Mit einem Beschluss tausende Leben retten

BILD Philipp Mayer

BILD Philipp Mayer

Mit einem Beschluss wurden gestern tausende Leben gerettet. Nämlich das der männlichen Legehennen-Küken, die in ganz Europa tagtäglich sterben müssen. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen will dieser Praxis ein Ende setzen und hat das massenhafte Töten der männlichen Legehennen-Küken zur Straftat erhoben.

Das Schicksal eines jeden männlichen Kükens in Brüterei-Betrieben ist bereits vor seinem Schlüpfen besiegelt. In einer rationalisierten und industrialisierten Landwirtschaft sind Nutztiere auf hohe Leistung getrimmt; Legehennen werden durch die Manipulation von Licht-, Futter- und Platzverhältnissen darauf gezüchtet, Tag und Nacht so viele Eier wie möglich zu legen. Hühner, die wir verspeisen, sollen hingegen so dick wie möglich werden. Die männlichen Küken der Legehennen sind somit weder zum Eierlegen noch zum Fettansetzen geeignet und werden zu einem überflüssigen Abfallprodukt, dessen Leben nicht viel wert ist. Nach nur 72 Stunden Lebensdauer wird es in einem maschinellen Tötungsverfahren entsorgt. Jährlich sind das, allein in Europa, rund 350 Millionen männliche Küken.

 „Diese Praxis ist absolut grausam, hier werden Lebewesen zum Abfallprodukt der Landwirtschaft. Tiere dürfen nicht zum Objekt in einem überhitzten und industrialisierten System werden.“
Verbraucherschutzminister Johannes Remmel (Grüne)

Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen spricht sich für Tierschutz aus und wird in Zukunft gegen den Massenmord an männlichen „Eintagsküken“ vorgehen. Gestern verabschiedete das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz NRW einen Erlass gegen das mechanisierte Tötungsverfahren von männlichen Küken in Brüterei-Betrieben und erhob es zu einer verwaltungsrechtlich verfolgbaren Straftat. Tierschutz in der Tierzucht, als erklärtes Ziel des Verbraucherschutzministeriums, wird schon länger verfolgt, bisher gab es jedoch keine Möglichkeit strafrechtlich vorzugehen. Nun prüfte die Staatsanwaltschaft Münster dieses gängige Verfahren, stufte es als tierschutzwidrig ein und erklärt ihm damit das Aus. Der Beschluss des Ermittlungsverfahrens besagt außerdem, dass die EU nur regle, auf welche Art und Weise Küken getötet werden können. Nicht jedoch, ob die generelle Tötung männlicher Küken von Legehennen einen „vernünftigen“ Grund im Sinne des Tierschutzgesetzes darstellt. Da dies nicht der Fall ist, ist die Tötungsmaschinerie männlicher Küken in Nordrhein-Westfalen ab jetzt strafbar.

Wohin mit den Küken?

Bild: flickr.com / twicepix – CC BY-SA 2.0

Bild: flickr.com / twicepix – CC BY-SA 2.0

So froh die Botschaft des Erlasses gegen die Tötung der männlichen Legehennen-Küken klingen mag, einige Fragen bleiben offen. Wie rasch, wie konsequent wird der Erlass verfolgt? Wie strikt wird bei Übertretungen sanktioniert? Und werden sich die Geflügellandwirte, deren seit Jahren durchgeführtes Geschäft nun von einem Tag auf den anderen strafbar geworden ist, schuldig fühlen? Oder wird das Gesetz einfach zur Folge haben, dass es in ganz Nordrhein-Westfalen keine Brüterei-Betriebe mehr geben wird?

Für Tierrecht-Vertreter, Veganer und Vegetarier ist das Thema sowieso noch lange nicht durch. Die Kritik am „Zurecht-Züchten“ und Manipulieren von Nutztieren bleibt und auch die Fragen nach der Macht des, auf den billigsten Preis aus handelnden Konsumenten in einer wettbewerbswirtschaftlich organisierten Lebensmittelindustrie, bestehen weiterhin. Zu diskutieren ist die Vorbildwirkung eines solchen Beschlusses. Könnte ganz Deutschland dem Präzedenzfall der Landesregierung Nordrhein-Westfalen folgen? Wird Österreich und irgendwann gar die ganze EU nachziehen? Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Der am nächsten liegenden Frage „Was wird mit all den Küken passieren?“ widmete sich BIORAMA in der Vergangenheit bereits ausführlich hier und diskutiert mögliche Alternativen;

präsentiert bei der Lesersafari#6 den Besuch einer Junghahnzucht als alternatives Modell  hier,

stellt eine Kooperation zwischen Vierpfoten und REWE Ja!Natürlich zur Erhaltung einer Zweinutzungsrasse vor hier

und besucht einen Jungbauern in Finnland, der eine Bio-Hahn-Aufzucht betreibt hier.

 

 

Die Pressemitteilung des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz NRW vom 26.9. findet sich hier.

 

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