Der Schatz vom Birnbaum
Der Birne braucht eine kulinarische Renaissance. Hier einige Produkte von Leuten, die sich mit Engagement und Leidenschaft der Frucht verschrieben haben.
Wenn wir von Birnen sprechen, sprechen wir auch von Fruchtfleisch gewordener Vielfalt. Und von historischer Bedeutung. Der griechische Philosoph und Naturkundler Theophrast von Eresos erwähnt in seinen Schriften schon drei Sorten. Bei Cato waren es fünf, und Plinius kannte schon 38. Heute sind es weit über 5.000, und die Vielfalt macht echt Freude. Speckbirne, Grüne Winawitz, Rote Pichlbirne oder Schweizer Wasserbirne. Auf den Obstbäumen des Landes wachsen wahre Schätze heran, deren kulinarischer Wert weit über den einstigen Platzhirschen, der Williams, hinausreicht. (Apropos: Es gibt in der Steiermark auch eine sensationell gute Hirschbirne!) Und auch in der Küche zeigen Köchinnen und Köche, dass die Birne deutlich mehr kann als nur Birne Helene und mit billiger Ribiselmarmelade gefülltes Beiwerk während der Wildwochen. Wir haben hier ein paar Produkte zusammengetragen, die zeigen, dass der Birne ein Platz ganz oben in der kulinarischen Hierarchie zusteht. Und zwar von Anfang an.
1 / Für die ganz ganz Kleinen
Man kann gar nicht früh genug damit anfangen, die filigrane Feinheit der Williams zu genießen. Die Fruchtzubereitung Williams-Christ-Birnen (nach dem vierten Monat) von Hipp sollte somit zentraler Bestandteil der kulinarischen Sozialisation sein. Ungesüßt, frei von Aromen, Farbstoffen und sonstigen konsistenzverändernden Substanzen ist das Mus unglaublich nah an der frischen Frucht. Achtung! Disput nicht unwahrscheinlich (Mein Hipp? Dein Hipp? Unser Hipp!!)
2 / Für die ganz Jungen
Klingt weder regional, noch sonderlich kräftig. Der Saft von der Schweizer Wasserbirne. Die Adelsbergers in Randegg im Mostviertel machen aus der Frucht einen sensationell fruchtigen, hellen und erfrischenden Birnensaft. Der ist sauber, glockenklar und trotzdem rustikal birnig. Ausgesprochen harmonisch, nicht zu süß und mit lebendiger Säure gesegnet. Ein Durstlöscher für jeden Haushalt.
3 / Für alle
Williams als Saft. Der allerdings so üppig, dick und kräftig ist, dass er fast ein Nektar ist. Van Nahmen ist leidenschaftlicher Produzent sortenreiner Obstsäfte. Unter anderem. Aber diese Säfte haben es in sich: Der Williams Christ zum Beispiel ist gar nicht weit weg von Hipp. Expressive Fruchtnoten, zauberhafter Charme und eine Dichte und Cremigkeit, dass es eine Freude ist.
4 / Für die Jungen I
Wir sind immer noch bei den Adelsbergers und immer noch bei der Schweizer Wasserbirne. Jetzt ist es halt doch so, dass ein paar Volumsprozent Alkohol einen Birnensaft dergestalt verändern, dass Komplexität und Trinkspaß steigen. Der Most von der Schweizer Wasserbirne ist ein heller, strahlender Birnenmost der durch Frische und unbändige Fruchtigkeit überzeugt. Mit oder ohne Soda. ‚Gsundheit’.
5 / Für die Jungen II
Sie sind Nachbarn der Adelsbergers und bilden gemeinsam mit ihnen eine Art Bio-Hochburg im Mostviertel. Daniele und Augustin Frühwald führen hier den Hof und vermarkten die Produkte unter Hechal’s Biospezialitäten. Eine davon ist ein Birnen-Cider, abgefüllt in kleinen Flaschen. Koa Wossa Ned heißt der Prickler. Auf der Grundlage der Speckbirne, einer kleinen, runden Mostbirne mit eher geringem Gerbstoffgehalt, ist der Cider ein perfekter Ausdruck Mostviertler Lebensfreude.
6 / Für die Jungen III
Manchmal stehen einfach ganz besondere Anlässe ins Haus. Geburtstage, Jubiläen, ein üppiger Auftrag. Für solche Fälle sollte immer etwas Außergewöhnliches parat stehen. Birnenmäßig bietet sich hier der Poiré Granit von Eric Bordelet an. Ein (biodynamischer) Birnen-Cider, der von seiner Feinheit und Eleganz her schon sehr nah an gutem Champagner ist. Die Birnen kommen von über 100 Jahre alten Bäumen auf felsigem Granitboden. Das Ergebnis ist ein heller, kristallklarer und tiefgründiger Schaumwein für große Momente.
7 / Für die Reifen
Hochprozentiger kann man Birne fast nicht hinkriegen. Devils Flame heißen die Flambieressenzen von Josef Farthofer, und was da aus der Flasche rinnt, könnte die Grillkultur revolutionieren. Feinste Brände werden bis zur Dickflüssigkeit reduziert und kommen beim Grillen aufs Fleisch. Dann wird entflammt, der hochprozentige Alkohol sorgt zuerst für einen sensationellen Show-Effekt, verbrennt dann zur Gänze, und das Aroma brennt sich in das Grillgut ein. Gibt es natürlich auch vom Mostbirnenbrand mit kräftig rustikaler Birnen-Note. Ideal für Rib-Eye-Steaks.
8 / Für die noch Reiferen
Sherry und Port sind was für die Reifen. Bei Portwein drängt sich das Bild vom Zigarre rauchenden, grauhaarigen Gentleman im Lederfauteuil auf. Josef Farthofer hat vor ein paar Jahren damit begonnen, Sherry auf Birnenbasis zu machen. Sein Mostello hat mittlerweile seinen Fixplatz an der Seite fruchtiger Desserts ebenso erobert wie im besagten Ledersessel. Jetzt kommt er in hochwertiger Ausstattung mit neuem Etikett und neuer Flasche daher. Und – was viel wichtiger ist – 2009 ist der erste trockene Jahrgang des Mostello. Also noch nussiger, noch eleganter, noch besser.
Birnenmus gehört alleine schon deshalb in jede Küche, weil es als unverzichtbare Alternative zum Apfelmus jeden Kaiserschmarrn verzaubert, reifen Käse verfeinert und überhaupt eine der attraktivsten Grundlagen für fruchtige Desserts ist. Das Mus ist in einer halben Stunde fertig. Birnen waschen, schälen und in einen Topf mit Wasser und Weißburgunder geben (etwa fifty-fifty). Je nach Vor- und Belieben Nelken, Zimt, Rum und Zitronenscheiben mitköcheln lassen, bis die Birnenspalten aufgeben und zu Mus werden. Abschmecken, servieren oder in Gläser füllen.