Neuromarketing: Treffen wir beim Einkaufen freie Entscheidungen?

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Neuromarketing nutzt Ergebnisse der Hirnforschung, um hirngerechte Verkaufsstrategien zu entwickeln, die den Kunden zum Kauf bewegen. Trotzdem, ist man den Tricks der Verkaufsexperten nicht gänzlich ausgeliefert.

Emotion gegen Verstand – Wer trifft hier eigentlich die Entscheidungen?

Man schlendert stundenlang entspannt durch Geschäfte, gönnt sich dieses paar Schuhe und jene Hose, vielleicht ist auch noch ein leckeres Eis drinnen. Ach, kann Einkaufen nicht schön sein? Diese harmonische Darstellung entspricht zwar nicht immer der Realität, doch unser Gehirn nimmt die oft ausgiebige Schnäppchenjagd als reine Form der Belohnung wahr. Dafür verantwortlich ist ein Bereich, der als Zentrum der Emotionen bezeichnet wird, das limbische System. 80% Der Kaufentscheidung werden unbewusst hier gefällt. Hauptantrieb für unsere Käufe sind also Emotionen. Wie sehr wir beim Einkaufen „Gehirnjogging“ betreiben, ist uns oft nicht bewusst. Denn als Stimme der Vernunft sollte das Großhirn, als Teil des limbischen Systems, die Entscheidungen unseres Bereiches für Gefühlswahrnehmung hinterfragen. Je nach Stimmung, und abhängig davon, wie sehr wir von Verkaufsstrategien beeinflusst werden, gelingt dem Großhirn die Kontrolle über Entscheidungen aber mehr oder weniger gut. Man weiß nämlich, dass Hirnregionen die emotionale Belohnung verarbeiten, und solche die bei vernünftigen Entscheidungen aktiv sind, oft in Konkurrenz zu einander stehen.  „Wenn die emotionale Relevanz die Oberhand behält, wird gekauft“, erklärt Neuromarketing-Experte Jürgen Wieser von der Firma Limbio Business, einem Anbieter für die Untersuchung von Werbung mittels Hirnscans.

Die Qual der Wahl – Ein Blick hinter die Fassade

Was will ich eigentlich? Diese Frage stellt man sich häufig im Leben. Wonach wir uns sehnen, hängt bei jedem Menschen von verschiedenen Faktoren ab. Diese zu kennen, hilft Neuromarketing-Strategien wahr zu nehmen. Natürlich spielen kulturelle und gesellschaftlichen Einflüssen eine erhebliche Rolle.  Auch welche Erfahrungen wir gemacht und welche Erziehung wir genossen haben, prägt all unsere Entscheidungen ein Leben lang. Doch vor allem Gefühle sind bei der Entscheidungsfindung relevant.

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Was und wie kaufen Kunden am liebsten?

Hier wird das Neuromarketing aktiv, und schließt aus Untersuchungen des Gehirns auf spezielle Vorlieben der Konsumenten. Dieses Wissen findet dann in Verkaufsstrategien, welche auf das Zielpublikum angepasst sind, seine Anwendung.  Denn wie der Diplompsychologe Dr. Hans-Georg Häusel, in seiner „Limbic Map“ veranschaulicht, gibt es 3 unterschiedliche Emotionssysteme.  Jeder Mensch hat alle 3 in sich vereint, diese sind aber voneinander unabhängig, und nur ein Zentrum ist in seiner Ausprägung dominant. „Hinter diesen Motivsystemen stehen unterschiedliche Erwartungen, sowie unterschiedliche Verhaltensweisen bei Kaufprozessen und Entscheidungen“, meint Jürgen Wieser.

Man kauft also was das jeweilige Emotionssystem möchte, diese unterscheiden sich in:

„Dominanz-System“: man kauft eher Dinge die Dominanz ausstrahlen oder fördern, z.B. teure Autos oder Uhren

„Balance-System“: liebt Sicherheit und Ordnung und wünscht sich z.B. ein Auto mit Airbag oder eine Alarmanlage

„Stimulanz-System“: sehnt sich nach Neuem und aufregenden Erlebnissen und würde z.B. am liebsten das ganze Geld für Theaterbesuche oder Reisen ausgeben.

Der Unterschied macht’s!

