Wo Büffel weiden, blüht das Leben

Bald werden die Landschaften Europas wieder von Büffelherden geprägt, hofft der bayerische Biologe und Naturfilmer Jan Haft.

Ein Wasserbüffel.
Auch in Europa gab es vor 10.000 von Jahren heimische Wasserbüffel. Bild: Jan Haft.

BIORAMA: Warum beschäftigen Sie sich mit großen Pflanzenfressern, mit dem Wasserbüffel im Speziellen?

Jan Haft: Auch in Mitteleuropa war die Landschaft über Jahrmillionen von großen Pflanzenfressern wie Wisent, Auerochs, Elch, Elefant und Nashorn geprägt und geformt. Irgendwann wurden sie vom Menschen zwar durch Haustiere ersetzt. Erst vor etwa 200 Jahren begann der Prozess, Rinder, Pferde und Schweine ganzjährig in Ställe zu stellen. Das war bei uns der Beginn des enormen Rückgangs an Biodiversität. Mittlerweile kommen wir drauf, dass Landschaften für sehr viele Arten wieder als Lebensraum attraktiv werden, wenn man die Nutztiere zurück rausbringt. Und da braucht es natürlich auch Tiere, die mit Feuchtgebieten zurechtkommen.

Welche Rolle wird dem Wasserbüffel zukommen, wenn die EU im Zuge des Nature Restoration Laws bis 2030 ein Fünftel aller Land- und Meeresflächen renaturiert?

Wenn das wirklich großflächig passiert, dann müssen wir Auen, Niedermoore und auch die Ränder der Hochmoore beweiden. Dazu eignet sich kein Tier so gut wie der Büffel. In Deutschland ist er ja mittlerweile häufiger anzutreffen als in Rumänien, wo die Landwirtschaft gerade am EU-Rahmen modernisiert wird, was mit einem Verschwinden der Rinder und RinderhirtInnen einhergeht und mit einem dramatischem Verlust an Artenvielfalt. Bei uns sind wir bereits einen Schritt weiter – und versuchen, Ökosysteme wiederherzustellen. Ich hoffe, dass wir künftig vielerorts Wasserbüffelherden sehen werden. Wir hatten übrigens auch zu Urzeiten einen europäischen Wasserbüffel, Bubalus murrensis. Funden gemäß hatte er sein Hauptverbreitungsgebiet in Deutschland und den Niederlanden, kam aber von Iberien bis Russland vor. Wie andere Arten starb er vor etwa 10.000 Jahren aus, als der moderne Mensch sich mit seinen Fernwaffen ausbreitete.

Aus heutiger Sicht: Was kann der Wasserbüffel, was beispielsweise das Schaf nicht kann?

Schafe eignen sich außerhalb von Bergregionen und karstigen Gebieten nicht gut zur Beweidung. Sie sind zwar einfach zu handhaben, verbeißen aber stark und suchen gezielt nach Blüten und nährstoffreichen Trieben. Das führt zu einer Verarmung der Flora. Das Rind umfasst Pflanzen beim Fressen mit seiner Zunge. Es rupft und verschont die untersten 5 bis 6 Zentimeter, also gerade den Bereich, wo viele Insekten leben oder Zikaden ihre Eier ablegen. Rinderweiden sind deshalb sehr viel artenreicher als Schafweiden. Der Wasserbüffel kann alles, was ein Rind kann, kommt aber auch mit Feuchtgebieten zurecht und frisst auch Sumpfpflanzen.

»Auch der Naturschutz hat den Irrglauben, dass von Natur aus überall dichter Wald wäre, lange vertreten.«

– Jan Haft

Wie kam es zum Missverständnis, dass die Mehrheit der Menschen heute glaubt, Wald wäre die natürlichste Wildnis und als solche besonders anstrebenswert?

Als vor 300 Jahren die Preussischen Forstgesetze erlassen wurden, war es Staatsziel, die Produktivität der Wälder zu erhöhen. Die Menschen hatten seit Jahrtausenden Schweine und Rinder im Wald weiden lassen, genau in der Stückzahl, die satt wurde. Durch diese Waldweide wurden die Baumbestände sehr stark ausgelichtet, das ist zwar ökologisch wünschenswert, aber aus forstwirtschaftlicher Sicht schlecht. Die Waldweide ist in Deutschland seitdem verboten. Als dann irgendwann mit Wildnis experimentiert wurde, kam dichter Wald zurück und man dachte, so ist das natürlich. Dabei wurde vergessen, dass es Beweidung auch lange vor dem Menschen durch dutzende große Pflanzenfresser gab. Auch der Naturschutz hat den Irrglauben, dass von Natur aus überall dichter Wald wäre, lange vertreten. Die allermeisten Arten sind aber Arten des Offenlandes. Es wird noch Jahre dauern, bis sich diese Erkenntnis durchgesetzt hat.

Ein Porträtbild von Jan Haft.

Jan Haft ist Biologe und Naturfilmer und offizieller Botschafter der »UN-Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen (2021–2030)«. 

Das Buchcover von »Wildnis. Unser Traum von unberührter Natur«, Penguin, 2023.

»Wildnis. Unser Traum von unberührter Natur«, Penguin, 2023.

In seinem Essay vermittelt Jan Haft wie einstmals große Pflanzenfresser unsere Landschaften prägten und wie wir diese »Neue Wildnis« durch Weide-Management zurückgewinnen können.

Mit dem Wasserbüffel als europäischem Landschaftspfleger hat sich BIORAMA bereits hier befasst.

BIORAMA #86

Dieser Artikel ist im BIORAMA #86 erschienen

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