Natürlich gut essen in Bronze, Silber – und Bio
„Mehr Luftburgen!“, wünscht sich Karin Büchl-Krammerstätter in der Gastronomie. Die Leiterin der Wiener Umweltschutzabteilung (MA 22) über Transparenz auf der Speisekarte, städtische Kantinenkost und uninformierte WirtInnen
Seit kurzem bietet die Stadt Wien Gastronomiebetrieben in drei Kategorien die Zertifizierung »Natürlich gut essen« an. Bronze für Lokale mit mindestens 30% Bio-Anteil im Sortiment, Silber für mindestens 70% und Gold für 100% Bio. Gibt es schon in allen drei Kategorien Betriebe?
Büchl-Krammerstätter: Bronze ja, Silber im Augenblick nicht, Gold gibt es einige. Ursprünglich wollten wir eigentlich nur eine Auszeichnung anbieten, das wäre die Gold-Kategorie gewesen. Aber ganz konkret kam Frau Kolarik von der »Luftburg« im Prater auf uns zu und meinte, dass sie unbedingt mitmachen wolle, ihr aber klar sei, dass sie den 100% Bioanteil sicher nicht auf einmal schaffen würde. Das haben wir dann als wunderbare Möglichkeit erkannt, nicht nur die typischen Biobetriebe zu gewinnen, sondern genau jene Betriebe zu integrieren, die auch viele Menschen besuchen, die nicht vordergründig an ethische oder tierwohlgerechte Ernährung denken, sondern die zum Beispiel einfach nur eine gute Stelze essen wollen.
Deshalb gibt es ein Einstiegslevel, unter dem es nicht geht – also 30% Bio als Mindestkriterium – und die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln und damit auch im Netzwerk aller ausgezeichneten Betriebe zu sein, die Beratung in Anspruch nehmen zu können und voneinander zu lernen. In der Bewusstseinsarbeit sind auch die 30% sehr wichtig, weil eines unserer Kriterien ja auch ist, dass bei allen Zutaten ausgewiesen werden muss, woher sie stammen. Und die Erfahrungen aus der Schweiz, wo es ja eine verpflichtende Herkunftsbezeichnung gibt, zeigen, dass Gäste dadurch sehr wohl aufmerksam werden und auch bei uns fragen werden: »Aha, warum ist das jetzt nicht aus Österreich?«.
Ich muss gestehen, dass ich selbst schon länger nicht mehr in Kolariks Luftburg essen war. Wie wird denn vor Ort kommuniziert, dass die Stelze vom Bio-Schwein stammt?
Büchl-Krammerstätter: Das ist auf der Speisekarte ausgewiesen. Wir machen allen Lokalen konkrete Vorschläge, wie sich ihr Engagement je nach Level gut kommunizieren lässt.
Wir werden immer wieder gefragt, warum wir überhaupt Herkunfts- und Tierwohlkriterien fördern. Unser Ansatz orientiert sich am Zitat »Billig ist nichts. Irgendjemand zahlt den Preis.« Bei Lebensmitteln sind das die Umwelt, die Tiere und der Mensch – einmal der Mensch, der produziert, ein weiteres Mal der Mensch, der nicht gesund isst – und auf der anderen Seite die Tiere, die bei nicht artgerechter Haltung leiden. Wir haben im Zuge unserer Tagung »Gutes Gewissen, guter Geschmack«, die jedes Jahr im November stattfindet, einmal herausgefunden, dass wir selbst nicht wüssten, wo es, wenn wir Lust auf ein Gansl hätten, eine wirklich gute Biogans gibt. Das war für uns der Ansporn, ein eigenes Zeichen zu schaffen. Und dass das Mehr-Level-System funktioniert, zeigt wunderbar, dass Frau Kolarik sich nun vorgenommen hat, nächstes Jahr Silber zu schaffen.
Haben Sie evaluiert, warum Restaurants zögern, sich zertifizieren zu lassen?
Büchl-Krammerstätter: Ich bin nicht sicher, ob sie wirklich zurückschrecken. Ich habe eher den Eindruck, dass es viel Unwissenheit gibt. Deswegen bewegen wir die Gäste zur Nachfrage, dann wird das Angebot nachziehen. Ganz viele Gäste und auch GastronomInnen setzen sich gar nicht damit auseinander, was es aus Umweltsicht bedeutet, billiges Fleisch zu kaufen. Dass da nicht einmal in der EU längst Verbotenes ausgeschlossen wird, weil beispielsweise Ei in Kübeln aus dem Nicht-EU-Ausland verarbeitet wird.
Was konkret bedeutet es für ein Lokal wenn es sich zertifizieren lassen möchte?
Büchl-Krammerstätter: Wir sind in einer Pilotphase und arbeiten mit einer Beraterin, die von uns gefördert Unternehmen begleitet. Anfangs gibt es eine Analyse: Wie weit bist du weg von Bronze? Mit welchen Schritten kommst du näher? Das passiert lange vor der Prüfung, die durch die Austria Bio Garantie erfolgt, die dann ganz offiziell zertifiziert.
