„Mutter Erde braucht dich“ – das Interview zur Kampagne
„Mutter Erde Braucht dich“ appelliert eine gemeinsame Initiative von ORF und einigen Umwelt-NGOs. Ziel des Ganzen ist es einerseits Bewusstsein für Ökologie zu schaffen und andererseits ganz konkret Geld für Umwelt- und Naturschutzprojekte zu sammeln. Wir haben Initiatorin Hildegard Aichenberger befragt.
Hat Ihre Kampagne nicht eigentlich den komplett falschen Namen? Genau genommen muss es ja ”Mutter Erde braucht dich nicht“ heißen …
Wir haben uns bewusst für eine positive und hoffnungsvolle Kampagnenbotschaft entschieden. Gerade im Umweltschutz, wo es um komplexe Sachverhalte geht, wo jeder von uns durch das eigene Konsumverhalten Teil des Problems ist, wollten wir vermeiden, Menschen mit Vorwürfen zu verschrecken. Ziel ist, dass Menschen zuhören, sich informieren, sich selbst eine Meinung bilden und schließlich aktiv werden.
Wer hatte denn die Idee für den Kampagnenclaim? Uns scheint „Mutter Erde braucht dich“ eher kontraproduktiv, weil es die Klischees der bemühten 80er Ökos reanimiert, die in Birkenstocksandalen Bäume umarmen.
Die Kampagne und ihr Claim stammen von Jung von Matt. Ähnlich wie beim Muttertag, an dem den Müttern Dankbarkeit gezollt wird, soll die Kampagne dazu animieren Dankbarkeit gegenüber der Erde und was sie uns täglich schenkt zu zeigen. Es geht dabei um Respekt vor dem, was wir bewahren wollen. Denn man kann nur schützen was man kennt und liebt. Das mag retro-romantisch klingen, entspricht aber unserer Überzeugung.
Letztlich ist „Mutter Erde braucht dich“ eine Art Meta-Kampagne, in der der ORF gemeinsam mit einigen Naturschutz-NGOs einerseits Bewusstsein für Nachhaltigkeit und ökologisches Leben schaffen und andererseits Gelder für Umwelt- und Naturschutzprojekte sammeln möchte. Geld sammeln die einzelnen NGOs ja permanent. Sie rechnen also offensichtlich damit, dass die geballte Medienpräsenz des ORF die Spendenbereitschaft der Menschen erhöht. In welchen Größenordnungen denken Sie da?
Die Initiative hat zwei Ziele: Bewusstseinsbildung und Spendensammeln. Im ersten Jahr liegt unsere Priorität deutlich bei der Bewusstseinsbildung. Wir glauben, dass wir durch den Schulterschluss aus führenden Umweltorganisationen und dem ORF den Umweltthemen in Österreich mehr Raum und somit Gehör verschaffen können. Das ist eine wichtige Grundlage für alle Umweltanliegen dieses Landes. Und damit schaffen wir auch die Basis, dass mehr Spendenbereitschaft für Naturschutz möglich sein wird. Derzeit gehen nur rund 3% des Spendenaufkommens an Umweltprojekte und wir glauben, dass wir diesen Anteil mittelfristig erhöhen können. Ein Spendenziel gibt es bewusst nicht, weil es keinerlei Erfahrungswerte mit einer vergleichbaren Initiative gibt.
Inwiefern glauben Sie, dass ”Mutter Erde braucht dich“ diese 3 Prozent des Spendenvolumens erhöhen könnte?
Die Kampagne ist extrem breit aufgestellt. Mit dem ORF als Mitträger der Kampagne, sowie der Kronen Zeitung als Medienpartner erreichen wir sehr, sehr viele Menschen. Mutter Erde ist eine aktive Kampagne, das heisst, die Kampagne zielt darauf, Menschen zu involvieren und zu aktivieren. All das soll mehr Bewusstsein schaffen, mittelfristig ein Umdenken herbeiführen. Und das ist die Basis für mehr Spendenbereitschaft.
Jeweils um den internationalen Umwelttag, den 5. Juni, plant der ORF ab heuer eine Themenschwerpunktwoche rund um Naturschutz und Nachhaltigkeit. Vergleichbares gab es im ORF bereits vor ein paar Jahren – etwa zu Migration. Werden sich wieder alle ORF-Kanäle wie Fernsehen, die Radios und ORF Online beteiligen?
Genau. Die Woche findet von 31. Mai bis 6. Juni statt, mit ihrem Höhepunkt einer Fernsehshow am 6. Juni um 20.15 Uhr in ORF1. Der Schwerpunkt findet sich in den nationalen ORF-Fernsehprogrammen wie auch in den Landesstudios, die regionale Aspekte beleuchten. Dabei sind auch die Radios, Ö3, FM4, Ö1 und die jeweiligen Landessender, die sich entsprechend ihrer jeweiligen Ausrichtung auf verschiedene Aspekte konzentrieren werden. Und natürlich ORF Online, ORF Teletext und ORFnachlese.
