Wertvolle Fracht

Lastenräder werden ob ihrer Belastbarkeit und ihres Stauraums immer beliebter. Wie gut eignen sie sich zum Kindertransport?

Bild: Istock.com/Aleksandar Nakic.

Zur Arbeit fahren und vorher noch das Kind in den Kindergarten bringen – ein Weg, den viele Eltern mit dem Auto zurücklegen. Doch es gibt auch Möglichkeiten, um Kinder sicher und komfortabel mit dem Rad zu transportieren. Während auf einem Kindersitz nur ein Kind transportiert werden darf und es in Anhängern mit zwei Kindern knapp wird, haben in einem Lastenrad bis zu vier Kinder Platz. Zudem hat man auf einigen Lastenradmodellen seine Kinder direkt im Blick und kann mit ihnen kommunizieren. Doch wie kindersicher sind Lastenräder und welches Modell eignet sich für wen? Kinder unter acht Jahren brauchen auf einem Fahrrad einen Kindersitz, was wiederum bedeutet, dass man ein Kind pro Fahrrad mitführen darf. Will man zwei Kinder mitnehmen, kommen also nur noch Lastenräder und Fahrradanhänger infrage, die Mitnahme von mehr als zwei Kindern mit dem Fahrrad ist nur mit dem Lastenrad möglich.

Lastenräder werden beliebter
Am beliebtesten sind Transporträder mit elektronischer Unterstützung. Knapp 120.000 Stück wurden laut dem deutschen Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) 2021 in Deutschland verkauft.

In Österreich wurden laut dem Verband der Sportartikelerzeuger und Sportausrüster Österreichs (VSSÖ) im gleichen Zeitraum nur 2230 E-Lastenräder und 470 nicht elektrische Lastenräder verkauft – dennoch doppelt so viele wie im Vorjahr.

Achtung auf Ausflügen

Im europäischen Ausland gibt es hinsichtlich des Kindertransports auf Fahrrädern Unterschiede zur Gesetzeslage in Österreich: Laut der deutschen Straßenverkehrsordnung etwa dürfen Kinder ab einem Alter von sieben Jahren nicht mehr in Fahrradanhängern und -sitzen transportiert werden. Ausgenommen davon sind Kinder mit Behinderung. Somit sind auf den Personentransport ausgelegte Lastenräder die einzige Option in Deutschland, um Kinder nach dem vollendeten siebten Lebensjahr mit dem Fahrrad zu transportieren. Da es in Deutschland keine Helmpflicht gibt, müssen Kinder auf Lastenrädern keinen Helm tragen. Die Auflagen zum Sitzplatz, den Gurtsystemen und dem Schutz vor den Fahrradspeichen und dem Boden gelten wie in Österreich.

Zweiräder

Auf der Sitzbank eines Long John haben zwei oder vier Kinder Platz. Bild: ADAC/Uwe Rattay.

Lastenräder gibt es mittlerweile in vielen Formen und Ausführungen, dennoch lassen sie sich grundsätzlich in einspurige und mehrspurige Modelle einteilen. Für den Kindertransport eignen sich – unabhängig von der Antriebsart – beide Arten. Auf einspurigen Modellen wie dem »Long John« – Name aller Lastenräder mit tief liegender Ladefläche zwischen Lenker und Vorderrad – ist Platz für eine Transportkiste, die man je nach Modell mit bis zu 100 Kilo beladen kann und in der zwei Kinder auf einer Sitzbank Platz nehmen können, in manchen Modellen finden zwei solche Sitzbänke Platz. Fährt nur ein Kind mit, ist auf der Fläche noch genug Platz für Einkäufe. Ein weiterer Vorteil: Bei Frontladern hat man seine Kinder stets im Blick. Andere einspurige Lastenräder, die sich für den Kindertransport eignen, sind sogenannte Backpacker: Fahrräder mit verlängertem Heck, auf dem sich Kindersitze installieren lassen. Mit ihnen können zwar zwei Kinder auf einmal transportiert werden, in Österreich ist aber im Gegensatz zu Deutschland nur der Transport eines Kindes auf diese Weise erlaubt. Anders als beim Long John kann beim Backpacker, wenn ein Kind mitfährt, aufgrund der fehlenden Transportbox der übrige Platz nicht so gut ausgenutzt werden, allerdings lassen sich bei vielen Modellen Satteltaschen installieren. Ein Vorteil des Backpackers: Das Fahrverhalten unterscheidet sich kaum von dem eines gewöhnlichen Fahrrads.

