Süßes vom sonnigen Nordhang

Wohlschmeckend, aber kein Wundermittel: Warum Neuseelands Manukahonig so beliebt ist und woran man Qualität erkennt.

Man sieht die sonnigen Mānukawälder in Neuseeland.
In den weitläufigen Mānukawäldern lebt noch Neuseelands inoffizielles Wappentier, der flugunfähige Kiwi. Bild: Sonnentor.

Wenn es Sommer wird in Neuseeland, also gegen Weihnachten, ist die Honigernte im Tasman District bereits in vollem Gange. Schon im November hat Bernhard Schneider seine 3500 Bienenvölker rund um Ruby Bay verteilt. Der gebürtige Waldviertler ist Wanderimker. Bereits sein halbes Leben hat er hier am Rande des Abel-Tasman-Nationalparks in einer sonnenreichen Gegend der südlichen der beiden Inseln Neuseelands verbracht. Ganze 300 Jahre reicht die Imkerei in seiner Familiengeschichte zurück. Die Leidenschaft für das Hantieren mit Honigbienen hat er in jungen Jahren aus dem nördlichen Niederösterreich mitgebracht. 
Zeitlich ist hier alles um ein halbes Jahr verrückt. Während zur selben Jahreszeit in Europa die Bienenvölker eingewintert auf den Frühling warten, haben sie am anderen Ende der Welt Hochsaison. Denn von November bis mindestens März blüht in Neuseeland die Südseemyrte. Besser bekannt ist der Strauch unter seinem Namen Manuka. Und der von den Bienen vom Nektar seiner Blüten gewonnene Manukahonig wird weltweit zu Apothekerpreisen gehandelt. 200 Euro pro Kilogramm sind keine Seltenheit. Für andere Sorten wird üblicherweise für einen Kilo 10 bis 15 Euro verlangt. Kein Wunder, dass der Manukahonig mit seinen 1700 Tonnen, die jährlich geerntet werden können, für den Inselstaat ein wichtiges Exportprodukt ist. Und nur logisch, dass Bernhard Schneider seine Völker mit dem Pickup an neue Standorte verfrachtet, wenn die Myrte am bisherigen verblüht ist. »Bevorzugt bringen wir die Bienen auf einen sonnigen Nordhang«, sagt Schneider, und erklärt: »Norden ist bei uns ja Süden.« Mit seiner Firma, der Maxx Honey Limited, exportiert er den Manukahonig auch ins Waldviertel – nach Sprögnitz an seinen Kindheitsfreund Johannes Gutmann. Der Biopionier verkauft Bernhard Schneiders Manukahonig unter seiner Marke Sonnentor.

Exportgut Manukahonig
Etwa 1700 Tonnen Manukahonig werden jährlich in Neuseeland geerntet, weltweit gehandelt werden Schätzungen gemäß aber 10.000 Tonnen.

Zucker schädigt Bakterien

Begehrt ist der herb-würzige, im Vergleich zu anderen Sorten weniger süß schmeckende, Manukahonig allerdings nicht allein wegen seiner – durchaus vorhandenen – kulinarischen Vorzüge, sondern wegen seiner besonders starken Wirkung. Denn während Honig mit seiner antibakteriellen Wirkung schon seit Jahrtausenden als Heilmittel Anwendung findet, ist diese bei Manukahonig besonders stark. Beschrieben wurde das erstmals in den 1930er-Jahren. Und bereits seit längerem ist bekannt, dass der hohe Gehalt an Methylglyoxal (abgekürzt: MGO) dafür verantwortlich ist. Aber erst um die Jahrtausendwende machte sich auch die Forschung daran, herauszufinden, wie es dazu kommt. Mittlerweile ist bekannt, dass Honig über 200 Inhaltsstoffe enthält. 2008 fanden ForscherInnen der Technischen Universität Dresden heraus, dass im Nektar der Manukablüten das Kohlehydrat Dihydroxyaceton in hoher Konzentration vorhanden ist. In einer chemischen Reaktion wird es zu Methylglyoxal umgewandelt, das die Zellmembranen von Bakterien schädigt – und deshalb antibakteriell und antiseptisch wirkt. »Das Methylglyoxal ist eine Zuckerabbaukomponente, die aus den Zuckern, die ja zuhauf im Honig vorhanden sind, entsteht«, erklärt Jana Raupbach. Die Lebensmittelchemikerin und Toxikologin war damals in Dresden am Projekt beteiligt und forscht mittlerweile am Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke.

Bernhard Schneider hält auch Gastvorträge bei Diplomkursen für Imkereimeisterlnnen zu biologischer und nachhaltiger Honiggewinnung. Viele Maori besuchen diese Kurse, um durch das Handwerk eine Möglichkeit für ein sicheres Einkommen zu erwerben. Bild: Sonnentor.