Was genau kann man in dieser Woche erwarten?
Inhaltlich wird es um das Thema Wasser in all seinen Ausprägungen gehen, um Aspekte wie Wassermangel, Wasserverschmutzung, Hochwasser, Wasserlebensräume, und vieles mehr. Der ORF wird sehr umfassend informieren und das Thema Wasser wird sich wie ein roter Faden durch die Woche ziehen. Geplant sind Dokumentationen, Servicesendungen mit konkreten Tipps und Informationen, Interviews mit Experten und Expertinnen und Beiträge über Projekte. Sogar im Unterhaltungsprogramm findet das Thema Wasser Eingang. In Summe eine sehr runde, informative und interessante Themenwoche. Es war sehr beeindruckend, wie intensiv und mit welcher Kompetenz sich die Redaktionen mit dem Thema auseinandergesetzt haben.
Ist „Mutter Erde braucht dich“ die vorbereitende Kampagne oder Teil des ORF-Schwerpunkts oder davon unabhängig?
„Mutter Erde braucht dich“ ist die Kampagne des Trägervereins, dem NGOs und ORF angehören. Der Verein schlägt das Thema für die Schwerpunktwoche vor und unterstützt mit seiner Expertise. Die eigentliche Schwerpunktwoche gestalten aber die jeweiligen Redaktionen im ORF, die in ihrer Arbeit unabhängig sind.
Dieses Jahr lautet das Motto der Woche „Wasser“. Das von der UNESCO ausgerufene „Jahr des Wassers“ war bereits 2013. Wie kam es denn zum heurigen Thema?
Im ersten Jahr wollten wir ein Thema wählen, zu dem die Menschen relativ leicht einen Zugang finden. Wasser ist ein besonders wichtiges Thema, über das viele Aspekte des Umweltschutz transportiert werden können. Es ist auch ein besonders emotionales Thema – immerhin ist Wasser ja die Grundlage jedes Lebens. Wasser symbolisiert die Mächtigkeit der Naturgewalten, denkt man nur an die zahlreichen Hochwasserkatastrophen der letzten Jahre. In den kommenden Jahren werden es andere Themen sein, etwa das Klima oder der Wald.
Ist es seitens des ORF fix, dass es ”Mutter Erde braucht dich“ auch 2015 geben wird?
Ja, „Mutter Erde braucht dich“ wird künftig jährlich stattfinden und einen fixen Platz im ORF-Jahreskalender einnehmen.
Bleiben wir im Jahr 2014: „Mutter Erde braucht dich“ sucht auch konkrete Umweltprojekte zum Thema Artenvielfalt und Klimaschutz. Ab 16. Mai können eigens überlegte Projekte und Ideen auf der Website eingereicht werden. Im Zuge der Kampagne werden dann konkrete Projekte ausgewählt und unterstützt. Geht es da nur um neue Projekte oder kann man auch Laufendes einreichen?
Sowohl, als auch. Ab 16. Mai 2014 können auf www.muttererde.at Projekte eingereicht werden. Der Expertenbeirat wird dabei Projekte auswählen, von denen er sich den grössten positiven Einfluss auf die Umwelt erwartet. Besonders wichtig ist dabei auch das mobilisierende Element, also inwieweit das Projekt eine Vorbildswirkung für andere haben kann.
Werden auch Forschungsprojekte akzeptiert?
Reine Forschungsprojekte sind nicht vorgesehen, die Projekte sollen einen direkten Nutzen für Natur und Umwelt haben.
Teil der Kampagne sind auch partizipative Elemente – etwa ein Aufruf, sich beim Aufsagen eines Gedichts für Mutter Erde auf Video zu filmen, das der ORF dann womöglich ausstrahlt. Das klingt schon ein wenig gar bemüht und potenziell peinlich…
Das muss es nicht werden. Poesie ist ja etwas Magisches. Und wir glauben natürlich fest an das Talent der Österreicher. Ein diesbezüglicher Aufruf bringt die Leute schneller zum Nachdenken. Wenn sich jemand nach dem Spot überlegt, worauf sich Wasser reimen könnte, ist schon etwas passiert in seinem Kopf. Der Denkprozess ist gestartet. Wir haben schon den einen oder anderen Kritiker der Idee beim Dichten erwischt…
Beim Kick-off der Kampagne wurde die Einzigartigkeit des Projekts betont. Gibt es internationale Vorbilder für „Mutter Erde braucht dich“?
In dieser Form und Breite gibt es tatsächlich nichts Vergleichbares. Dieser Zusammenschluss eines öffentlich-rechtlichen Senders und den führenden Umwelt- und Naturschutz-NGOs eines Landes ist weltweit einzigartig. Wir möchten diesbezüglich auch gerne die Vorreiterrolle übernehmen und andere Länder dazu animieren, eine ähnliche Kampagne zu starten.
