„Der Markt für Biomilch ist ein ganz eigenständiger Milchmarkt.“

Die Dokumentation „Das System Milch“ beleuchtet das globale Milchgeschäft. Bild: (c) Tiberius Film

Rüdiger Brügmann ist beim Bio-Erzeugerverband Bioland verantwortlich für die Website www.biomilchpreise.de, auf der man die Entwicklung des Marktes für Milch aus ökologischer Kuhhaltung verfolgen kann. Wir haben uns von ihm erklären lassen, weshalb der Preis für Biomilch ziemlich unabhängig vom konventionellen Milchpreis ist.

Kann man sagen, dass die Erzeugerpreise für Biomilch stabiler sind als die Preise für konventionelle Milch?

Rüdiger Brügmann: „Nun – da muss man sich ja nur die Entwicklung der letzten drei Jahre anschauen. Da lag der Biomilch-Preis stabil bei zirka 48 Cent pro Kilo netto ab Hof bei 4,0% Fett und 3,4% Eiweiß, während der Milchpreis für konventionelle Milch zeitweise massiv nach unten gegangen ist, 2015 auf unter 30 und 2016 unter 27 Cent.“

Wie kommt es zu dieser Entkopplung des Biomilch-Preises vom konventionellen Milchpreis?

Rüdiger Brügmann: „Der Markt für Biomilch ist ein ganz eigenständiger Milchmarkt. Und die Molkereien haben ein Auge darauf, dass Angebot und Nachfrage in der Balance bleiben.“

Wie wird diese Balance von Angebot und Nachfrage erreicht?

Rüdiger Brügmann: „Inzwischen ist es zum Beispiel so, dass fast alle Biomolkereien eine Warteliste haben. In den letzten zwei Jahren haben ja viele Milchbetriebe auf Bio umgestellt, sodass momentan keine Betriebe mehr umstellen sollen, wenn sie nicht eine schriftliche Zusage von einer Molkerei haben, dass ihre Biomilch auch abgenommen wird. Eine Umstellung ohne Marktoption wäre einfach viel zu gefährlich für die Betriebe. Aber auch für den Markt insgesamt, weil dann der Preis zusammenbrechen würde.“

Gibt es Fälle, in denen Biomilch nicht abgenommen wird?

Rüdiger Brügmann: „Im Einzelnen gibt es das immer wieder mal. Weil ja der Landwirt als freier Unternehmer immer auf Bio umstellen kann. Auch wenn er keine Abnahmezusage hat. Aber das sind Ausnahmen. Es gab auch Zeiten, in denen es hieß: Stellt um. Und dann war plötzlich zu viel Milch da, und der Preis ging nach unten. Deshalb war es wichtig, mehr Absicherung zwischen Erzeugern und Molkereien herzustellen. In Deutschland wurde das vor allem durch die Gründung von Biomilch-Erzeugergemeinschaften erreicht. Dadurch erhielten Erzeuger und Molkereien Planungssicherheit.“

Der Agrarökonom Rüdiger Brügmann kennt den Milchmarkt. (Bild: R. Brügmann)

Und wird Biomilch angemessen bezahlt?

Rüdiger Brügmann: „Die Verbraucher sind den Biobauern treu und zahlen faire Preise, auch wenn die konventionelle Milch viel zu billig angeboten wird. Daher ist der Erzeugerpreis für Biomilch seit mehreren Jahren stabil auf dem Niveau, das die Bauern brauchen. Gut – 50 Cent wären schon noch ein Ziel. Aber 48 Cent sind schon ein Preis, bei dem die Kosten der Biobauern gut gedeckt sind. Natürlich ist das individuell unterschiedlich. Es ist ja auch nicht jeder Mensch mit dem gleichen Lohn zufrieden. Aber es müssen eben mindestens die Erzeugungskosten abgedeckt sein. Und in diesem Bereich liegen wir.“

Nach mehreren Jahren auf niedrigem Niveau steigt der Preis für konventionelle Milch im Moment. Hat das Auswirkungen auf den Biomilch-Preis?

