Klimabekömmlich
Rinder scheiden Klimagase aus, darunter auch viel Methan. Das lässt sich ändern.
21 Staaten, darunter Deutschland und die USA, haben sich im Rahmen der UN-Klimakonferenz 2021 dazu verpflichtet, ihre Methanemissionen um 30 Prozent zu reduzieren. Österreich ist der sogenannten Methankoalition im September 2022 beigetreten. EU-Umweltkommissar Frans Timmermans hat Methan als zweitschädlichstes Treibhausgas identifiziert, die neuseeländische Regierung geht sogar so weit, dass sie ab 2025 die Emissionen der zehn Millionen dort lebenden Rinder besteuern will. Und Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge beträgt der Methananteil heute fast ein Fünftel aller auf menschliches Handeln zurückgehenden Treibhausgase. Neben einer Reduktion des Konsums von Fleisch- und Milchprodukten, um die sich bisher nur eine Minderheit bemüht, wird auch an den Emissionen der Produkte getüftelt, unter anderem dort, wo das Methan entsteht: im Pansen der Kuh.
Am landwirtschaftlichen Versuchsgut der Universität Kiel forscht der wissenschaftliche Leiter Friedhelm Taube an der Atemluft von Jerseys, die für ihre besonders fettreiche Milch bekannt sind. Er weiß, wie sehr der Methanausstoß von Kühen davon abhängt, was sie fressen. Seit 25 Jahren erforscht er den Zusammenhang zwischen Kuh, Umwelt und Futter. Auf unterschiedlichen Flächen haben er und sein Team gemessen, wie viel Methan eine Weidekuh bei welcher Art von Futter ausstößt. Die Untersuchungen ergaben: Je mehr Kräuter, Klee und Gräser vorhanden waren, desto geringer war der Methanausstoß der Kühe. Bei Weißklee, Weidelgras und anderen Wiesenkräutern bleibt der Methanausstoß gering und zumindest die von ihm untersuchten Jersey-Rinder geben zehn Prozent mehr Milch, als wenn sie im Stall mit Soja und Mais gefüttert werden.
Während in Kiel also eher daran gearbeitet wird, die Klimavorteile von Weidehaltung zu erforschen, wird andernorts das Potenzial von Hightech-Nahrung ausgelotet. Aber für eine, die dem selbst zusammengestellten Speiseplan mancher Kühe nachempfunden ist. Denn 2005 beobachete ein Milchbauer aus Kanada, dass seine Kühe mehr Milch gaben und mehr Kälber bekamen, wenn sie die mit den Wellen angespülten Algen fraßen. Basierend auf dieser Beobachtung erforschten AgrarwissenschaftlerInnen des australischen Forschungsinstituts CSIRO den Zusammenhang zwischen der Verstoffwechselung von verschiedenen Algen und Methanentstehung. In Laborexperimenten konnte nachgewiesen werden, dass besonders die Fütterung mit Rotalgen die Methanproduktion um mehr als 99 Prozent reduziert.
Für die weitere Untersuchung an den Tieren fütterten die ForscherInnen 21 Stiere der Fleischrasse Hereford mit ihrer üblichen Futtermischung aus Heu, Getreide und Mais und mischten Rotalgen in unterschiedlicher Konzentration bei. Über einen Zeitraum von 21 Wochen maßen sie, wie viel Methan, Wasserstoff und CO2 von den Tieren freigesetzt wurde. Abhängig vom Algenanteil im Futter sank der Methanausstoß um 45 bis 68 Prozent. Im Test mit wenig Heu und einem Maximum an Algen reduzierte sich die Menge an Methan sogar um 80 Prozent. Diese Entdeckung schlug Wellen. Mehrere Cleantech-Start-ups aus Schweden und den USA züchten nun genau dafür Rotalgen im Meer. Eines dieser jungen Unternehmen ist das schwedische Unternehmen Volta Greentech. Allerdings produziert das Unternehmen die Algen in großen Tanks unter künstlichem Licht aus regenerativen Energien. Meerwasser kommt aus dem Ozean, geheizt wird mit der Abwärme einer Ölraffinerie in der Nähe. Algen binden genau wie Bäume CO2. Das pumpt Fredrik Åkerman, CEO und Kogründer von Volta Greentech, einfach in die Produktionsanlage, so wachsen die Algen schneller. Seit Juni 2022 kann man in ausgewählten schwedischen Supermarktketten methanreduziertes Rindfleisch von Volta Greentech kaufen. Die Algen sind nicht biozertifiziert, das Fleisch somit auch nicht.
Anders als in der savannenartigen Landschaft Australiens wachsen in Deutschland oder Österreich Wiesenkräuter, die eine bessere Klimabilanz aufweisen als Soja und Mais. Friedhelm Taube vom Lindhof glaubt nicht daran, dass nur die Kuh allein klimaneutral werden muss. Auch die Ernährungsgewohnheiten der Menschen müssten sich ändern. Einer von ihm im Mai 2021 veröffentlichten Studie zufolge weist die Klee-Kräuter-Gras-Mischung je Kilogramm Milchleistung die niedrigsten Methanemissionen auf. Dabei wurden vier Ernährungssysteme verglichen, vom konventionellen Futter im Stall bis zur Kräutermischung auf der Weide. »Der Hauptgrund dafür ist die sehr hohe Verdaulichkeit dieses Weidefutters, wir füttern gewissermaßen ›Kraftfutter auf dem Halm‹«, sagt Taube. Von den Algenansätzen ist er hingegen noch nicht überzeugt. Nicht, weil es nicht funktionieren würde, sondern weil die notwendigen Mengen für die Kuhherden der Welt kaum darstellbar sein dürften und aussagekräftige Langzeitstudien bislang kaum vorliegen.
Außerdem: Betrachtet man das ganze Rinderhaltungssystem, kommt man womöglich zu anderen Handlungsempfehlungen als durch einen Fokus auf Methanemissionen. Deshalb plädiert Taube vielmehr für eine artgerechte Weidehaltung, bei der die Kühe regional und frisch fressen und dabei die Wiesen mit ihren Fladen düngen. Das ist Friedhelm Taube zufolge die nachhaltigste Weise, die Tiere zu halten. Am nachhaltigsten seien die Algen dort, wo sie etwa auf großen Höfen ohne Weidehaltung »Sojaschrot aus Übersee« ersetzen würden.
Nun ist der Vergleich mit ökologischer Weidehaltung daher vielleicht der aussagekräftigste, doch angesichts dessen, dass Weidehaltung sich nicht über Nacht als einzige Haltungsform wieder wird durchsetzen können, könnten die Algen einen relevanten Beitrag zur Reduktion der Emissionen der Viehwirtschaft insgesamt beitragen, während die Menschheit womöglich endlich beginnt, ingesamt sukzessive auf artgerechtere Tierhaltung umzustellen.
Weitere Ideen zur Reduktion von Treibhausgasen in der Landwirtschaft findest zu etwa hier oder hier.