Genießen für das Recht auf Nahrung

Bild: flickr.com/fian_international

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Vom 16. Oktober bis zum 10. Dezember startet Fian Deutschland bereits zum dritten Mal mit der Aktion Mahlzeit für Menschenrechte. Gastronomiebetriebe in Köln, Berlin und erstmals München engagieren sich für das Recht auf Nahrung und unterstützen die Arbeit von Fian.

BIORAMA: Mahlzeit für Menschenrechte verbindet sehr gelungen Genuss mit sozialem Engagement: Spenden wird zur Genusssache gemacht. Wie nehmen die Menschen dieses Angebot an?

Fian Deutschland: Wir haben die Rückmeldung der Gastronomen, dass die Gäste sehr positiv reagieren. Einige nehmen sich sogar unsere Flyer und betrachten ihn als eine Art „öko-sozialen Gastronomieführer“, da die teilnehmenden Restaurants alle mindestens eines der Kriterien biologisch, regional oder fair gehandelt mit bei der Auswahl ihrer Lebensmittel berücksichtigen und für die Kunden sichtbar machen.

Die Aktion Mahlzeit für Menschenrechte geht bereits in die dritte Runde. Können Sie uns einen kurzen Rückblick bzw. vielleicht auch einen Ausblick geben?

Grundsätzlich sind Aktionen in Restaurants immer eine Mehrbelastung für die Gastronomen, was dazu führt, dass einige nicht jedes Jahr teilnehmen möchten. Wir haben aber auch mehrere Standorte, die von Anfang an dabei sind und hiermit ihr Engagement zum Ausdruck bringen. In Zukunft überlegen wir, uns mehr auf Kantinen und Mensen zu konzentrieren, weil dort noch mehr Menschen erreicht werden können.

In Köln beteiligen sich die mit Abstand meisten Restaurants und auch zwei Kantinen an der Aktion. Ist das Zufall oder gibt es einen besonderen Grund dafür?

Der Grund ist ein praktischer: Die Geschäftsstelle von Fian Deutschland ist in Köln und hier können wir besonders gut Akquise machen. In Berlin und München wird die Akquise, die sehr aufwändig ist, teilweise von ehrenamtlichen Fian-Mitgliedern gestemmt.

Ich kenne diese Kombination aus Essen-gehen und dabei Gutes-Tun auch aus Österreich. In welchen Ländern findet die Aktion noch statt und ist sie dort auch erfolgreich?

Ehrlich gesagt waren die Österreicher, vielmehr die österreichische Fian-Sektion, unser Vorbild mit ihrer Aktion Mir isst es Recht. Dort gab es 2013 landesweit über 30 teilnehmende Restaurants. Leider pausiert die Aktion in Österreich in diesem Jahr. 2014 findet die Aktion nur in Deutschland statt, aber wer weiß – vielleicht kommen in den nächsten Jahren noch andere Länder hinzu.

Der volle Teller im Vergleich zum leeren Teller: Verschlägt es manchen Restaurantbesuchern bei der direkten Konfrontation mit diesem Thema nicht den Appetit?

Uns geht es nicht darum, mit Hungerbäuchen zu schocken. Das Material, das in den Restaurants aufliegt, zeigt vielmehr einen bis zum Überfluss mit Obst und Gemüse gefüllten Stand in Ecuador. Wir wollen zeigen, dass Nahrungsmittelvielfalt existiert und vor allem durch kleinbäuerliche Landwirtschaft gefördert und am Leben gehalten wird. Diese ist jedoch in extremem Maß gefährdet – weltweit werden Kleinbauern von ihrem Land vertrieben, da spekulative Fonds oder Agrarkonzerne sich mit Hilfe der örtlichen Eliten Land aneignen. Die deutsche Politik – und wir als Bürgerinnen und Bürger – können auf diese Entwicklung auf vielfältige Weise Einfluss nehmen. Mit der Aktion Mahlzeit für Menschenrechte wollen wir ein Bewusstsein dafür schaffen.