Der ORF arbeitet bei großen Kampagnen gerne mit bekannten Persönlichkeiten. Wird auch ”Mutter Erde braucht dich“ auf Promi-Testimonials setzen?
In der Kampagne selbst arbeiten wir bewusst mit Mutter Erde in der Hauptrolle und mit „normalen“ Menschen als Werbeträger. Prominente werden punktuell eingebunden, etwa in der Fernsehshow.
Welche NGOs sind denn alle eingebunden?
Mit dabei sind der Alpenverein, Birdlife, GLOBAL 2000, Greenpeace, Naturfreunde, Naturschutzbund, VCÖ und WWF. Auf www.muttererde.at werden die einzelnen NGOs und ihre laufenden Initiativen vorgestellt.
Für kleinere Umweltschutz-NGOs wird es dadurch in Zukunft womöglich noch schwieriger Gelder aufzustellen. Gibt es NGOs, die dabei sein wollten, aber abgelehnt wurden – etwa weil sie zu radikal sind?
In der Vereinsstruktur sind die acht führenden, österreichweit tätigen Organisationen vertreten. Damit ist die Umweltszene gut abgedeckt und trotzdem sind die Gremien nicht übertrieben groß. Ablehnungen wegen zu „radikaler Ideen“ gab es keine, in einem Fall wurde ein Antrag auf Aufnahme als Partner abgelehnt, weil es sich bei dem Antragssteller im Kern um keine Umweltorganisation handelte.
Die Spenden gehen an Umwelt- und Naturschutzprojekt. Welche Projekte sind das? Nach welchen Kriterien wurden oder werden die ausgewählt?
Auf www.muttererde.at sind beispielhafte Projekte dargestellt, wie sie durch Mutter Erde gefördert werden sollen. Das geht von der Trinkwasseraufbereitung für Kinder in Tschernobyl bis zum Hochwasserschutz in Österreich. Es können nationale und internationale Projekte sein. Ab 16. Mai stehen die Einreichunterlagen, sowie ein Quickcheck auf der Website zum Download bereit. Mit dem Quickcheck kann man sofort prüfen, ob das eigene Projekt für eine Förderung in Frage kommt oder nicht.
Können sich Initiativen um Geld bewerben? Wenn ja: Wo und wie?
Ja, durch die Spendengelder wird eine Bezuschussung der eingereichten Projekte möglich. Eingereicht werden kann unter www.muttererde.at/projekte, wie gesagt ab dem 16. Mai. Einreichsschluss ist der 31. Juli.
Zur Transparenz: Wie können sich die Spender sicher sein, dass ihr Geld an den richtigen Stellen ankommt?
Spenden an den Verein sind von der Steuer absetzbar und der Verein hat das Spendengütesiegel. Die Auswahl der Projekte sowie das laufende Monitoring erfolgt durch einen Expertenbeirat, wobei die Kriterien öffentlich zugänglich sind. Der Verein wird einen jährlichen Rechenschaftsbericht publizieren in dem die Mittelverwendung transparent dargestellt sein wird.
Es ist nicht unüblich, dass Konzerne Spendensummen verdoppeln oder öffentlichkeitswirksam aufrunden. Wird es so etwas geben? Wie wird Greenwashing ausgeschlossen?
Für die Annahme von Geldern aus Unternehmen gilt eine strenge selbstauferlegte Richtlinie. Annahme von Geldern aus besonders umweltproblematischen Bereichen wie Atomenergie, Ölindustrie, oder ähnlichem ist dabei ausgeschlossen. Wir sprechen als Unterstützer gezielt Unternehmen an, die sich sichtbar im Bereich Umweltschutz engagieren. Derzeit sind Billa und die Wiener Städtische Versicherung Unterstützer von Mutter Erde.
Spenden via www.muttererde.at oder via Telefon: 0800 400 002 (kostenfrei aus allen Netzen)
via Überweisung an Umweltinitiative Wir für die Welt, Erste Bank
IBAN AT44 2011 1800 8008 8000, BIC GIBAATWWXXX
Zur Person Hildegard Aichberger:
Die gebürtige Linzerin Hildegard Aichberger studierte an der BOKU Wien Kulturtechnik und Wasserwirtschaft, graduierte an der Universität Dundee/Schottland zum Master of Business Administration. Seit 15 Jahren ist sie tätig im Bereich Altlastsanierung und Umweltmanagament. Unter anderem war sie sieben Jahr lang Geschäftsführerin des WWF Österreich, wo sie eine Reihe von erfolgreichen Kampagnen konzipierte. Aichberger war massgeblich an der Konzeption der Initiative „Mutter Erde braucht Dich“ beteiligt und leitete diese als Gesamtverantwortliche zuerst im Auftrag der Umweltorganisationen und seit der Gründung des Trägervereins im Herbst 2013 im Auftrag von ORF und der Umweltorganisationen.