Dreiräder

In dreirädrigen Lastenrädern gibt es den meisten Platz. Modellabhängig können hier bis zu vier Kinder transportiert werden. Bild: ADAC/Uwe Rattay.

Neben einspurigen gibt es auch mehrspurige Lastenräder, die aufgrund ihrer zwei Räder vorne zwar den Vorteil haben, kippsicher zu sein, allerdings meist breiter sind und damit einen größeren Radius in den Kurven haben. Durch ihren größeren Stauraum bieten dreirädrige Lastenräder – abhängig vom Modell – auf zwei Sitzbänken bis zu vier Kindern Platz, manche Modelle erlauben außerdem sogar ein Gesamtgewicht von bis zu 200 Kilogramm.

Die richtige Ausstattung

Für alle Lastenräder – ob einspurig oder mehrspurig – gilt: Damit sie kindersicher sind, braucht es die richtige Ausstattung. Die Kinder sollten im Lastenrad auf jeden Fall schon aufrecht sitzen können. Erst wenn Lastenräder eine Sitzbank in der Transportbox haben, auf der Kinder sitzen und mit Gurten gesichert werden können, sind sie für den Personentransport erlaubt. Sind die Gurte beim Kauf nicht inkludiert, müssen sie nachgerüstet werden. Viele Hersteller von Transporträdern bieten außerdem Modelle mit Wetterschutz an. In Österreich gilt für Kinder unter zwölf Jahren – egal, wie sie auf dem Fahrrad mitgenommen werden – die Helmpflicht. Verantwortlich für deren Einhaltung ist die Aufsichtsperson, die das Fahrrad lenkt und mindestens 16 Jahre alt sein muss. Zudem muss in jedem Lastenrad, das für den Personentransport zugelassen ist, jedes der zu transportierenden Kinder einen eigenen Sitzplatz haben, mit einem eigenen Gurtsystem gesichert sein, das Kinder nicht leicht öffnen können, und durch die Konstruktion während der Fahrt vor gefährlichen Situationen geschützt sein. Die Transportbox muss also beispielsweise Kinder davon abhalten, den Boden oder die Speichen des Rades berühren zu können.

Auf Backpackern darf in Österreich nur ein Kind transportiert werden. Bild: ADAC/Uwe Rattay.

Wie kindersicher sind Lastenräder?

2020 testete die deutsche Prüfgesellschaft Dekra Fahrräder auf ihre Bremsfähigkeit, darunter befand sich auch ein Lastenrad des Typs Long John. Das Bremsverhalten des untersuchten Lastenrads war sehr gut, so Luigi Ancona, Unfallforscher bei Dekra: »Das Bremssystem hat mich überzeugt. Es gab beim Lastenrad im Gegensatz zu vielen anderen Fahrrädern keinen Kippmoment, bei dem sich das hintere Rad aufstellte.« Dennoch lautet der Appell der Dekra: Kinder beim Transport unbedingt anschnallen und mit einem Helm ausstatten. Denn bei einer Vollbremsung »ist das Erste, was auf den Boden fliegt, der Kopf«, betont Ancona.