Hauptgrund für spontane (Fehl)Investitionen sind also unsere Gefühle – das wissen wir jetzt. Mit dem Wissen über die jeweiligen Emotionssysteme und aufgrund der Analyse des Zielpublikums, werden dann Argumente und Strategien entwickelt, die zum Kauf verführen sollen. Sich Selbst in seinem Kaufverhalten zu analysieren, und zu wissen wie Marketingstrategien entstehen, hilft der Versuchung stand zu halten.Weitere Informationen die wichtig sind, um einen Kunden mit einem Verkaufsgespräch oder einer passenden Präsentation des Produktes zu überzeugen, sind Alter und Geschlecht. Hier unterscheiden sich Frauen von Männern, indem was sie kaufen. Kundinnen kaufen z.B. eher Dinge, die etwas mit Geborgenheit zu tun haben, wie Wellness Produkte oder Kerzen.  Männer greifen aufgrund eines höheren Testosteron Spiegels tendenziell eher zu Statussymbolen wie einer teuren Uhr. Im Durchschnitt schauen Frauen beispielsweise auch zu 10% genauer hin. Der Unterschied macht’s also. „Denn der Kontext, also der Hintergrund und die Umgebungsreize, in die ein zentrales Objekt eingebettet ist, sind bei Frauen viel relevanter als bei Männern“, meint Jürgen Wieser. Auch in der Werbung spielen die Unterschiede der Menschen eine große Rolle. Ist mein Zielpublikum z.B. jünger, fällt es diesem leichter, schnelle Bilder bei Werbungen zu verarbeiten.

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Wissen ist Macht – die Waffe gegen die verführerische Versuchung

„Die große Stärke des Hirnscanners liegt darin, Daten für Entscheidungen zu liefern und zu wissen, welche Kommunikationsmittel im Stande sind, die wichtigen Kaufareale zu aktivieren, und welche nicht,“ meint Jürgen Wieser.

Wenn wir einkaufen, dann tun wir das mit allen Sinnen. Schafft es ein Unternehmen, keinen Sinn zu kurz kommen zu lassen, so steigt die Kaufbereitschaft um das 10-fache, durch sogenannte multisensorische Wirkung. Da sich die Sprache entwicklungsbiologisch erst spät entwickelt hat, macht es für Verkäufer wenig Sinn, eine komplexe Sprache beim Verkaufsgespräch zu verwenden. Um den Kunden zu überzeugen, wird vor allem auf hirngerechte Argumente hingewiesen, das Ansprechen von Emotionen ist dabei ein absolutes „must have“. Neuromarketing zeigt, dass sich Geschichten 20 x besser im Gedächtnis verankern als normale Argumente, und dass eine bildhafte Erzählweise zum Kauf verleitet. „Wir kaufen, wenn wir ein gutes Gefühl haben, dies schaffen Marken durch ihre Werbebotschaften und Erlebniswelten“, meint der Neuromarketingexperte Jürgen Wieser. Achtet man also auf diese Details, und weiß  mit welchen Tricks die Werbebranche arbeitet, ist man auch keine leichte Beute mehr. Denn wer weiß, zu welchen Spontankäufen man neigt, kann dieses Wissen nutzen, und dem nächsten Impulskauf den Rücken kehren.  Auch Tricks wie z.B. nicht hungrig einkaufen gehen, oder eine kleine Tasche für den Einkauf zu verwenden, sind goldwert und helfen weniger zu kaufen.

Das Wunderorgan Gehirn nutzen

Kunden werden in der Werbeforschung wahrscheinlich niemals ganz transparent sein, aber je nach Zielpublikum, ist es möglich Konsumenten von Dingen zu überzeugen, die sie eigentlich nicht wollen. Das wird nur dann zum Problem, wenn man nicht mehr weiß welche Tricks verwendet werden und man sich der Beeinflussung wehrlos hingibt. Solange man aber weiß, welches Emotionssystem bei einem Selbst überwiegt und warum man Produkte kauft, kann man sich vor Fehlkäufen schützen.  Denn auch wenn uns Emotionen teilweise beherrschen, haben wir als rational denkendes Wesen Einfluss auf Entscheidungen. Von diesem sollten wir auch Gebrauch machen.


Sandra Preiss und Jürgen Wieser, beide Eigentümer und Gründer von Limbio Business, gründeten 2009 ein Unternehmen, das für große Marken und Industrieunternehmen TV-und Radiospots, Anzeigen, Bildwirkung und Powerpoint-Folien mittels Hirnscanner (funktionelle Magnetresonanztomographie) untersucht.

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Zum nachdenken über bewussten Konsum.