Manufaktur Lab: Handwerk, Wirtschaftskraft und Nation Branding

Sieglinde Eugenie Kathrein und Evelyn Appinger, die Gründerinnen von Manufaktur Lab. Bild: www.fuergestaltung.at

Sieglinde Eugenie Kathrein und Evelyn Appinger, die Gründerinnen von Manufaktur Lab.
Bild: www.fuergestaltung.at

Handwerk ist weder verstaubt, noch altertümlich: Das wollen Sieglinde Eugenie Kathrein und Evelyn Appinger mit ihrer Online-Plattform Manufaktur Lab unter Beweis stellen.

Die Sichtbarmachung von innovativen Handwerksbetrieben, die Vernetzung zwischen den unterschiedlichen Akteuren in diesem Bereich und die Gewinnung von neuen Zielgruppen für dieses Thema liegt den beiden Frauen am Herzen. BIORAMA traf Sieglinde Eugenie Kathrein zum Interview und sprach mit ihr über das Image des Handwerks und seine Zukunftsfähigkeit.

BIORAMA: In der Berichterstattung über traditionelles Handwerk oder bei der Präsentation von handwerklichen Fähigkeiten wird zwar oft die Frage nach der Zukunft dieser Fertigkeiten gestellt, aber kein Ausblick auf Innovationen in diesem Bereich gewagt. Hier setzt Manufaktur Lab an, oder?

Sieglinde Eugenie Kathrein: In den Medien wird das Handwerk sehr romantisierend dargestellt. Da sieht oder hört man dann eine Idylle und das schöne Landleben und so, was aber natürlich in keinster Weise der Realität entspricht. Der Ansatzpunkt von Manufaktur Lab ist es, die Wirtschaftskraft sichtbar zu machen. Klar sind auch das Handwerk als Kulturgut und das Arbeiten mit den Händen an sich von Bedeutung, aber Handwerk ist auch eine ganz reguläre Arbeit. Natürlich ist es schön, mit ausgewählten Materialien zu arbeiten, aber unter dem Strich geht es vor allem auch darum, wirtschaftlich zu agieren. Man will und muss mit diesem Berufszweig Geld verdienen, abseits dieser ganzen Verklärung. Manufaktur Lab ist es wichtig, die Handwerksbetriebe, die in Österreich verstreut sind, nachhaltig zu erfassen. Die Intention der Plattform ist es, diese Information zu bündeln und dann als entsprechender Werbeträger zu fungieren.

Warum hat das Handwerk kein gutes Image mehr? Warum braucht es Plattformen wie die Ihre?

Das schlechte Image des Handwerks kommt, denke ich, auch daher, dass in den 70er- und 80er-Jahren viele Menschen schon studiert hatten oder den Wunsch hatten, zu studieren. Da war weitläufig der Tenor „Jeder, der es zu etwas bringen möchte, muss studieren.“ Menschen, die da nicht über eine so große „schulische Intelligenz“ verfügt haben und mehr praktisch veranlagt waren, machten eine Lehre. Das waren dann allerdings immer weniger, weil es vermeintlich nichts geboten hat. Heutzutage sieht das schon wieder anders aus: Da gibt es zum Beispiel die Lehre mit Matura. Und es wurde mittlerweile auch erkannt, dass man mit einem handwerklichen Beruf eine gesicherte Zukunft haben kann. Wenn man die derzeitige Situation vieler Jungakademiker betrachtet und sieht, in welcher prekären Lebenlage diese oft stecken … Im Moment läuft da gerade ein Umkehrprozess, denke ich. Darüber hinaus sehe ich bei vielen jungen Leuten die Freude an handgemachten Produkten zurückkehren. Viele sind einfach konsu-gesättigt und die Sehnsucht nach Individualität ist groß.

Bild: guut – das bett

Bild: guut – das bett

Manufaktur Lab sieht sich als Brückenbauer. Ist die Plattform eher produzenten- oder konsumentenorientiert? Oder sollen möglichst beide Bereiche abgedeckt werden?

