist notwendig und wenn es niemand macht, wer soll es sonst machen?
SI: Bevor wir das Logo entworfen haben, haben wir mehrere Diplomarbeiten gelesen. An der Uni Wien gibt es eine 300-seitige Diplomarbeit, die sich nur mit dem Logo der Brauerei beschäftigt. Wahnsinnig!
MN: Das haben keine Afrikaner geschrieben, sondern zwei Österreicherinnen (Anm. die Autorinnen der Diplomarbeit sind Mag. Bettina Fleischanderl und Mag. Manuela Meyer). Die haben uns die ganze Arbeit geschickt. Daran sieht man, dass es auch wirklich ein Thema ist. Es haben sich darüber schon Leute Gedanken gemacht, bevor wir mit unserer Arbeit angefangen haben! So lange aber kein Schwarzer aufsteht und sagt, das sei beleidigend, werden die Dinge nicht ernst genommen und es passiert nichts.
Wie wird es mit der Kampagne weitergehen?
MN: Wir sind unterwegs. Die T-Shirts sind schon auf dem Markt, jetzt kommen die Accessoires.
SI: Wir sind momentan in der zweiten Phase: dem Level der aktiven Thematisierung. Das Logo haben wir in der Öffentlichkeit verbreitet, jetzt geht es um die Festigung dieser Idee innerhalb der breiten Masse. Diese Aufmerksamkeit erreichen wir durch Merchandising oder Vorträgen an Schulen und Universitäten. Die Frage ist auch, wie Rassismus in den Schulbüchern verbreitet wird. Es gibt ein Projekt von zwei Kolleginnen der Uni Wien, die das Image der anderen in Schulbüchern analysieren. Dabei haben sie bemerkt, dass Rassismus gegen Schwarze in den Schulbüchern relativ hoch ist. Das heißt, die Journalisten, die wir heute in den Redaktionen haben, sind mit solchen Schulbüchern sozialisiert worden.
MN: Wir überlegen auch international zu arbeiten.
SI: Von Deutschland kamen einige Anfragen, wie wir es schaffen, unsere Ideen so zu verbreiten, dass es die Medien aufgreifen. Das ist in Deutschland relativ schwierig. Dort hat man vielleicht noch nicht diese bissige Art der Provokation, die man auch in Österreich braucht, um etwas zu erreichen. Die Gruppen dort handeln eher konform. Mit Konformität kannst du aber in Österreich und Deutschland nichts bewegen. Du musst jenseits der Grenzen agieren, um von anderen wahrgenommen zu werden.
Wart ihr mit der Brauerei schon im Gespräch?
MN: Sie haben zu mir gesagt, sie seien offen, um darüber zu diskutieren. Sie haben uns danach aber nicht kontaktiert. Ich sage immer: „Wenn man will, macht man es.“
SI: Ich glaube, wir sind darüber auch nicht so traurig. Wir machen einfach weiter. Wir sind wie eine Lokomotive. Auf Französisch sagt man: „Die Hunde bellen, die Karawane zieht weiter.“
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BIORAMA hat die Mohrenbrauerei um eine Stellungnahme gebeten. Die Sprecherin der Brauerei, Janine Stumpf, weist darauf hin, dass der Name „Mohren“ ohne rassistischen Hintergrund ist, sondern vom dem Gründer Josef Mohr stammt.
Janine Stumpf: Wir sind tatsächlich regelmäßig mit Nachfragen zu unserem Logo konfrontiert, haben aber festgestellt, dass mit einer offenen und ehrlichen Kommunikation hier viel erreicht werden kann. Bedenkt man, dass wir für das wertvollste Gut unseres Unternehmens – die Marke – dieses Sinnbild verwenden, wird man uns nur schwerlich einen böswilligen, rassistischen Hintergrund unterstellen wollen.
Man kann nachlesen, dass das Logo in den letzten 80 Jahren etliche Male modifiziert wurde – warum hat sich Ihr Unternehmen dafür entschieden, das – auch von etlichen NGOs kritisierte – Logo mit dem Profil eines schwulstlippigen, schwarz eingefärbten Mannes beizubehalten?
Vorarlberger sind mit unserem Bier und dem Logo groß geworden und auch viele Besucher aus anderen Teilen der Welt empfinden unsere Präsentation nicht als anstößig. Das bedeutet nicht, dass wir die generellen Gedankengänge bei kritischen Rückfragen nicht nachvollziehen und verstehen können. Aus diesem Grunde haben wir in den vergangenen Jahren auch Anpassungen am Logo vorgenommen und diverse Charakterzüge etwas europäischer gestaltet.
Generell ist das Feedback auf die Mohrenbrauerei und unser Logo am Markt ein sehr positives. Unser „Mohr“ hat Sympathiewerte wie kaum eine andere Vorarlberger Marke, unsere Mitarbeiter nennen sich stolz Möhralar. Von den Initiatoren der „No Mohr“ Kampagne sind wir bisher nicht persönlich kontaktiert worden. Einer Diskussion würden wir uns natürlich stellen. Wir haben und hatten zu keinem Zeitpunkt einen rassistisch orientierten Hintergrund. Das Logo generell zu wechseln ist gegenwärtig für uns kein Diskussionspunkt. Hierbei berufen wir uns auf unsere lange Tradition, den Rückhalt, den wir von den Vorarlbergern erhalten und darauf, dass Mohren – Das Vorarlberger Bier ein Produkt ist, welches Leute gesellig und gut gelaunt vereinen soll.