Vom Einstieg in den Ausstieg

Bildschirmfoto 2014-02-03 um 18.13.16

Die Auszeit ist salonfähig geworden: Früher wurde Leistung in der Wirtschaft allein über Aufstieg honoriert, heute wird immer öfter auch mit Sinnstiftung bezahlt.

Lange Tage, steigender Erwartungsdruck, immerwährende Erreichbarkeit – das stresst auf Dauer, macht unzufrieden. Und so gönnen immer mehr Unternehmen ihren Mitarbeitern eine vertraglich garantierte Auszeit, inzwischen immer häufiger auch für Führungskräfte und Topmanager. Jeder, der es dann tatsächlich macht, steht aber vor der gleichen Frage: Was soll ich tun? Wie die Zeit nutzen? Mittlerweile haben sich mehrere Dienstleister darauf spezialisiert, beim Einstieg in den Ausstieg zu helfen. Helene Prölß, Gründerin der Stiftung Manager ohne Grenzen in Stuttgart, hatte 2007 die Idee, Führungskräfte mit sozialen Projekten zu vernetzen. »Manager haben oft ein großes Bedürfnis, sich karitativ zu engagieren«, sagt sie. „Auf der anderen Seite gibt es in Entwicklungsländern Bedarf an Expertise.« Manager ohne Grenzen hilft, beides zusammenzubringen. Die Organisation schickt erfahrene Führungskräfte für vier bis zwölf Wochen in Entwicklungs- und Schwellenländer, um dort in einem Hilfsprojekt mitzuwirken. Die Manager sollen vor Ort zu Unternehmensberatern für Entwicklungshilfeprojekte werden. Die Verantwortung bleibt bei den Trägern, der Einsatz der Führungskräfte ist auf drei Monate maximal beschränkt. Das Ziel: Hilfe zur Selbsthilfe.

Über Bekannte, die in der Entwicklungshilfe tätig sind, erfuhr die gelernte Betriebswirtin von Hilfsprojekten, die wirtschaftliche Beratung brauchten, um den nächsten Entwicklungsschritt machen zu können. So entwickelte sich die Idee bis hin zur Stiftung mit mehr als 40 Partnerprojekten. »Wir bieten Wirtschafts- und Managementwissen an, wir haben mittlerweile 600 Führungskräfte in unserem Pool, vom Ingenieur zum Mediziner, die bis zu drei Monate bei Projekten mitarbeiten. Und wir unterstützen nur Projekte, die nachhaltig und auf Dauer wirtschaftlich sind.« Die Projekte bewerben sich mit Wirtschaftsplänen, die tragfähig sein müssen. Das Spektrum reicht vom Fahrradreparaturbetrieb über den Aufbau einer Berufsschule bis hin zur Kooperative für Frauen, die Kleidung herstellen oder eine Demeter-Tee-Plantage. Die Führungskräfte verdienen in der Zeit ihres Einsatzes kein Geld. Dafür stellt das Hilfsprojekt Kost und Logis. Außerdem bekommen die Manager den Flug finanziert. Die Betreuung durch Manager ohne Grenzen als Mittlerorganisation ist umfassend, vom ersten Kontakt, den speziellen Vorbereitungen für den Einsatz bis zu einer erfolgreichen Rückkehr. Sie unterhält aber keine Projekte der akuten Nothilfe und will nicht in Krisenregionen präsent sein.

Kompetenz zur Selbsthilfe

Die Bewerber suchen meist neue Erfahrungen, die Möglichkeit für interkulturelle Kompetenz, persönliche Begegnungen und direktes Engagement. Die Erfahrungen seien durchwegs positiv, für die Teilnehmer und immer mehr auch für ihre Unternehmen, die im Rahmen von Führungskräfte-Entwicklungsprogrammen gerade die internationalen Erfahrungen im Bereich sozialer Kompetenzerweiterung sehr schätzten. Der Einsatz als Manager ohne Grenzen sei für viele Führungskräfte zur eigenen nachhaltigen Kompetenz-Erweiterung sehr gefragt, sie könnten ihre Auszeit sinnvoll nutzen und einen wesentlichen Beitrag für Veränderungs-Prozesse aktiv gestalten, so die  Initiatorin Helene Prölß. Der ideale Manager ohne Grenzen sei mindestens 30 Jahre alt, arbeits- und lebenserfahren. Eine Altersbegrenzung gebe es im Prinzip aber keine. Allerdings müssten die Kandidaten für einen Aufenthalt in den Tropen oder Subtropen gesundheitlich fit sein und mindestens vier bis sechs Wochen Zeit mitbringen. Wer das Bewerbungsverfahren erfolgreich hinter sich bringt, absolviert ein zweitägiges Intensivseminar, bei dem die Motivation getestet wird. Je nach Bedarf erhalten die Teilnehmer auch interkulturelle Trainings sowie Sprachkurse und werden auch bei der Entwicklung sozialer Kompetenz durch Workshops begleitet. »Uns sind Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility enorm wichtig. Unternehmen sollen nicht nur auf ihren Profit, sondern auf Arbeitsbedingungen, Mitarbeiter und nachhaltiges Handeln achten. Umso wichtiger ist auch die richtige Schulung der Manager, zumal der Einsatz eine fachliche und interkulturelle Herausforderung darstellt«, meint Prölß.

Know-how für alle

Einer, der nicht nur die Vorbereitungsphase erfolgreich durchlaufen hat, ist Armin Dieckmann, Vize-Präsident eines Autozulieferers und heute offizieller Botschafter von Manager ohne Grenzen. »Als ich 40 wurde, war ich an dem Punkt angelangt, an dem ich mich fragte, ob es etwas anderes als das Karrieremachen gibt. Bis zu diesem Zeitpunkt bin ich ohne viel zu reflektieren dem Motto schneller, höher, weiter gefolgt. Dies wollte ich ändern. Ich kam daher zu dem Entschluss, mich abseits der Karriereleiter ehrenamtlich zu engagieren. Ich wollte mein Wissen in ein Entwicklungsprojekt einbringen, einfach etwas tun, mit anpacken.« Helene Prölß stellte ihm drei Projekte vor, vermittelte ihn schließlich nach Nepal. Er sollte helfen, arme Nomadenfamilien für eine nachhaltige Waldnutzung zu begeistern, anstatt die Bäume zu roden. Das Konzept sah vor, ayurvedische Kräuter im Wald anzupflanzen, für die es einen Markt im Westen gibt. Er half, eine Schule aufzubauen, einen Businessplan zu erstellen, Lizenzen zu beantragen. Das Projekt, an dem Dieckmann mitarbeitete, gibt es immer noch, längst hat der nächste in seinen Fußstapfen das Konzept fortgesetzt. »In Nepal ging es darum, Impulse zu setzen, damit die Leute ihren eigenen Weg gehen und nicht darum, zu kontrollieren, zu bestimmen. Und so sollte es auch im Job sein«, sagt Dieckmann und hofft, mit seinem Beispiel auch andere Führungskräfte für eine nachhaltige Auszeit begeistern zu können.

Das jüngste Projekt von Manager ohne Grenzen ist das Studentenprogramm. Die Teilnehmer reisen im Tandemverfahren zusammen mit einem Manager als Mentor zu einem Projekteinsatz in ein Entwicklungsland. Das Programm zielt auf soziales Engagement, Wissenstransfer und die praktische Umsetzung in einem Non-Profit-Projekt. Die Studenten sollen dabei in Zukunft auch direkt im Studium vom Auslandseinsatz profitieren, sei es durch etwaige Credit-Points oder gute Bewertungen.

VERWANDTE ARTIKEL