Und auch der ADAC führte im Jahr 2021 einen Test zur Sicherheit von Lastenrädern durch. Als ein Auto mit 30 km/h in einem Winkel von 45 Grad auf die Lastenräder, auf denen ein Dummy saß und zwei Dummys transportiert wurden, aufprallte, zeigten die Lastenräder ihre Schwächen. Sowohl ein Long-John-Modell als auch das Exemplar eines Backpackers und ein dreirädriges Lastenrad schnitten zwar bei den Werten des Erstaufpralls gut ab, danach boten die Seitenwände der Transportboxen allerdings keinen Schutz mehr, sondern schlitterten über den Boden. Dabei lösten sich sogar teilweise die Rückhaltevorrichtungen, womit die Kinder in der Transportbox in den Gegenverkehr rutschen könnten. Wichtig ist es laut Stefan Grabmaier, dem Projektleiter im Verbraucherschutz des ADAC, dass der Kopf der Kinder nicht über die Wände der Transportbox hinausragt. Am sichersten sind laut Grabmaier Modelle mit Fünfpunkt-Anschnallsystemen und mit einer Art Käfig, der die Kinder zusätzlich schützt. Vor dem Kauf empfiehlt er, sich jedenfalls ausführlich im Handel beraten zu lassen. »Eine gute Beratung beantwortet viele Fragen vorab, außerdem ergibt sich häufig die Möglichkeit, mit dem einen oder anderen Modell Probe zu fahren und die Unterschiede dabei kennenzulernen. Das bringt einen großen Sicherheitsvorteil.«

Auch die Infrastruktur beeinflusst die Sicherheit, denn die Lastenräder sind deutlich länger und teilweise auch breiter als Fahrräder, so sollte auch das Verkehrsnetz in die Beratung miteinbezogen werden. »Man sollte außerdem vor der ersten Fahrt ausprobieren, was es bedeutet, im fließenden Straßenverkehr mitschwimmen zu müssen, weil enge Fahrradwege es nicht anders erlauben«, sagt Grabmaier.

Vor der ersten Transportfahrt mit einem Lastenrad sollte es unbeladen ausgiebig getestet werden, da sich das Einlenkverhalten von dem eines klassischen Fahrrads deutlich unterscheidet. Im beladenen Zustand wird das Rad außerdem aufgrund der hohen Masse träger, was sich vor allem beim Bremsen bemerkbar macht. Hier ist vorausschauendes Fahren gefragt.

Die Reichweite des Akkus eines E-Lastenrads hängt stark von der Transportlast ab. Der Durchschnittswert eines be­ladenen E-Lastenrads liegt bei 40 bis 60 Kilometern.

Welches System passt für wen?

Lastenräder eignen sich vor allem für jene, die mehrere Kinder auf dem Rad mitnehmen wollen und dabei auch längere Wege zurücklegen oder schweres Gepäck transportieren. Wer sich für ein Lastenfahrrad entscheidet, braucht jedenfalls ausreichend Stellfläche. Welches Modell für welche Familie passt, hängt stark vom Nutzungszweck ab. Wer einen sportlichen Fahrstil pflegt und eine einfache Handhabung möchte, kann zum Backpacker greifen. Allerdings ist zu beachten, dass auf den Fahrradsitzen am Heck des Backpackers in Österreich (anders als in Deutschland) nur ein Kind mitgeführt werden darf. Wer seinen Klein-Pkw durch ein Lastenrad ersetzen möchte und längere Strecken ohne viele Zwischenstopps zurücklegt, für den empfiehlt sich ein einspuriges Lastenfahrrad wie der Long John. Wer allerdings noch mehr Platz – entweder für Kinder oder für Einkäufe oder für beides – möchte und während der Fahrten einige Zwischenstopps einlegt, dem empfiehlt sich ein kippsicheres dreirädriges Lastenrad.

Gesammelte Infos über Fördermöglichkeiten von E-Lastenrädern gibt es unter klimaaktiv.at

BIORAMA BUSINESS #1

Dieser Artikel ist im BIORAMA BUSINESS #1 erschienen

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