Anti-Jagd-Initiative: Ein Schuss ins Knie
Ausgerechnet eine Initiative aus radikalen Tierrechtskreisen hat in der Schweiz dazu beigetragen, in der Bevölkerung Verständnis für die Notwendigkeit der Jagd zu schaffen.
Es war ein Schuss ins eigene Knie. Eigentlich war die Schweizer Tierrechtsinitiative »Wildhüter statt Jäger« mit der klaren Losung angetreten, »das blutige Hobby zu stoppen«. Die Volksinitiative im Kanton Zürich orientierte sich dabei am Vorbild des Kantons Genf, wo es bereits seit über 40 Jahren keine Freizeitjagd mehr gibt. Dort haben ausschließlich amtliche Wildhutorgane das Management der Wildtierbestände über. Damit hatten die TierrechtsaktivistInnen nicht nur die Verstaatlichung der Jagd auf ihrer Agenda, sondern de facto auch die Abschaffung der Jagd und ihrer Kultur. Da es ihnen darum ging, dass Mensch und Tier harmonisch zusammenleben, wären Abschüsse nur noch dann vorgesehen gewesen, wenn sich diese gar nicht vermeiden ließen. Wildtierpopulationen sollten am besten unkontrolliert sich selbst überlassen werden. Auch auf zu niedrige Standards bei der Ausbildung der nur in ihrer Freizeit Jagenden gegenüber hauptberuflich Waffe Tragenden sowie das fehlende Alkoholverbot auf Jagden wiesen die AktivistInnen immer wieder hin.
Richtungsentscheid pro oder anti Jagd
Dabei hätte genau das – ein Schuss ins Knie oder irgendein spektakulärer Jagdunfall – den Ausgang der Sache womöglich entscheidend verändert. Angespannte Beobachtung fand die Abstimmung Ende September in ganz Europa, weil sie – trotz teilweise gänzlich unterschiedlicher Jagdsysteme – auch als Richtungsentscheid eingeschätzt wurde; sowohl in Tierrechts- wie in Jagdkreisen. Der Kanton Zürich mit seiner teils urbanen und im Umkreis der Stadt eher ländlich geprägten Bevölkerung stehe dabei stellvertretend für andere Metropolen und deren Umland, meint Alexander Schwab, der sich in seinem rührigen Eigenverlag »Eichelmändli« gleichermaßen missionarisch wie bewahrend der Jagdkultur widmet. Ein Votum pro Wildhüter hätte die Anti-Jagd-Stimmungsmache also auch andernorts befeuert.
Breite Debatte über Jagd
Der eindeutige Ausgang der Abstimmung überraschte allerdings alle. »Das professionelle Wildtiermanagement hätte große Vorteile für das Tierwohl von Wildtieren, den Umweltschutz und die Rechtssicherheit in Wald und Flur zur Folge gehabt«, bedauerte die Tierpartei Schweiz auf Facebook. »Zu unserem großen Bedauern hat die Mehrheit der Stimmberechtigten diese Chance – vermutlich wegen der für den Kanton entstehenden Mehrkosten – nicht genutzt.« 300.000 Stimmende hatten sich für ein Beibehalten der bisherigen Praxis ausgesprochen. Nur 57.000 und damit 16,1 Prozent votierten für ein verstaatlichtes Jagdwesen. Wobei das Verhältnis in allen Dörfern und Gemeinden ähnlich war, und selbst in Zürich war das Wohlwollen mit 20,3 Prozent überschaubar. Dazu beigetragen hat sicherlich, dass sich bereits im Vorfeld im Kantonsrat alle Parteien – von den Grünen über SozialdemokratInnen bis zu den RechtspopulistInnen – gegen die Initiative ausgesprochen und ein Nein empfohlen hatten. Null Stimmen im Kantonsrat haben Seltenheitswert.
Auch die JägerInnenschaft konnte den Angriff als Chance nutzen. In einer bewusst emotionslos gehaltenen Kampagne setzte man allen Vorwürfen wie Alkoholmissbrauch oder unzulänglicher Ausbildung nüchtern Fakten, Zahlen und Unfallstatistiken entgegen. In der breit geführten Debatte waren die Mehrkosten von hochgerechnet 20 bis 30 Millionen Franken, welche im Kanton für die Bezahlung von 80 bis 90 hauptberuflichen WildhutmanagerInnen anfallen würden, immer wieder Thema. Nicht zuletzt war auch die Position vieler Medien, allen voran der Neuen Zürcher Zeitung, unmissverständlich. Nachdem die NZZ journalistisch sauber die Argumente aller Seiten in Betracht gezogen hatte, bezog das Blatt klar Stellung: »Die Darstellung der Initianten der Jäger als unverantwortliche Amateure entspricht nicht den Tatsachen. Das heutige System funktioniert. Illusorisch ist die Vorstellung, dass mit einem Systemwechsel weniger Tiere geschossen würden. Die Befürchtung von Schäden an Kulturland und Wäldern ist realistisch, zusätzliche Einzäunungen, die nötig wären, sind nicht wünschbar und würden nicht zuletzt dem Wild schaden.«
»Freizeitjagd bleibt unterm Strich das bessere System. Würden nur Angestellte jagen, käme das der Allgemeinheit auch sehr teuer.«
– Sylvia Scherhaufer, Jagdfunktionärin
Die Folgen der Volksinitiative
Ganz folgenlos wird die Initiative »Wildhüter statt Jäger« dennoch nicht bleiben. Eine der Forderungen – ein Verbot der »Baujagd«, für die Hunde und Frettchen in Bauten von Fuchs, Dachs und Kaninchen geschickt werden – wird weiter ernsthaft diskutiert. Teile der JägerInnenschaft sehen diese Methode ebenfalls als nicht mehr zeitgemäß an. Auch ein generelles Alkoholverbot beim Führen einer Waffe sowie ein Alterslimit beziehungsweise Gesundheitsnachweise für aktive Jägerinnen und Jäger sind wohl nicht vom Tisch. Und auch Wildhüterinnen und Wildhüter wird es künftig mehr geben müssen. »Wildhut und Jagdaufsicht werden auch in Zürich weiterhin an Bedeutung gewinnen«, meint Klaus Hackländer, der Leiter des Wiener Instituts für Wildbiologie und Jagdwirtschaft. »Ein funktionierendes Wildtiermanagement von Konfliktarten wie dem Wildschwein kann nicht allein durchs Jagen in der Freizeit bewältigt werden.«
Und auch hier steht Zürich wohl stellvertretend für viele andere Landstriche. Beim Wildschwein, das sich als großer Gewinner des Klimawandels, überall stark ausbreitet, meldete zuletzt Bayern Rekordabschüsse. Beinahe 100.000 Sauen wurden dort in der vergangenen Jagdsaison erlegt. Allergrößtenteils in der Freizeit. Wobei mittlerweile pro Tier eine Aufwandsentschädigung von 20 Euro gezahlt wird, um die Sauenplage in den Griff zu bekommen.