»Er ist da« – ein Wolf-Buch ohne rosa Brille

»Ein wichtiges Buch, das genau zur richtigen Zeit kam.« Wolfforscher Kurt Kotrschal über »Er ist da«, das Wolf-Buch des Wildbiologen Klaus Hackländer

Kurt Kotrschal empfiehlt eine – allerdings kritische – Lektüre von »Er ist da. Der Wolf kehrt zurück.«, dem Buch seines Kollegen Klaus Hackländer. (Foto: Biorama)

In der Debatte um die Rückkehr des Wolfs nehmen Klaus Hackländer und Kurt Kotrschal mitunter kontroverse Standpunkte ein. Beider Einschätzungen werden vieldiskutiert – zuletzt »Er ist da. Der Wolf kehrt zurück.«, das Buch des Wildbiologen Hackländer, der an der Wiener BOKU das Department für integrative Biologie und Bdiversitätsforschung leitet. Kurt Kotrschal, selbst Professor im Ruhestand, ist einer der GründerInnen des Wolf Science Center in Ernstbrunn und hat sein wissenschaftliches Leben in den vergangenen Jahrzehnten der Erforschung des komplexen Verhältnis von Mensch, Hund und Wolf gewidmet, dazu mehrere erfolgreiche Bücher verfasst und engagiert sich als Sprecher der AG Wildtiere.
Für BIORAMA hat der pensionierte Professor Kotrschal das Buch seines jüngeren Kollegen besprochen:

Kotrschal über Hackländer – die Buch-Besprechnung:

Endlich ein Buch, das die dynamische Entwicklung der Wölfe in Europa und die Situation in Österreich umfassend behandelt! Klaus Hackländer ist einer jener wenigen heimischen WildbiologInnen, die sich um das Konflikttier Wolf kümmern. In 41 Kapiteln behandelt er in einem graphisch und mittels Zitaten und Bebilderung ansprechend gestaltetem Buch die zentralen Themen und Fragen einer allzu oft irrationalen Wolfsdiskussion. Etwa zur Zuwanderung, zur Biologie und Vermehrung, zur angeblichen »Mordlust« der Wölfe, zur Alm- und Weidewirtschaft, Kompensationszahlungen, legalen und illegalen Abschüssen, zur Frage, wieviele Wölfe das Land verträgt, etc.

Es entstand ein knapper, gut lesbarer Text, eine Übersicht, naturgemäß auf Kosten des Tiefgangs. Hackländer schreibt betont sachlich, aber nicht immer neutral. Sein Bemühen ist zu merken, auch von jenen gelesen und ernst genommen zu werden, die so gar nicht einsehen wollen, warum man mit ein paar Wölfen leben kann und soll. Das könnte ihm den Vorwurf eintragen, dem Geschmack der Jagdlobby entsprechen zu wollen. Verräterisch auch, dass ausgerechnet der Schauspieler und Bergbauer Tobias Moretti ein Vorwort verfasste, welches abgedroschene Anti-Wolf-Klischees wiederkaut und für eine Abschwächung des Schutzstatus der Wölfe durch die Fauna-Flora-Habitatrichtlinie der EU plädiert. Das tut dann auch der Autor, der immer wieder positive Argumente gegen den strengen Artenschutz und für ein jagdliches Management findet. Aber nicht nur. Er betont auch mehrfach, dass Abschuss und Bejagung der Wölfe Weidetiere nicht zu schützen vermag und dass es klüger ist, Rudelbildung zuzulassen, als mit der ständigen Bedrohung durch Zu- und Durchwanderer zu leben. Und er stellt klar, dass an einem sachgerechten Herdenschutz kein Weg vorbeiführt.

Hackländer hat sein Buch in Form von Antworten auf häufig gehörte Fragen aufgebaut. Im Vorwort von Schauspieler Tobias Moretti stößt sich Kurt Kotrschal an Anti-Wolf-Klischees. (Foto: BIORAMA)

Die eine Antwort gibt auch die Wissenschaft nicht.

Hackländer beansprucht für sein Buch, dass es auf dem neuesten Stand der Wissenschaft sei, und erlaubt, rasch authentische, »wissenschaftlich begründbare« Antworten findet; eine elegante Umschreibung dafür, dass auch die beste Wissenschaft nicht nur EINE Antwort auf den Wolf zulässt. Immer wieder werden zwischen den Zeilen oder in Nebensätzen negative Klischees gestreut und Nebel geworfen, auch indem zu manchen Themen die Auslassungen dominieren, wie etwa zur Hybridisierung mit Hunden. Die schwächsten Teile des Textes behandeln Verhalten und Grundlagenforschung. So etwa ist seine Überzeugung durch nichts gerechtfertigt, dass nur der regelmäßige Beschuss Wölfe scheu halten kann. Hier wird das Buch seinem im Vorwort geäußerten Anspruch nicht gerecht, »profundes Wissen über das wahre Wesen der Wölfe« zu vermitteln (was soll dieses »wahren Wesen« eigentlich sein?!). Der Autor gibt sich hier unnötige Blößen, er scheint die Bedeutung der komplexen sozialen Organisation der Wölfe – auch für die Grundlagenforschung – nicht zu verstehen, bzw. bewusst herunterzuspielen. Will er den Stammtischen nach dem Mund schreiben, indem er diese zentralen Aspekte zum Verständnis der Wölfe lächerlich macht? Wäre nicht nötig gewesen, denn die tun sich ohnehin schwer mit dem sinnerfassenden Lesen. Dennoch: ein wichtiges Buch, das genau zur richtigen Zeit kam. Es sollte – nein, müsste – von allen gelesen werden, die auch nur entfernt an Wölfen und Natur interessiert sind, allerdings mit einer kritischen Brille; und die ist sicherlich nicht rosa.

Klaus Hackländer: »Er ist da. Der Wolf kehrt zurück.« (224 Seiten) ist 2020 im Ecowin Verlag erschienen.

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