Worin unterscheidet sich denn „Natürlich gut essen“ mit der von der Landwirtschaftskammer propagierten »Gut zu wissen«-Herkunftskennzeichnung?
Büchl-Krammerstätter: Gut zu wissen deckt sich gut mit unserer Linie, weil es Gästen klar machen möchte, woher die Produkte stammen. Bei uns gibt es aber zusätzliche Garantien, etwa einen klaren Bio-Mindestanteil. Es gibt ja auch – ähnlich gedacht – das Umweltzeichen. Dabei geht es aber vor allem um Betriebe, die sich insgesamt in ihrem Energiehaushalt oder ihrer Abfallwirtschaft ökologischer verhalten. Wir wollten etwas schaffen, das ganz speziell bei Lebensmitteln ansetzt.
Ich schätze, dass in der Spitzengastronomie wahrscheinlich das Gros der Lokale aus dem Stand das Bronze-Level schaffen würden. Dass in der gehobenen Gastronomie bio aber oft selbstverständlich, aber halt nicht ausgelobt wird. Gibt es auf dieser Ebene Kontakte, das zu ändern?
Büchl-Krammerstätter: Ganz ehrlich: Wir befinden uns nach wie vor in der Pilotphase. Nun denken wir daran, wie wir noch weiter in die Breite kommen. Ganz klar ist: Wir wollen nicht ausschließlich die erwartbaren Betriebe, die ohnehin schon am höchsten Bio-Qualitätslevel agieren, ins Boot holen. Die Spitzengastronomie wollen wir aber sicher auch für uns gewinnen. Oft ist es nicht einfach, weil es etwa angebotsseitig wenig Schweine- oder Putenfleisch in Bio-Qualität gibt. Das heißt, da muss vernünftig der Markt bewegt werden.
Der Zugang zu allen unseren Aktivitäten ist: Wir wollen nicht polarisieren, wir wollen gemeinsam etwas erarbeiten. Wir haben auch wirklich gute Kontakte zu konventionellen Betrieben, auch zu konventionellen Fleischproduzenten, die durchaus ein Interesse z.B. an gentechnikfreien Futtermitteln haben. Wir agieren partnerschaftlich und fragen auch, was braucht ihr an Nachfragesicherheit – seitens der öffentlichen Beschaffung, Stichwort ÖkoKauf, aber auch seitens der privaten Nachfrage, damit ihr euren Bauern sagen könnt, dass es da auch wirklich einen Absatzmarkt gibt. So bewegt sich etwas, das motiviert alle Beteiligten.
Und mein persönlicher Zugang zu dem Thema ist: Ich selbst esse gar kein Fleisch. Aber wenn Fleisch konsumiert wird, dann unter Herstellungsbedingungen, bei denen die Umwelt und die Tiere nicht leiden. Und dass möglichst nichts weggeworfen wird.« – Karin Büchl-Krammerstätter, Leiterin der MA22
Die Kontrollen für die Auszeichnung „natürlich gut essen“ wird in einem Aufwasch mit der Kontrolle durch die Austria Bio Garantie im Rahmen der Biozertifizierung erledigt. Achtet die Austria Bio Garantie auf Standards, die über das EU-Biosiegel hinausgehen?
Büchl-Krammerstätter: Im jetzigen Schritt nicht. Aber ich schließe nicht aus, dass wir uns da weiterentwickeln. Es bringt aber auch nichts, Standards einzufordern, die man dann nicht kontrollieren kann. Wie gesagt: Noch ist das alles ein Lernprozess.
Bis Jahresende 2018 sollen 10 Betriebe ausgezeichnet sein. Was ist denn das Ziel für Ende 2019?
Büchl-Krammerstätter: Also da hätte ich schon gerne eine exponentielle Steigerung! Aber Anfangs wollen wir bewusst nicht auf Menge setzen, sondern erst einmal sehen, was wie in der Praxis funktioniert und wo Schwierigkeiten auftreten. Aktuell suchen wir auch BeraterInnen. Wir setzen viel Know-how und auch Gastronomieerfahrung voraus.
Gibt es schon Heurige als »Natürlich gut essen«-Betriebe?
Büchl-Krammerstätter: Noch nicht. Aber das wäre eines unserer nächsten Ziele. Ich sage klar: Mehr Luftburgen! Und wir arbeiten gerade daran, uns nahestehende Organisationen, in ihren Kantinen unsere Kriterien einzuführen – etwa auf den Universitäten. Die Schwierigkeiten liegen darin, dass viele Kantinenverträge mehrjährig laufen. Das ist ein Schwerpunkt 2019, darauf hinzuweisen, dass bei der nächsten Ausschreibung die Standards gehoben werden. 30 Prozent als Hürde ist ja bei Schulbüffets etc. leicht zu machen.
Wäre die Auszeichnung »Natürlich gut essen« auch offen für Betriebe in anderen Bundesländern?
Büchl-Krammerstätter: Fördern können wir im ÖkoBusinnes-Rahmen als Stadt Wien nur die Beratung von Wiener Betrieben. Aber wir würden uns wirklich sehr freuen, wenn andere Bundesländer sagen, dass die von uns definierten Standards auch für sie sinnvoll erscheinen – dann können sie das gerne übernehmen!