Des Kaisers fesche Kleider
Was tun, wenn der Kleiderschrank überquillt, aber man trotzdem nichts zum Anziehen hat? Man geht zur Fesch’Tauschbörse. Denn tauschen ist seliger denn kaufen.
Da steht er, der Kleiderhaufen, aus dem ich über die letzten Jahre geschmacklich und leider auch körperlich herausgewachsen bin. Seit Monaten wartet er schon darauf, verkauft zu werden, doch in einer Welt in der jeder schon alles hat, erfordert das viel Geduld, die ich einfach nicht habe. Deshalb wiege ich ihn einmal ab, genau 5 kg, sehr gut! Und dann ab damit zum Vintage Stadl in der Berggasse 29. Dort findet nämlich die Fesch‘Kleidertauschbörse statt, wo man seinen Ballast gegen den Ballast anderer eintauschen kann. Übrig gebliebenes Gewand wird an die Hilfsorganisation, happy.thankyou.moreplease gespendet. Bücher gehen an die Volkshilfe.
Vor einem Eisentor heißen mich ein Schild und der ikonische „Fesch“-Schriftzug willkommen. Ein Gang führt mich in einen gut erhaltenen Innenhof. Es ist sauber, cool, typisch für den neunten Bezirk. Eine große Tür mit der Überschrift „Sonderwaren“ ist der Eingang zum Vintage-Stadl. Davor hat sich bereits eine Schlange gebildet. Ich bin mit meinem Kleidersack in bester Gesellschaft, denn über das Wochenende verteilt werden über 500 Menschen die Kleidertauschbörse besuchen. Drinnen läuft unaufdringliche elektronische Musik, die Decken sind hoch, durch die großen Fenster fällt frühlingshaftes Sonnenlicht auf in Kisten wühlende Hipster. Im hinteren Bereich stehen alte, liebevoll restaurierte Möbel, die man zu erschwinglichen Preisen erstehen kann. Ich gebe meinen Kleidersack ab, er wird mit einer alten gelben Waage gewogen, dafür bekomme ich 5 Kilobons. Die Tauschgebühr beträgt 5 Euro, womit der Tauschmarkt finanziert wird. Jetzt darf ich mich zu den anderen gesellen und ebenfalls wühlen. Ich finde allerdings nicht viel, das mir wirklich gefällt.
Lisa, 27 hat da offenbar mehr Glück. Sie kann ihren Blick kaum von den Kisten lösen. Auch sie hat über Facebook von der Veranstaltung erfahren. Sie findet den Kleidertausch „ur leiwand, viel besser als einen Flohmarkt“, weil man seine Sachen anbringen kann, ohne dafür einen Stand betreiben zu müssen. Dadurch hat man die Freiheit, sich selbst umzusehen „und die Location ist auch ur cool“, sagt sie. Den Betreiberinnen gefällt es ebenfalls. Die Tauschbörse findet in diesem Jahr erstmals außerhalb von Ottakring statt und das Vintage-Stadl passe sehr gut zum Fesch’markt, heißt es. Auch Peter, 59, findet das Ambiente „irrsinnig schön. Und der Markt… ja, es ist eh super. Es ist angenehm da.“ Er wirkt nicht ganz so begeistert, wie Lisa. „Nein, hier sind vorwiegend Frauen.“, sagt er. „ Ich bin überhaupt, wie ich seh, der einzige Mann da herinnen.“ Die Anzahl der männlichen Teilnehmer steigt zwar stetig – dieses Mal sind es sogar 25% – doch die Auswahl an Männerkleidung ist immer noch dürftig und daher muss er sich damit zufrieden geben, auf seine Frau zu warten. Auch Lukas, 25, ist enttäuscht. Er ärgert sich über die 5 Euro Tauscheinsatz, die er gezahlt hat, nur um am Ende mit leeren Händen wieder nach Hause zu gehen. Wenigstens hat er für seine Freundin etwas gefunden. Franziska, 18, ist mit ein paar Freundinnen hergekommen, die ebenfalls über Facebook von dem Event erfahren haben. Die Social-Media-Plattform ist das wichtigste Kommunikationsinstrument der zweimal im Jahr stattfindenden Fesch’Kleidertauschbörse. Die Mädchen freuen sich vor allem über die Gelegenheit, modische Kleidung zu bekommen, ohne Fast Fashion zu unterstützen oder viel Geld auszugeben, was auch im Sinne der Veranstalterinnen ist. „Es ist auch voll nett hier. Da sitzt man so rum, trinkt mal was mit Freunden, schaut immer mal wieder, schon sehr nett, eine gute Nachmittagsbeschäftigung.“
Das ist wahr. Man kann wirklich das ganze Wochenende im Stadl verbringen, denn mit jedem neuen Marktbesucher kommen neue potentielle Lieblingsstücke zur Tür hereingeschneit. Ich werde solche Events im Auge behalten. Vielleicht habe ich bis zur nächsten Kleidertauschbörse im Herbst einen neuen Kleiderhaufen oder ein paar Bücher, die ich gegen andere Sachen tauschen kann.