Welche Projekte kann Fian mit dem gespendeten Geld umsetzen bzw. unterstützen?

Als Menschenrechtsorganisation begleiten wir oft über Jahre hinweg Menschen, deren Recht auf Nahrung verletzt wurde. Unsere Arbeit besteht dabei nicht darin, Nahrungsmittelhilfe zu liefern oder Landwirtschaftsprojekte zu fördern. Stattdessen stellen wir sicher, dass die Menschen international Gehör finden. Gerade bei Landkonflikten führt die Spur oft nach Europa, zu großen Konzernen, Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit oder Privatbanken. Indem wir in Deutschland Aufklärungsarbeit betreiben und Verantwortliche herausfordern, leisten wir so einen Beitrag, dass Menschen zu ihrem Recht kommen. Im Rahmen der diesjährigen Aktion weisen wir vor allem auf den gefährlichen Trend hin, dass in Entwicklungsländern flächendeckend Grundnahrungsmittel mit Vitaminen angereichert werden sollen. Aus unserer Sicht werden davon vor allem internationale Pharmakonzerne profitieren, während die Lösung des Problems der Mangelernährung in der Bekämpfung von Armut zu suchen ist.

Mangelernährung gehört nicht nur in Entwicklungsländern zum Alltag. So zählt zu den Arbeitsfeldern von Fian Deutschland auch die Ernährungsarmut vor Ort. Können Sie uns die derzeitige Lage dazu schildern?

In Deutschland wurde in den letzten Jahren massiv der Niedriglohnsektor ausgebaut. Die Hartz-IV Reformen haben zudem dazu geführt, dass bei vielen Familien am Ende, oder schon in der Mitte des Monats das Geld ausgeht. Viele versorgen sich deshalb regelmäßig bei den Tafeln, laut Angaben des Bundesverbands der Deutschen Tafeln sind das 1,5 Millionen Menschen. Die Tafeln können dazu beitragen, dass Menschen sich besser mit Obst und Gemüse versorgen können, sie sind aber abhängig davon, welche Spenden sie erhalten. Aus menschenrechtlicher Sicht sind die Tafeln kein nachhaltiger Ansatz in der Bekämpfung von Ernährungsarmut. Letztlich muss es darum gehen, dass der Staat Verantwortung übernimmt und Regierung und Parlament Gesetze auf den Weg bringen, die helfen, die immer weiter klaffende Schere der Einkommens- und Vermögensverteilung in unserer Gesellschaft wieder zu schließen.

Ein weiteres Thema des Netzwerks ist die Geschlechtergerechtigkeit. Frauen in Entwicklungsländern werden dabei in den Fokus stellt. Wie stärkt Fian die Position dieser Frauen?

In den ländlichen Gegenden in Entwicklungsländern ist der Zugang zu produktiven Ressourcen wie Land und Wasser, aber auch zu Krediten, eine wichtige Voraussetzung, um sich von der Landwirtschaft ernähren zu können. Frauen haben jedoch in vielen Ländern und Gesellschaften nicht die gleichen Ansprüche auf Land wie Männer, oftmals werden sie auch durch das Erbrecht diskriminiert. Dort wo wir aktiv sind, analysieren wir deshalb immer die spezifische Situation der Frauen. Dies ist nicht immer einfach, da man damit oft an sensiblen Fragen rührt. Wenn sich Frauen organisieren und politisch aktiv werden, begeben sie sich deshalb oftmals in Gefahr. Als Menschenrechtsorganisation ist es für uns dann besonders wichtig, diesen Frauen durch internationale Aufmerksamkeit den Rücken zu stärken und einen gewissen Schutz zu bieten.

 

Startschuss für die Aktion ist der Welternährungstag am 16. Oktober. Zum letzten Mal wird die „Mahlzeit für die Menschenrechte“ am 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte, serviert. Weitere Infos unter www.fian.de

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