Kost-barer Boden: Über Wein, Terroir und Grundlegendes

WeinkennerInnen sprechen gerne vom Terroir und versuchen den Geschmack des Bodens im Wein wiederzufinden. Auch wenn es wohl nur geübte Gaumen schmecken - im Wein entfalten sich die Aromen, die durch die Sonne und die im Boden gespeicherten Nährstoffe entstanden sind, als „Geschmack des Bodens“. Eindrücke vom Tasting_Forum 80.

Vielfalt aus Österreichs Bioweinbergen. (Foto: Reinhard Gessl)

Genau diesem widmete sich das Tasting_Forum 80 „Kostbarer Boden“ und nutzte dazu den prächtigen Rahmen der Biofeldtage 2018 in Donnerskirchen. Das gute Wetter lockte an den beiden Feldtagen 8000 Bio-Interessierte zur Bio-Leistungsschau ans Westufer des Neusiedlersees. Auf 70 Hektar zeigten mehr als 150 AusstellerInnen was Bio zu bieten hat, Fachvorträge, Workshops, geführte Exkursionen sowie ein Hoffest mit kulinarischen Bio-Köstlichkeiten sorgten an beiden Tagen für ein vielfältiges Rahmenprogramm.

Das Tasting_Forum 80 „Kostbarer Boden“ war einer der besonderen Programmpunkte und versprach eine ambitionierte Bio-Boden- und -Weinverkostung im idyllischen Gartenbereich des Biolandguts.

Anderer Boden, anderer Geschmack. Ein Vergleich beim Tasting_Forum (Foto: Reinhard Gessl)

Boden gut machen
Vielfach unterschätzt und ignoriert ist der Boden eines unserer kostbarsten Güter. Wir nutzen Böden zwar, als wären sie unerschöpflich, doch als Folge einer intensiven Bewirtschaftung reicht oft ein starker Regenguss oder ein Sturm aus, um eine über mehrere tausend Jahre entstandene Schicht fruchtbaren Bodens unwiederbringlich weg zu schwemmen bzw. zu verblasen. In den letzten 40 Jahren ist weltweit etwa ein Drittel des Ackerbodens durch Erosion verloren gegangen.

Die Landwirtschaft, die selbst von der Qualität der Böden abhängt, trägt eine Mitverantwortung. Monokulturen, Pestizide und Mineraldünger, schwere Maschinen, intensive Bodenbearbeitung und Bewässerung setzen der Bodenfruchtbarkeit zu. Dies mindert sowohl Ernteerträge als auch die wichtige Fähigkeit des Bodens, Kohlenstoff und Wasser zu speichern und damit aktiv zum Klima- und Hochwasserschutz beizutragen. Auch die ökonomischen Kosten der Bodendegradation sind enorm: WissenschaftlerInnen schätzen, dass sie weltweit pro Jahr 300 Milliarden Euro betragen.

In der biologischen Landwirtschaft hingegen gehört die langfristige Sicherung und Steigerung der Bodenfruchtbarkeit zu den wesentlichen Grundprinzipien. Ihr Credo: Ein fruchtbarer Boden bildet die Grundlage für Wachstum, Ertragsfähigkeit und Qualität von Pflanze und Tier und somit auch für das menschliche Wohlergehen. Seine Bedeutung kann also nicht hoch genug eingeschätzt werden. Der Biowinzer Franz Weninger, der beim Tasting_Forum für fachlichen Input und zwei der verkosteten Weine sorgte, sieht das ebenso. Er sagt auch, dass sich die unterschiedlichen Facetten der Böden im Wein widerspiegeln und er ist überzeugt, dass der Charakter einer Lage nur auf einem lebendigen Boden spürbar wird. Doch wenn sich unterschiedliche Böden in den Geschmacksnoten des Weins wiederfinden, wie schmeckt dann der Boden selbst auf dem die Weine wachsen? Das galt es im Rahmen des Tasting_Forums „Kostbarer Boden“ zu klären.

Wie immer gut besucht: das Tasting_Forum. Diesmal im Rahmen der Biofeldtage 2018 im Burgenland. (Foto: Reinhard Gessl)

Wir verkosten ein Spritzmittel
Der Verkostungsnachmittag begann mit einer Spritzmittelverkostung. Der Bio-Schafgarbentee mit einem Hauch Bio-Thymian machte sehr eindringlich bewusst und erlebbar, dass die in der Bio-Landwirtschaft eingesetzten Pflanzenstärkungsmittel (fast immer) gut schmecken und problemlos verkostet werden können.

In weiterer Folge galt es Weine den zugehörigen Bodeneluaten – einfacher gesagt: filtrierte Bodenlösungen – zuzuordnen. Was soll man sagen – die sehr subtilen Geruchs- und Geschmacksinformationen der Böden und die Zuordnung zu den exzellenten Bio-Weinen wurden zu einer heroischen Aufgabe. Als der Bio-Winzer zu den Weinen aber Fotos der zugehörigen Böden verteilte erwies sich die visuelle Zusatzinformation als überraschend hilfreich, sodass doch ein Großteil der VerkosterInnen die Weine dem korrespondierenden Boden bzw. dem Bodenbild zuordnete. Zufall oder nicht? Interessant allemal – und die Weine waren sowieso großartig:

Offensichtlich: der Wert von hochwertigem Biowein als Genussmittel (Foto: Reinhard Gessl)

Birgit Braunstein, PetNat Rosenquarz 2017
Ein Boden-PetNat, wie er im Buche steht. Das betrifft sowohl die Terroir-Noten, die von Zweigelt und Baufränkisch-Trauben transportiert werden, wie auch die ganz grundlegend bodenständige Note, die an Waldboden erinnert. Der Wein wird nach alter Schaumweinmethode, der methode ancestrale, nur einmal in der Flasche vergoren. Jedenfalls ein fulminanter Einstieg.

