Das überschätzte Produkt
„Welches Produkt ist in der kulinarischen Welt überschätzt?“ – das hat sich die BIORAMA-Redaktion gefragt und Kennerinnen und Kenner der Kulinarik um Antwort gebeten.
Bianca Gusenbauer, Gründerin der Geheimen Schnatterei
„Abgepackter gemahlener Pfeffer hat nur die Funktion eines Niespulvers und daher ausschließlich als Faschingsgag eine Berechtigung. Sämtliche Aromen haben sich beim gemahlenen Pfeffer verflüchtigt, der außerdem zu einer Pfeffer-Unkultur und Pfeffer-Ignoranz in Österreich geführt hat.
Sehe ich gemahlenen Pfeffer am Esstisch stehen, dann weiß ich, wie der Hase in diesem Restaurant/Haus läuft beziehungsweise was ich erwarten kann. Verbieten müsste man ihn!“
Severin Corti, Restaurantkritiker
„Bio-Lebensmittel im Allgemeinen empfinde ich als überschätzte Produktgruppe. Weil das Bio-Label in Märkten, wo Lebensmittelqualität seit dem Wirtschaftswunder wenig Stellenwert hatte – also etwa in Deutschland oder Österreich – suggeriert, ein Garant für geschmackvolleres Essen sein zu können. Dabei ist Bio in den meisten Fällen längst ein willkommenes Mäntelchen für schlimme Hervorbringungen der Lebensmittelindustrie. Wirklich gute Produkte haben es dadurch schwerer, sich durchzusetzen. Freilich: Wie überall gibt es Ausnahmen.“
Und ohne das macht das Leben keinen Spaß: „Sardellen. Schlicht und einfach.“
Nina Kaltenbrunner, À la carte – Magazin für Ess- und Trinkkultur
„Ich finde, dass das aktuell so gehypte (Beef)Steak, ein völlig überschätztes Produkt ist. Nicht nur, dass die gesamte Aufzucht der Rinder ökologisch ein absoluter Wahnsinn ist, gibt es meiner Meinung nach auch geschmacklich, viel interessantere Fleischteile.“
Und ohne das macht das Leben keinen Spaß: „Gutes Brot und frische Bauernbutter.“
Bild: Heinrich-Böll-Stiftung, BUND, Le Monde diplomatique – CC-BY-SA
Karim Blanc, Flying Cook und Held der BIORAMA-Mittagspause
„Meiner Meinung nach ist Fleisch ein überschätztes Produkt. Es scheint, als wäre in unseren Köpfen nach wie vor Fleisch die einzige Proteinquelle, aber eigentlich sind pflanzliche Proteine für uns viel besser. Und auch besser für unsere Umwelt! Es wird eine Weile brauchen, bis Menschen den Zugang zu Fleischkonsum ändern. Ich glaube, es wäre wichtig, Menschen mehr über Alternativen aufzuklären: zum Beispiel durch Veränderungen im Angebot der Schulkantinen und Entwicklungen in der Lebensmittelindustrie.“
Und ohne das macht das Leben keinen Spaß: „Salz ist das Produkt, auf das man auf keinen Fall vergessen darf. Jedem, der am Tisch sitzt und mit dir isst, würde es auffallen. Man kann es nicht ersetzten. Obwohl: Ich habe gehört, im Noma in Kopenhagen wird Salz mit gemörserter Ente ersetzte – das ist aber weniger vegan.“
Jürgen Schmücking, BIORAMA-Autor, www.genuss.cc
„Die Klassiker an überschätzten Produkten: Kaviar, Hummer. Aber auch: Bärlauch und Spargel. Die beiden gehören für mich zu den schlimmsten saisonalen Waren. Der Grund für die Überschätzung: Bei beiden, ehrlich gesagt, keine Ahnung. Sensorisch sind sowohl Bärlauch als auch Spargel höchstens mittelmäßig interessant. Bärlauch ist nur in sehr dosierter Form ein (kulinarischer) Gewinn, genau das wird in der Regel aber nicht eingehalten. Spargel schmeckt ebenfalls für sich genommen nicht nach viel und lebt von der Zubereitung und der Weinbegleitung. Sehr entbehrlich, die beiden.“
Und ohne das macht das Leben keinen Spaß: „Schaumwein, vorzugsweise Champagner. Wenn irgendwie möglich Blanc de Noir. Das ist ein Getränk, das an Esprit, Eleganz und Lebensfreude nicht zu überbieten ist.“
Sophia Hoffmann, Köchin und freie Journalistin
„Da ich mich fast ausschließlich vegan ernähre, lautet meine Antwort natürlich: tierische Produkte! Kuchen schmecken fantastisch ohne Eier, viele Gerichte benötigen kein Fleisch, Rahm oder Butter. Feine pflanzliche Öle, Nüsse und Saaten sind gesünder und werten Gemüse enorm auf. Prinzipiell empfehle ich das „Weglassen“-Prinzip aber auch, um die Geschmacksnerven wieder zu sensibilisieren. Ohne Zucker, Salz, Rahmsoße kommt der natürliche Geschmack vieler Lebensmittel erst wieder richtig zur Geltung.“
Und ohne das macht das Leben keinen Spaß: „Nüsse!“
Katharina Seiser, freie Kulinarik-Journalistin & Autorin, www.esskultur.at
„Joghurt. Mir ist unerklärlich, warum es Regalmeter voller Joghurt in zig Geschmacksrichtungen, fast ausschließlich aus konventioneller Milch (Tierhaltung!) mit Aromen (Täuschung!), gibt. Warum die Menschen so viel Joghurt essen. Löffeln. Trinken. Weil es so „gesund“ ist? Warum ist es so gesund? Weil es „wenig Fett“ enthält? Wer sagt, dass das gesund ist? Und wie wäre es stattdessen mit einem Apfel? Neutrales Bio-Joghurt – so fettes, aromatisches, dickes wie nur möglich – verwende ich im Sommer ganz gerne für pikante Saucen mit vielen frischen Kräutern, manchmal auch mit frisch gerösteten Nüssen und Kastanienhonig zum Frühstück. Fruchtjoghurt esse ich nie.“
Und ohne das macht Leben keinen Spaß: „Butter. Im Gegensatz zu Joghurt ist richtig gute Butter so gut wie nirgendwo zu bekommen. In keinem normalen Supermarkt, aber auch keinem Bio-Fachgeschäft gibt es anständige heimische Bio-Butter, Süßrahm, Sauerrahm, Rohmilch, ungesalzen, leicht gesalzen, ordentlich gesalzen. Meines Wissens nach gibt es überhaupt kein Geschäft in Österreich, in dem ich all diese Bio-Buttersorten bekommen könnte. Das ist schade, denn gute Butter gehört gemeinsam mit gutem Brot (genauso schwer zu bekommen) zu den besten Mahlzeiten, die ich mir vorstellen kann. Nichts ist mir während meines veganen Selbstversuches im Jänner so abgegangen wie meine Lieblingsbutter.“