Von Äpfeln und Birnen: Most und Cider verkostet
Most hat in Österreich eine lange Tradition. Ganz makellos ist seine Geschichte allerdings nicht. Lange Zeit aufgrund oft überschaubarer Geschmackserlebnisse ignoriert, hat sich die Qualität der Moste aber im Lauf der letzten Jahre erfreulich gebessert und überzeugt immer mehr Obstweinbegeisterte. Ein Nachbericht auf das Tasting_Forum 76 von Elisabeth Klingbacher und Jürgen Schmücking
Das gilt auch für den Cider. Geschmacklich und sprudeltechnisch unterschiedlich, ist den Cidern und Mosten die mittlerweile unglaubliche Vielfalt in Bioqualität gemeinsam. Grund genug, unterschiedlichste Apfel- und Birnenschaumweine beim Tasting Forum 76 unter dem Motto „Da kommt der Bio-Cider“ vor den Vorhang zu holen. Die Mostothek, Sitz der Obstweinaficionados des GeSOKS Mostvereins im Wiener Volkskundemuseum, bot dafür den idealen Verkostungsort.
Der überraschende Wintereinbruch am Verkostungsabend zwang die 70 Ciderbegeisterten vom eigentlich vorgesehenen Innenhof allerdings kurzfristig ins gut geheizte Gewölbe. Die roten Wangen der Verkosterinnen und Verkoster waren daher nicht nur dem Cider, sondern wohl auch den langen Unterhosen und Fellstiefeln geschuldet.
Zuerst ging es darum, zu kosten und erforschen, was wie schmeckt, was wie perlt, was wie produziert wird, was besondere Trinkfreude bereitet und was das Außergewöhnliche der Bio-Ciders ausmacht. Neben ausgesuchten Perlen aus Österreich wurden unter anderem auch Kostproben aus Frankreich, Irland und Estland kredenzt.
Manche der Ciders waren dabei durchaus herausfordernd, die Assoziationen reichten von Schafstall, Kuhmist, nasse Pferdedecke, Kellerstiege bis hin zu Beuschel, Gummibären oder Waldhonig.
Aufgrund der verkosteten Vielfalt kann hier nur auf einige wenige der Perlen, die in den Gläsern der Verkostenden landeten, näher eingegangen werden:
Cider Päron, IKEA
Ok, das musste sein. Eigentlich nicht. Sowas müsste nicht sein. Wir konnten aber nicht anders. Also griffen wir zu. Bei IKEA. Schräg gegenüber der Fundgrube, wo die Billy-Bretter liegen, und so ein Billy-Regal ist eine äußerst treffende Metapher für diesen – äh – Cider. Er schmeckt wie eine Mischung aus Energydrink mit Fruchtaroma und Birnensaft auf Acid. Picksüß, ohne jegliche Finesse. Keine Offenbarung.
Medieval honeyed Cider, Highbank Orchards
Es gibt Drinks und Dinge zum Essen, die polarisieren so scharf wie Ockhams Rasiermesser. Das da ist so ein Drink. Einerseits sind da süßlich-fruchtige Noten von Birne, Honig und Karamell, andererseits holt ihn das Brett (kurz für Brettanomyces), ein Hefepilz, der sich in alten Fässern versteckt und dafür sorgt, dass der Most, der Wein oder was auch immer darin schlummert, am Ende nach Ziegenstall oder Pferdeschweiß riecht. Oder nach beidem.
Organic Devon Cider, Luscombe
Ein Klassiker. Genauer ein klassischer, eleganter englischer Lord. Alter Landadel. Klare Apfelfrucht, trocken wie der britische Humor selbst, rau, wie der kalte Wind, der über die Klippen von Cornwall weht. Reichlich Gerbstoff sorgt dafür, dass der Devon Cider nicht zu gefällig wird. Nobles Understatement, klare Frucht und ein hohes Maß an Sortentypizität. Außerdem Trinkspaßfaktor ohne Ende.
Bio-Cider, Biohof Fischer
Was da von den Fischers im Traisental immer wieder in die Flasche kommt, ist über die Maßen erstaunlich und eindrucksvoll. Quasi der „natural“ unter den heimischen Ciders. Spontane Vergärung mit den Hefen des Obstgartens (oder des Kellers), kein Schwefel, keine Filtration. Was bei diesem kontrollierten Nichtstun herauskommt, ist wie gesagt höchst eindrucksvoll. Tiefgang, Fruchtdominanz, Frische und Klarheit. Chapeau.
Sydre Argelette, Bordelet
Er sitzt – mittlerweile – in seinem stattlichen Château mitten in der Normandie. Und mitten in seinen Apfel- und Birnenplantagen. Allesamt biodynamisch bewirtschaftet und mit Bedacht dem Boden entsprechend gepflanzt. Eric Bordelet ist der primus inter pares unter den Apfelkünstlern. Sein Argelette ist mineralisch, kristallklar, hat einen langen Abgang und vor allem zeigt er, was andere nicht (oder kaum) zeigen: Reifepotential. Der Argelette war Jahrgang 2012!
Am Schluss des Abends waren jedenfalls 21 Bio-Ciders verkostet. Ein wahres Aromenstakkato, das Vielfalt und Potential biologischer Ciders eindrucksvoll bewies – Pferdedecke und Kuhstall hin oder her.
Weitere Infos zu den Tasting_foren unter www.biodreinull.at
Bio-Wissen:
Auch im Bio-Obstbau sind Streuobstwiesen keine Selbstverständlichkeit. Als Hotspots der Biodiversität werden sie allerdings sehr geschätzt. Das Obst aus den extensiven Streuobstwiesen wird meist traditionell durch Pressen und Vergären haltbar gemacht.
Die Bio-Tafelobstproduktion findet hingegen vor allem auf Plantagen statt. Die Bio-Vorteile liegen allerdings auch hier klar auf der Hand:Biobäuerinnen und –bauern setzen auf Vielfalt und versuchen, diese auch in ihren Obstgärten durch entsprechende Bewirtschaftungsmaßnahmen zu erhalten. Mit Erfolg: Der Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel, die Förderung von Nützlingen, organische Düngung, der Anbau robuster Sorten, die ganzjährige Begrünung der Obstanlagen, der Einsatz von Pflanzenstärkungsmitteln oder auch das Ausbringen von Sexualduftstoffen, sogenannten Pheromonen, um Schädlinge wie den Apfelwickler in Schach zu halten, sind nur einige der wesentlichen Pfeiler im biologischen Obstbau. All diese Elemente sorgen für gesunde und ertragreiche Bio-Obstbestände, makellose Früchte und außergewöhnlich guten Geschmack.
Über die Veranstaltungsreihe:
Das Tasting_Forum ist eine seit 2010 bestehende Best-Practice-Serie von Bio-Lebensmittelverkostungen. Ziel der zehnmal jährlich stattfindenden Veranstaltungsreihe ist es, biologische Lebensmittel unterschiedlicher Kategorien und Verarbeitungsgrade zu präsentieren, das weite Genusspotenzial der ausgewählten Produktgruppen in Bio-Qualität aufzuzeigen und die Vorzüge der „Bio-Produktion“ darzustellen. Seit 2017 begleitet BIORAMA das Tasting_Forum als Medienpartner.