Uns geht es darum, diese beiden Bereiche zusammenzuführen. Das Ziel oder die Vision ist, dass Menschen, wenn sie auf der Suche nach etwas Speziellem aus dem Bereich Handwerk sind, wissen, dass sie das auf Manufaktur Lab finden können. Die Plattform soll in einem nächsten Schritt sehr interaktiv werden. Konsumenten und Produzenten bzw. Handwerker sollen miteinander in Dialog treten können. Hier soll eine eigene Dynamik entstehen. Weiters wollen wir die bestehenden Netzwerke wiederum miteinander vernetzen – es soll eine Art Dachplattform entstehen. Die kleinen Netzwerke sind darauf angewiesen, dass sie breiter, über ihr Umfeld hinaus gestreut und miteinander verbunden werden. Manufaktur Lab schaut dann, wo die Synergien liegen. In Tirol ist beispielsweise das Schafwollzentrum Ötztal mit dabei. Die Betreiber sind sehr aktiv und haben sich mit dem Textilen Zentrum in Haslach kurzgeschlossen. So werden alle Produkte aus Haslach, die gefilzt werden müssen, ins Ötztal geschickt. Was auch passieren soll, ist, das Handwerk mit neuen Technologien zu vernetzen.

Nation Branding, also eine auf ein ganzes Land ausgerichtete Imagestrategie, ist für Manufaktur Lab ein wichtiger Begriff. Wie sieht es auf dieser Ebene in Österreich, bezogen auf das Handwerk, derzeit aus?

Ich glaube, dass in Österreich Handwerk und Nation Branding noch gar nicht miteinander in Verbindung gebracht werden. Ich komme aus Tirol, aus einem großen Tourismusgebiet und beobachte schon länger, was denn die Menschen eigentlich mit Tirol verbinden – im Gegensatz auch zu Südtirol. Südtirol bedeutet für viele noch Tradition und Handwerk. Tirol dagegen steht heute eher für Schifahren und Tourismus und nichts mehr drum herum. In diesen Touristenorten gibt es natürlich diverse Gourmetgeschäfte, aber dort findet man dann kaum österreichische oder Tiroler Produkte. In Südtirol hingegen hat man schon erkannt, dass es notwendig ist, die selbst hergestellten Produkte zu präsentieren und mit ihnen Werbung zu machen. Meine Vision für Tirol wäre es, mit dem Handwerk neben dem Tourismus noch ein zweites Standbein aufzubauen. Handel, Tourismus, Handwerk – das kann ja ganz gut funktionieren.

Bild: Ötztaler Schafwollzentrum

Bild: Ötztaler Schafwollzentrum

Sie wollen auch junge Menschen erreichen und ihnen das Handwerk schmackhaft machen. Mein Bruder ist Bäcker und hat sicherlich viele Fähigkeiten erworben, kann sie aber in seiner derzeitigen Tätigkeit in dieser Branche überhaupt nicht umsetzen – seine Fertigkeiten verkümmern. Welche Strategien können Ihrer Meinung nach hier entgegenwirken?

Der erste Schritt ist hier bereits gemacht. Derzeit gibt es wieder eine Hinwendung zu kleinen Betrieben, die nach handwerklichen Grundsätzen arbeiten. Diese Großbetriebe haben ja nichts mehr mit Handwerk zu tun, das ist einfach ein Bedienen von Maschinen. Ich glaube, dass hier die Konsumenten noch stark gefragt sind. Sie müssen einfach ein Feingefühl oder ein Gespür dafür entwickeln, was ein handwerklich hergestelltes Produkt ausmacht. Die besagten Großbetriebe haben aber teilweise auch schon erkannt, dass das Handwerk wieder gefragt ist und handeln entsprechend.

Welche weiteren Schritte wollen Sie mit Manufaktur Lab setzen?

Jetzt steht vor allem im Vordergrund, dass wir die Plattform öffentlich machen, dass wir uns gut vernetzen und dass wir auch noch ein paar gewichtige Namen mit ins Boot holen. Es ist wichtig, dass jemand hinter uns steht und unsere Ideen gut findet. Es gibt das Netzwerk Land, das ist eine österreichweite Vernetzung seitens des Ministeriums für ein lebenswertes Österreich. Hier geht es vorrangig um eine regionale Wirtschaftsentwicklung. Wir konnten das Netzwerk Land als Partner gewinnen, darauf bin ich sehr stolz. Es geht natürlich auch darum, dass Menschen vor Ort, in den Regionen, die Idee mittragen. Wenn wir jetzt nur von außen kommen und unsere Ideen drüberstülpen, dann funktioniert das nicht. Es liegt mir fern, den Leuten etwas aufzuoktroyieren. Ihre Gedanken und Visionen müssen mit hineingebracht und dann auch umgesetzt werden.

Weiters schwebt uns noch vor, dass wir Symposien und Vorträge veranstalten. Auch Werkstattbegehungen sollen stattfinden. Und: Wir möchten eine Art Produkte-Austausch initiieren, sodass neue Ideen und Kooperationen entstehen. Wir wollen ganz stark in die Regionen gehen und ermöglichen, dass sich die Handwerker austauschen können. Das Ganze soll eine Lebendigkeit haben.

www.manufakturlab.at

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