Naturschutzgebiet Kopački rit – Der Amazonas Europas
Das Naturschutzgebiet Kopački rit im Dreiländereck zwischen Ungarn, Kroatien und Serbien ist für rund 250.000 Wasservögel wichtigstes Rückzugsgebiet. Doch bis heute ist der letzte wilde Abschnitt der Donau bedroht.
Spiegelglatt liegt die große Wasserfläche vor uns. Nur die Stimmen der Vögel durchbrechen die Stille des Morgens. Bald wird sich die Hitze des Tages schwer und träge auf die üppige Flusslandschaft des Kopački rit legen, doch jetzt in den frühen Morgenstunden kann man hier einige der seltensten Vogelarten Europas beobachten. Große Kolonien von Kormoranen trocknen sich das Gefieder in den alten Eichen am Flussufer und an ihren Wurzeln strecken Sumpfschildkröten die spitzen Nasen den ersten Sonnenstrahlen entgegen. Majestätisch erhebt sich vom Ast einer Trauerweide ein Seeadler und zieht weite Kreise über das Wasser. Den Fischreichtum kann man angesichts dieser Vogelvielfalt nur erahnen.
Wir befinden uns im Herzstück der letzten unberührten Flusslandschaft Europas. Über 800.000 Hektar erstreckt sich das Gebiet von Österreich bis Serbien entlang der Flüsse Drau, Mur und Donau und besteht aus insgesamt 20 lokalen Schutzgebieten. Rund 250.000 Wasservögel sind hier beheimatet, unter ihnen auch die letzten großen Brutkolonien von Seeadlern, Reihern, Schwarzstörchen und Zwergseeschwalben – mit ihren 20 cm Länge die kleinste und seltenste Schwalbenart.
Seit März 2011 ist es dem WWF und seinem deutschen Partner EuroNatur gelungen, den letzten unberührten Lebensraum für 275 Vogelarten mit einem Fünf-Länder-Abkommen unter den Schutz eines Biosphärenparks zu stellen. Damit wurde nicht nur der Grundstein für ein zukünftiges UNESCO-Naturerbe gelegt, sondern auch ein historischer Moment in dem bewegten Grenzgebiet zwischen Ungarn, Kroatien und Serbien begangen. Knapp zwanzig Jahre nach Ende des blutigen Konflikts, der weite Teile des Landes bis heute entvölkerte, unterzeichneten die Kulturminister von Österreich, Slowenien, Ungarn, Kroatien und Serbien ein grenzüberschreitendes Abkommen zum Schutz des „grünen Bandes“ entlang des einstigen Eisernen Vorhangs. Über 45 Jahre hinweg schloss sich der Mensch von diesem Landstrich selbst gewaltsam aus und ein unberührtes Naturparadies für Wasservögel blieb erhalten.
Dennoch ist das Gebiet in Gefahr. Bauvorhaben zur Begradigung des überlebenswichtigen Schwemmgebietes, die teilweise noch aus der Ära Tito herrühren, bedrohen den Lebensraum unzähliger Arten. Doch gerade diese Uferzone, die etwa drei Monate im Jahr unter Wasser steht, bildet den besten und effektivsten Hochwasserschutz für die gesamte Region, betont Arno Mohl, zuständiger Projektleiter des WWF. Die Naturschutzorganisation hat es sich zum erklärten Ziel gesetzt, das einzigartige Inland-Delta unter Schutz zu stellen. Mit Protesten, Transparenten, Infobroschüren und Pressekonferenzen legen die WWF-Mitarbeiter den Finger auf sensible Zonen.
Dabei handelt es sich bei den Flussbegradigungen der kroatischen Regierung meist um eine reine Umschichtung der Gelder, erklärt ein WWF-Mitarbeiter die Hintergründe der Bedrohung für den „Amazonas Europas“. Die Regierung erteilt Projekte an Baufirmen, die nicht selten Sand und Kies von einem Ort zum nächsten transportieren. Immerhin muss auch Kroatien seine Bilanzen für einen bevorstehenden EU-Beitritt zurechtbügeln. Dass dabei hochsensible Ökosysteme unwiederbringlich zerstört werden, gilt als Kollateralschaden. Der Topf mit künftigen EU-Geldern zur Revitalisierung der letzten unberührten Flusslandschaft Europas scheint jetzt aber in Reichweite gerückt und birgt eine große Hoffnung für die Landschaftsschützer – denn im Zuge der Übernahme der EU-Umweltgesetzgebung müssen sich auch die gängigen Praktiken des Flussmanagements ändern.
Übernachten in Karanac nahe dem Biosphärenpark: www.sklepic.hr
Übernachten im Ethno Village: www.ivica-marica.com
Bildcredits: Marin Topic, Mario Romulic/WWF
Text: Margarita Kirchner