Rüdiger Brügmann: „Wenn der konventionelle Milchpreis wie aktuell wieder nach oben geht, dann folgt der Bio-Preis ihm nur geringfügig. Der konventionelle Milchpreis hat ja einen gewissen Nachholbedarf. Der muss erst einmal wieder in einen Bereich kommen, in dem Milchbauern überhaupt wirtschaften können. Bei einem Milchpreis von 26 Cent kann ja kein konventioneller Bauer überleben. Da haben in den vergangenen Jahren viele Betriebe aufgeben müssen. Andere mussten Schulden aufnehmen, die sie nun erst einmal wieder abbauen müssen.“

Ist es anders herum für Molkereien kein Grund, den Preis für Biomilch zu drücken, wenn der Preis für konventionelle Milch sinkt?

Rüdiger Brügmann: „Also in den Jahren 2015 und 2016 ist der Preis für konventionelle Milch stark gesunken. Der Bio-Preis ist gleich geblieben bzw. sogar gestiegen. Da gibt es komplett eigene Preisverhandlungen.“

Beim Erzeugerpreis für konventionelle Milch heißt es, dass er auf dem Weltmarkt gebildet wird. Spielt diese Art der Preisbildung für Biomilch keine Rolle?

Rüdiger Brügmann: „Die Preise für Biomilch in Europa liegen natürlich nicht himmelweit auseinander. Aber im deutsch-österreichischen Vergleich zum Beispiel gab es in den letzten Jahren immer drei bis fünf Cent Unterschied. In Österreich wurde meist weniger für Biomilch gezahlt, obwohl für konventionelle Milch in Österreich mehr gezahlt wird als in Deutschland. Die besten Preise für Biomilch werden momentan in Deutschland erzielt, gefolgt von den Niederlanden und Frankreich.

Und bleibt es für Milchviehhalter interessant, auf Bio umzustellen?

Rüdiger Brügmann: „Es bleibt attraktiv. Aber umstellen nützt nichts, wenn es keine Abnahmezusage für die Milch gibt.“

Ist der Biomilch-Markt etwa gesättigt, wenn die Abnahme nicht garantiert werden kann?

Rüdiger Brügmann: „Die Frage, ob ein Markt gesättigt ist, ist natürlich eine zeitliche Frage. Die Biomolkereien nehmen derzeit die Betriebe auf, die während der letzten zwei Jahre auf Bio umgestellt haben. Momentan gibt es deshalb fast keine Zusagen für neue Betriebe. Der Marktzuwachs und der Rohstoffzuwachs müssen ja zusammenpassen. Wenn momentan ein Bauer in der Molkerei anruft, dann bekommt er in der Regel gesagt: Melde dich im Winter oder im Frühjahr wieder. Dann sehen wir, wie sich der Markt entwickelt und wie wir deine Milch auf dem Markt unterbringen können. Derzeit gibt es also eine temporäre Sättigung und deshalb haben die Molkereien ihre Wartelisten.“

Bedeutet das, dass die Produktionsmenge an Biomilch zuletzt schneller gewachsen ist als die Nachfrage?

Rüdiger Brügmann: „Nein, diese Entwicklung verläuft schon parallel. Aber damit sie weiter parallel verläuft, muss eben gelegentlich gesagt werden: Jetzt haben wir die Milchmenge, die wir brauchen. Und mehr brauchen wir erst in einem halben Jahr. Man kann ja nicht allen Bauern Abnahmezusagen geben, wenn man nur eine bestimmte Menge absetzen kann. Aber wir gehen schon davon aus, dass der Markt weiterwächst, und es wird sicherlich so sein, dass die Molkereien neuen Biobauern wieder Abnahmezusagen geben können. Marktsättigung klingt so, als sei der Markt erschöpft. Das ist er nicht. Er entwickelt sich gut. Aber das geht nur Schritt für Schritt. Sonst hätten wir ja von heute auf morgen 100 Prozent Biomilch.

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