Kloster am Spitz, Chardonnay, Muschelkalk R
Helles Goldgelb, an den Glasrändern intensive und langsam abfließende Schlieren. Der Muschelkalk R (das R steht für Reserve) lässt von Beginn an keine Fragen offen und sagt lautstark „Ich bin ein kraftvoller Wein, ein Echo, das vom Leithaberg weit über den See hallt.“ In der Nase dominieren noch die Barrique-Noten, werden aber gut von den klassischen Chardonnay-Tönen getragen.

Birgit Braunstein, Blaufränkisch Magna Mater
Die Linie heißt Magna Mater und steht für die naturbelassensten und authentischsten Weine von Birgit Braunstein. Der Wein wurde in einer vergrabenen Amphore ausgebaut und besticht gleich in mehrfacher Hinsicht. Kristallklare Sortentypizität, Lebendigkeit und Langlebigkeit. Dann ist da noch der butterweiche Gerbstoff, der den Wein zum absoluten Erlebnis macht.

Weingut Weninger, Blaufränkisch Steiner
Die Lage Steiner liegt auf der anderen Seite der Grenze. Genauer gesagt in Sopron/Ödenburg, und der Name ist quasi Programm. Geht man durch die Riede, finden sich am Boden faust- bis kindskopfgroße Steine, Gneis und Glimmerschiefer, die für Durchlässigkeit und daher heißen und trockenen Boden sorgen. Der Wein selbst ist dadurch straff und geradlinig, würzig und beerig.

Weingut Weninger, Blaufränkisch Kalkofen
Wieder auf der österreichischen Seite liefert der Kalkofen einen viel breiteren, fast cremigeren Blaufränkisch, als der Brudergarten in Ungarn. Am Gaumen meint man den Kalk fast zu spüren, wie eine feine, elegante Lehmschicht. Man merkt sofort, dass der Weingarten kühl ist. Der Wein wirkt juvenil, fast erfrischend.

Kloster am Spitz, Syss
1994. Also vor fast einem viertel Jahrhundert wurden am Leithaberg Trauben in der Kategorie „Beerenauslese“ gelesen. Sämling 88 (oder Scheurebe) und Neuburger. 2016 bekam die Beerenauslese ein neues Kleid, sprich neue Flaschen. „Re-Bottling“ quasi. Der Wein: vibrierende Säure, Marille, Blütenhonig, Akazienblüte, Korinthen und Zibeben. Hammer!

Weitere Infos zu den Tasting_Foren unter www.biodreinull.at



Bio-Wissen
Vielfach unterschätzt und ignoriert ist der Boden eines unserer kostbarsten Güter. Als komplexes Ökosystem stellt er die Basis für Gesundheit, Ertragsfähigkeit und Qualität von Pflanze und Tier und somit auch für das menschliche Wohlergehen dar. Monokulturen, Pestizide und Mineraldünger, schwere Maschinen, intensive Bodenbearbeitung und Bewässerung setzen der Bodenfruchtbarkeit zu. Dies mindert sowohl Ernteerträge als auch die wichtige Fähigkeit des Bodens, Kohlenstoff und Wasser zu speichern und damit zum aktiven Klima- und Hochwasserschutz beizutragen.Im Biolandbau gehört die langfristige Sicherung und Steigerung der Bodenfruchtbarkeit daher zu den wesentlichen Grundprinzipien. Maßnahmen, die zum Humusaufbau und zur Förderung des Bodenlebens beitragen, wie der Anbau von Mischkulturen und Leguminosen, vielfältige Fruchtfolgen oder organische Düngung, sind in der biologischen Landwirtschaft eine Selbstverständlichkeit.Vor allem die organische Substanz, also alle Bodenbestandteile belebten Ursprungs, spielt im komplexen System Boden eine wesentliche Rolle. Ohne Humus und Bodenorganismen gibt es keine Bodenfruchtbarkeit: Erosionsanfälligkeit, Stabilität, Wasserspeicherfähigkeit, Nährstoffmobilisierung, Durchlüftung, Kohlenstoffspeicherung und Lebensraumfunktion des Bodens – sie alle hängen vom Gehalt der organischen Substanz ab. Und auch wenn der Anteil lebender Biomasse an der organischen Gesamtsubstanz gering ist, sind Böden höchst lebendig. In einem Gramm fruchtbaren Boden leben Milliarden unterschiedlichster Lebewesen – von Bakterien bis Regenwürmer. Je nach Schätzungen sollen ein Viertel  bis zu zwei Drittel aller Arten der Welt versteckt unter der Erdoberfläche leben.Humus und Bodenorganismen können für die Fruchtbarkeit von Böden nicht hoch genug eingeschätzt werden. Im Biolandbau setzt man daher auf aktiven Humusaufbau und ist bemüht die unterirdischen Nutztiere bei ihrer Arbeit zu unterstützen.

 

 

Über die Veranstaltungsreihe:
Das Tasting_Forum ist eine seit 2010 bestehende Best-Practice-Serie von Bio-Lebensmittelverkostungen. Ziel der zehnmal jährlich stattfindenden Veranstaltungsreihe ist es, biologische Lebensmittel unterschiedlicher Kategorien und Verarbeitungsgrade zu präsentieren, das weite Genusspotenzial der ausgewählten Produktgruppen in Bio-Qualität aufzuzeigen und die Vorzüge der „Bio-Produktion“ darzustellen. Seit 2017 begleitet BIORAMA das Tasting_Forum als Medienpartner.

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