Nein zu Pelz! – Wann Schimmel nicht gesund ist

Bild: Klaus Pichler / Anzenberger

Bild: Klaus Pichler / Anzenberger

Wenn jemand Pelz tragen sollte, dann die Tiere, denen er gehört. Aber sicher nicht die Lebensmittel, die wir verzehren.

»Man geht davon aus, dass in unserer Umwelt mehr als 100.000 verschiedene Schimmelpilzarten vorkommen«, sagt Reinhard Aigner, Molekularbiologe der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES). Im Zuge der Evolution haben die Menschen eine weitgehende Resistenz gegenüber den Pilzen entwickelt. Dennoch ist unser Zusammenleben mit den Schimmelpilzen nicht völlig konfliktfrei, vor allem dann nicht, wenn sie in den eigenen vier Wänden in direkte Nahrungsmittel-Konkurrenz zu uns treten oder unsere Gesundheit gefährden.

Krank durch Schimmel

Eine hohe Sporenkonzentration in der Luft, zum Beispiel durch pflanzenzersetzende Stämme im Sommer, kann Allergien auslösen, die sich meist wie Heuschnupfen oder Asthma äußern. Diese sind kleiner als ein rotes Blutkörperchen und finden sich zu Tausenden in einem Kubikmeter Luft – ihre Anzahl variiert aber nach Jahreszeiten und ist in Innenräumen deutlich geringer. Schätzungen gehen davon aus, dass rund ein bis fünf Prozent der Bevölkerung unter einer klinisch relevanten Schimmelpilz-Allergie leiden. In sehr seltenen Fällen können Schimmelpilze bei Menschen mit Immunschwäche und entsprechend starker Exposition, zu klinischen Infektionen, sogenannte Mykosen, führen. Die realere und größere Gefahr stellen aber die »chemischen Waffen« der Pilze dar, erklärt Aigner: »Mycotoxine sind thermostabile, niedermolekulare Substanzen, die von Schimmelpilzen als sogenannte Sekundärmetabolite gebildet werden und verschaffen dem Pilz Standortvorteile gegenüber Nahrungskonkurrenten, vor allem Bakterien.« Mycotoxine sind von Pilzen gebildete Giftstoffe, die häufig antibakteriell wirken. Das bekannteste ist wohl Penicillin. Mehrere hundert Mycotoxin bildende Pilze und etwa 350 unterschiedliche Toxine konnten mittlerweile identifiziert und nachträglich als Ursachen für unterschiedlichste Erkrankungen unter Tieren und Menschen ausgemacht werden.

Bild: Klaus Pichler / Anzenberger

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Schimmel in der Nahrungskette

Eine Langzeitexposition mit Mycotoxinen birgt beträchtliche Gesundheitsrisiken wie Leber- und Nierenschädigung und Beeinträchtigung des Immunsystems. Sie gelten weiter als hormonell wirksam, krebserregend und können menschliches Erbgut verändern. In tropischen und subtropischen Regionen stellen Mycotoxine nach wie vor ein bedeutsames Gesundheitsrisiko dar. Dies liegt einerseits an mangelhaften Lebensmittelhygiene-Standards, andererseits an optimalen Wachstumsbedingungen von Schimmelpilzen wie dem Aflatoxin bildenden Aspergillus flavus. »Aus Ländern mit einer erhöhten Aflatoxinbelastung in der Nahrung, wird immer wieder über akute Aflatoxicosen berichtet, die mitunter tödlich enden. In einem der größten bekannten Krankheitsausbrüche einer akuten Aflatoxikose erkrankten 2004 in Kenia mindestens 317 Personen durch Aflatoxin belasteten Mais, wovon 39 Prozent der Fälle tödlich endeten«, erklärt Aigner. Hierzulande ist die Gefährdung vergleichsweise gering. Dafür sorgen hohe Hygienestandards der heimischen Lebensmittelproduktion sowie das nationale Referenzlabor für Mycotoxin-Analytik der AGES in Linz, für das Aigner Importproben diverser Nahrungsmittel untersucht. Erst wenn diese als unbedenklich eingestuft wurden, werden sie vom Zoll freigegeben.

Schimmel am Ende der Nahrungskette

Laut einer UN-Studie landen weltweit ein Drittel aller Lebensmittel im Müll. Ein Teil wird bereits während der Produktion entsorgt oder vom Handel prophylaktisch aus dem Verkauf genommen. Der Rest vergammelt schließlich bei uns zuhause. Schimmel ist damit nicht nur ein Problem der Nahrungsmittelherstellung, sondern letztlich auch ein Symptom ihrer Krisenhaftigkeit. Mit einem vorausschauenden Einkaufsverhalten und der Beachtung einiger simpler Regeln bei der Lagerung lassen sich so letztlich Ressourcen schonen. Die heimische »Pelzzucht« in Kühlschrank, Obstschale oder Brotkasten gerät ohnehin nur in Ausnahmefällen so optisch ansprechend wie auf den Fotografien in Klaus Pichlers Fotoserie »One Third – A Project on Food Waste«.

Information

Kann ich das noch essen?

Theoretisch ja, praktisch aber nein! Bei Weitem nicht jeder Schimmelpilz bildet Mycotoxine. Doch selbst wenn der Schimmel ausgeschnitten oder weggelöffelt wird, können die betroffenen Lebensmittel beeinträchtigt sein. Die Giftstoffe verbleiben nicht notwendigerweise im Pilzkörper, sondern können sich im gesamten Substrat verbreiten. Hinzu kommt, dass große Anteile eines Pilzes oft unsichtbar sind. Einzelne Hyphen, die fadenförmigen Zellen des Pilzes, sind mit freiem Auge nicht zu erkennen, können sich aber durch das gesamte Lebensmittel ziehen. Ohne ein geeignetes Labor ist es nicht möglich, giftstoffbildende Schimmelpilze zu erkennen.

Zusammengefasst heißt es deshalb: Theoretisch ja, praktisch aber nein. Verschimmelte Lebensmittel besser entsorgen, um eine mögliche Beeinträchtigung der Gesundheit auszuschließen. Verkochen ist aufgrund der Resistenz der Gifte ebenfalls keine Alternative. Wegschneiden ist, wenn überhaupt, nur bei Lebensmitteln wie Speck und Hartkäse, an denen der Schimmel nur an der Oberfläche wachsen kann, zu empfehlen. Wer sicher gehen will, schneidet die Rinde in einer stärker von  einem halben Zentimeter weg. Für zuhause empfiehlt es sich Lebensmittel kühl und trocken zu lagern. Plastikfolien gilt es daher zu meiden, da sich durch die mangelhafte Belüftung Kondenswasser bilden kann.

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