Viele mögliche Vorzüge von Manukahonig sind bislang unentdeckt. 2019 etwa verwies das wissenschaftliche Journal c in einer Metastudie darauf, dass bislang kein Bakterium bekannt sei, das gegen die Wirkung von Manukahonig resistent ist. Wissenschaftlich belegt ist die Wirkung von Manukahonig auf den menschlichen Körper derzeit allerdings nur in der Wundheilung. Die angesehensten Wundkliniken setzen deshalb seit Jahren erfolgreich Manukapflaster zur rascheren und besseren Wundheilung ein. Wobei dafür keimfrei gemachter Honig verwendet wird, damit die Wunden nicht mit Sporen belastet werden, die sonst mehr Schaden als Nutzen bringen könnten. Vor einer unbedachten Heimanwendung mit im Bioladen oder Reformhaus gekauften Manukahonig sei also gewarnt.
Vorsicht ist aber auch beim Kauf von Manukahonig geboten. Denn mit geschätzten 10.000 Tonnen wird um ein Vielfaches mehr gehandelt als die jährliche Manuka-Ausbeute hergibt. Mit Unterstützung der neuseeländischen Regierung haben die ForscherInnen der Technischen Universität Dresden deshalb ein Verfahren entwickelt, mit dem sich Manukahonig von anderen Honigsorten und synthetischen Fälschungen unterscheiden lässt. Die ForscherInnen raten zu Manuka-Produkten, auf denen sich anerkannte Gütesiegel finden, auf denen auch der MGO-Wert auf der Verpackung angeführt wird.
Bernhard Schneider sieht hier inzwischen Klarheit hergestellt, vor allem durch die Implementierung eines Standards in Neuseeland, der untersucht, ob es sich bei einem Produkt um einen »reinen« Manuka (monofloral) oder einen »Manuka-Mischhonig« (multifloral) handelt. Wobei dieser Standard nur bei neuseeländischem Manuka zur Anwendung kommt – nicht etwa bei Honig aus anderen Myrthenarten aus Australien, wie Schneider betont.

Schutz vor Fälschungen
Um keine Fälschung zu kaufen, wird empfohlen, auf Prüfsiegel zu achten, die den Gehalt an Methylglyoxal (MGO oder UMF) ausweisen. Biosiegel bieten durch regelmäßige Kontrollen Sicherheit.

In der Golden Bay und in den Marlborough Sounds halten sich Bernhard Schneider, seine beiden angestellten Imker und seine Maori-MitarbeiterInnen, auf deren Land die Bienen immer wieder ausfliegen, klar an die Vorgaben aus seiner alten Heimat. »Neuseeland hat keinen Honigstandard, nur Empfehlungen«, sagt Schneider. »Wir orientieren uns klar an den EU-Honigstandards für biologische Produktion und testen regelmäßig auf Schadstoffe und Glyphosat.« Außerdem ist Schneider Mitglied im Demeter-Verband und arbeitet nach biodynamischen Prinzipien. Dabei werde »das Rundherum um den Bienenstock immer interessanter und wichtiger«: Die Energie zum Honigschleudern liefert eine Photovoltaikanlage, die Ware wird mit Hilfe von Sonnenstrom verpackt, die Seefracht CO2-kompensiert. »Aber CO2-neutral ist nicht genug. Wir müssen klimapositiv werden.« Aus dem Waldviertel weiß er: »Wenn dein Dorf brennt, dann rettest du nicht nur dein eigenes Haus.«
Rund um Ruby Bay haben Bernhard Schneider und sein Team deshalb 12.500 Bäume gepflanzt – ausschließlich solche, die ursprünglich in Neuseeland heimisch sind. Klarerweise auch: Manukasträucher und die besonders nektarreichen Cabbage Trees. »Beim Aufforsten arbeiten wir mit den PfadfinderInnen zusammen, die uns helfen, einen Verbissschutz aus mit Wachs eingespraytem Pappendeckel an den Bäumchen anzubringen. Er verhindert, dass die zarten jungen Pflanzen von Wild angefressen und beschädigt werden.«
Geerntet wird der Honig bevorzugt bei Neumond. Wissenschaftliche Begründung dafür gibt es keine. Doch: »Das hat mein Großvater im Waldviertel so gemacht und die Maori bei uns in der Gegend machen das traditionell genauso.« Also gibt es für Bernhard Schneider gar keinen Grund, an der bewährten Praxis etwas zu ändern. 

Ein Foto von Berhard Schneider mit Gläsern seines Manukahonigs.

Bernhard Schneider war einmal Hauptschullehrer, seit fast einem Vierteljahrhundert ist er nun Bio-Wanderimker in Neuseeland. Bild: Sonnentor.

Weitere Informationen über Bernhard Schneider und seine Manukahonig Produktion finden sich hier.

BIORAMA #83

Dieser Artikel ist im BIORAMA #83 erschienen

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