Musik machen, Welt verändern – Bio Black Metal von Wolves in the Throne Room

Black Metal und Nachhaltigkeit –  geht das zusammen? Wolves In The Throne Room sagen ja.

Im Umfeld von Kunst und Kultur wurden in der Geschichte der Menschheit laufend Versuche unternommen über die Kunst hinauszugehen, aus der Kunst in Leben zu kommen oder gar beide zu verbinden. Das mag daran liegen, dass hier jene Freiheit daheim ist, die künstlerische Überspitzungen möglich macht. Diese müssen dann eigentlich noch nicht einmal den Anspruch auf praktische Umsetzbarkeit haben, sondern öffnen das Denken und können jene unmittelbare Unterfütterung liefern, damit die kleinen und großen Veränderungen im täglichen Handeln Bilder und Töne zum Atmen haben. Eines der bekanntesten Beispiele in jüngeren Vergangenheit: die Hippies. Diese suchten – ganz grob gesprochen – Antworten und Alternativen zu der gesellschaftlichen Verknöcherung der Nachkriegsjahre, sexuelle und substanzielle Liberalisierungen. Auf eine Art war aber auch Rock’n’Roll überhaupt eine Antwort auf die Entbehrungen und Zumutungen des politischen Versagens vor und während des Zweiten Weltkriegs. Mit einem Musikmix, der die damalige gesellschaftliche Segregation zwischen Schwarz und Weiß gezielt ignorierte, wurde auch der neu entstandene Wohlstand auch in den US-Jugendzimmern gefeiert. Von einem Thema wie Nachhaltigkeit war in diesem historischen Rahmen noch gar keine Rede – oder wenn, dann insofern als dass Produkte gleich mehr als sieben Saisonen halten mussten, weil zu mehr das Geld nicht reichte.

Einmal politisches Liedgut, bitte

In der Popmusik gab und gibt es laufend widerständige Bewegungen: Kollektives Musikmachen, Improvisation, Jams können Formen der Performance sein, sich nicht mit den tradierten Formen von Guckkasten-Kunstvermittlung und individualisiertem Rock-Superstardom zufrieden zu geben. Auch Hardcore mit einer Art offenem Straight Edge Kodex, Riot Grrrls (die mit eindimensionalen Geschlechterrollen brachen) und Punk – sie alle haben starke gesellschaftliche Implikationen und geben sich aber auch nicht mit wohligem Eskapismus zufrieden, sondern zielen auf Veränderung. Zuerst im Kleinen, als kleiner Akt der Revolte, dann von ein paar Gleichgesinnten und später kommen dann alle anderen nach und kümmern sich um die inneren Widersprüche.

Sogar Techno hatte in seiner Hochphase mit der Love Parade ein zwar recht diffuse, aber doch politische Botschaft in großen Lettern eintätowiert: Love and Peace nämlich – was noch dazu keinen allzu offensichtlichen Widerspruch mit der hedonistischen Feierei bildete, sofern der Schmutz nach der großen Sause weggemacht wurde. Wie ambivalent diese Form von Veränderung allerdings auf einem marktwirtschaftlichen Fundament auch sein kann, hatten etwa die Marxisten von Gang Of Four mit ihrem Album „Entertainment“ in schroffe Anti-Hymnen gegossen und auf Jahrzehnte hinaus gültig festgehalten. Quer durch die Musikgeschichte lassen sich solche soziopolitischen Bezüge von Popmusik herstellen. Die Literatur dazu ist üppig, besonders hervorzuheben wäre für Interessierte etwa der Aufsatz „Was ist ein Protestsong“ von Günter Jacob.

Heulende Wölfe

Nun Wolves In The Throne Room, also. Black Metal hatte man bei der Liste von politischer Popmusik nicht unbedingt auf der Liste. Wenn schon Menschen, dann stand für viele dieser Bands vor allem Massenmord, Abtreibung, Christenverfolgung und Holocaust auf dem Stundenplan. Statt nachhaltigen Lösungen für die Zukunft studierten Black Metal Bands eher Zerstörung, Tod und Elend. Wohlstandsverwahrlosung und emotionale Mangelerscheinung könnte man unterstellen, vielleicht aber auch nur zuerst einmal die Ablehnung der herrschenden Gesellschaftsordnung. Und genau diese breite Basis vereint ja wiederum fast alle der zuerst einmal neuen Subkulturen: nicht mit dem Status Quo einverstanden sein. Dieser Affekt, dieser Impuls ist es auch, der ein Medium wie Biorama antreibt: die Ablehnung und die Empörung über Ressourcenverschwendung, über die laufende Vergiftung von Böden, Luft und Meeren, über den Raubbau am Menschen und kurzsichtige Profitmaximierung. Womit wir wieder bei Wolves In The Throne Room wären.

Für die Band, die scheinbar disparate Genres zusammenbringt, wie das sonst nur christlicher Rock, feministischer Dancehall oder Radiohead schaffen, wurden schon einige wunderliche Bezeichnungen erfunden: Bio Black Metal, Gutmenschen-Drone, Farmcore oder Pantheismus-Anti-Pop (ein Teil davon wurde soeben erfunden). Die Band schert sich nämlich wenig um den metallischen Regelkanon. Sie verzichtet auf Nietenbänder, satanistische Symbole, Bemalungen und anderes Teufelszeug. Stattdessen leben sie wie Thoreau und Cluster im Wald, wie Otto Mühl und Amon Düül in einer eigenen Kommune und spüren auf schwer verzerrte Weise den Schwingungen der Natur nach. In drei Jahren werden sich Wolves In The Throne Room dann in einem Interview darüber beschweren, dass sie häufig auf genau diesen Aspekt reduziert wurden und irgendwelche Mainstream-Medien nur auf den Zug aufsprangen, dass ihnen das Anfeindungen in der Szene einbrachte, während sie selbst von den angenehmeren Versuchungen von Ruhm und immer größeren, ausverkauften Konzerthallen in innere Widersprüche gedrängt wurden.

Am 16. November spielt Wolves In The Throne Room in der Szene Wien und man wird dabei gewesen sein wollen, weil die Band ja damals am Höhepunkt angelangt war.

P.S.: Ahja, irgendwie in dieser Linie sollte auch die Band Chryst erwähnt werden. Über Wolves In The Throne Room schreibt Pitchfork – das laut Alexa Ranking größte Musikmedium des Netzes – in den höchsten Tönen und lanciert mit der gewohnt scharfen Distinktionsheugabel einen mittelschweren Hype. Über Chryst hat The Gap bisher aus etwas allzu naheliegenden Gründen berichtet.

TEXT Stefan Niederwieser

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