No Hendl in your backyard!
Im US-Bundesstaat Michigan bangen Farmer, Kleinbauern, Hühnerzüchter und andere um ihr Recht, Tiere zu halten. Der Agrarindustrie dürfte das Recht sein. Die Gesetzesänderung in Michigan zeigt, welche rechtlichen Konflikte zwischen Kleinbauern und Agrarindustrie ausgetragen werden – vielleicht auch irgendwann in Europa?
Allzu häufig kommt es nicht vor, dass man thematisch in die US-Politik auf Ebene einzelner Bundesstaaten einsteigt. Da muss schon ein steirischer Muskelberg Gouvernator werden oder ein Wüstenstaat den Konsum von Marihuana legalisieren. Nun hat uns eine Meldung aus Michigan erreicht, die ein Licht darauf wirft, auf welch dünnem Eis sich Klein-Landwirte bewegen, wenn sich die Agrarindustrie mit der Hilfe von Lobbyisten daran macht, ihr eigene juristische Stellung zu verbessern.
Das Recht auf Nutztierhaltung
1981 beschloss man in Michigan den sogenannten Right to Farm Act. Dieses Gesetz sprach den Haltern von Nutztieren das Recht zum Halten von Nutztieren zu. Der Right to Farm Act war damals nötig, weil Großstadtbewohner aufs Land zogen, und dort gegen Farmer vorgingen, durch deren Tiere sie sich in ihrem suburbanen Dasein gestört fühlten. Bis heute sorgt der Right to Farm Act dafür, dass in Michigans Hinterhöfen und Gärten Tiere gehalten werden dürfen. Doch damit ist es nun womöglich vorbei. Die State Commission of Agriculture and Rural Development hat beschlossen, Hobbybauern, Nebenerwerbs-Landwirten, Großstadt-Imkern, Kaninchenzüchtern usw. das Recht auf Nutztierhaltung nicht weiter zu garantieren. Wenn im Umkreis von 200 Meter rund um ein Grundstück 13 Häuser stehen, oder im Radius von 75 Meter jemand seinen Wohnsitz hat, dann können lokale Behörden die Haltung von Bienen, Hühnern, Kaninchen, Schafen, Ziegen und anderem Getier zukünftig verbieten.
Politik im Sinne der Agrarindustrie?
Nun mag man sich bestätigt in der Vermutung fühlen, dass Politik in den USA stets im Sinne von Konzernen gemacht wird. In Michigan hat es die US-Agrarlobby einmal mehr geschafft, lokale und biologische Produktionsformen, denen sie das Leben durch konkurrenzlos billige Massenware eh schon schwer genug macht, juristisch zu verdrängen. So sehen das in Michigan viele Gegner der Agrarindustrie. Der Einsatz von Chlor, Antibiotika und Gentechnik ist in der US-Lebensmittelproduktion bekanntlich viel etablierter als in Europa. Und so hat sich in den vergangenen Jahren eine große amerikanische Organic-Farming Szene als Gegenbewegung zu Genmaisplantagen, Rindfleisch- und Hühnerfabriken entwickelt. Der Konflikt zwischen kleinbäuerlichen Strukturen und agrarischen Großkonzernen tobt in den USA wie in anderen Ländern auch.
Dass der Kaninchenstall hinter der Garage oder die Hühner neben dem Gemüsegarten, wie man sie aus beinahe jedem europäischen Dorf kennt, der EU-Rechtprechung zum Opfer fallen – weil für sie plötzlich die gleichen rechtlichen Bestimmungen gelten sollen wie für hochprofessionelle Mastanlagen, das scheint noch reichlich unrealistisch.
Von Michigan nach Europa
Wenn man die Entwicklung der europäischen Landwirtschaft betrachtet, dann muss man allerdings feststellen, dass es auch diesseits des Atlantiks immer „amerikanischer“ zugeht. So sind zwar noch sieben der zehn weltgrößten Fleischkonzerne in Nord- und Südamerika beheimatet – vier in den USA, drei in Brasilien. Doch mit dem niederländischen Vion-Konzern (knapp zehn Milliarden Euro Umsatz) und der dänischen Danish Crown AmbA (knapp 7,5 Milliarden Euro Umsatz) stammen zwei der größten globalen Fleischmultis aus der Europäischen Union – und beide wachsen rasant. Spätestens ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA würde wohl die europäische Agrarpolitik vollends unter den Druck setzen, den europäischen Agrarkonzernen zu „amerikanischen“ Produktionsbedingungen zu verhelfen.
Die Abschaffung des Right to Farm Act in Michigan ist nur ein kleines Beispiel dafür, wie eine überschaubare Veränderung an den juristischen Stellschrauben für die Landwirtschaft das Verhältnis zwischen lokalen bäuerlichen und industriellen Produzenten verändern kann. Es sind allerdings diese Stellschrauben, mit deren Hilfe ökologisch und sozial nachhaltige Formen der Landwirtschaft unter die Räder geraten können.