Kein Plastik ist auch keine Lösung
Mikroplastik aus Textilien gilt als wachsende Gefahr für die Ozeane. Doch wenn unser Verbrauch an Textilien weiter wächst, sind auch Naturfasern keine umweltfreundliche Alternative zu Polyester.
Durch den Trend zu Fast-Fashion ist die Wegwerfgesellschaft seit Jahren dabei, die Qualität und Lebensdauer von Kleidung Schritt für Schritt zu senken. 60% der Kleidungstücke weltweit enthalten bereits Polyester. Doch ein Kunstfaser-Boykott wäre laut der Umweltorganisation Greenpeace keine Lösung.
Wie Kunstfaser die Weltmeere verschmutzt
Ein wachsender Anteil der 4 Millionen Tonnen Plastik, die jährlich ins Meer gespült werden, ist dem weltweit expandierenden Textilverbrauch zuzuschreiben. Innerhalb von 15 Jahren hat sich die Textilproduktion weltweit verdoppelt und durchbrach 2014 die Schwelle von 100 Milliarden Kleidungstücken pro Jahr. Um solche Wachstumszahlen zu erreichen, greifen Billig-Modeketten auf Kunstfaser zurück. Das zeigt sich unter anderem am steigenden Einsatz von Polyester in der Bekleidungsindustrie. Von 2000 bis 2016 ist dieser weltweit von 8,3 auf 21,3 Millionen Tonnen gestiegen. Angesichts der konstanten Nachfrage erwarten Modehersteller, diese Zahlen bis 2030 weiter steigern zu können. Die Kunstfaserlast wird zu diesem Zeitpunkt voraussichtlich 70% betragen. Bei jeder Wäsche lösen sich daraus jedoch kleinste Plastikteile. „Eine einzige Fleece-Jacke kann bis zu einer Million Fasern pro Waschgang freisetzen, ein Paar Nylon-Socken immerhin noch 136.000“, warnt Greenpeace. Eine EU-Studie zeigt, dass allein in Europa 30.000 Tonnen Synthetikfasern ins Abwasser gelangen. Diese zerfallen zwar in immer kleinere Teile, werden so aber zu einer Bedrohung für alle Meeresbewohner.
Wegwerfmode als Umweltgift
Mit unserer Kleidung wollen wir unsere Individualität ausdrücken. Gleichzeitig passen wir uns an die Vorgaben der Stars an. Trends wechseln immer schneller. Wer das Neuste tragen möchte, muss also ständig für Nachschub im Kleiderschrank sorgen. Geld für teure Naturfaser bleibt jedoch nur selten. Mit den Preisen senken Textilhersteller gleichzeitig auch die Qualität ihrer Produkte und greifen auf billige Kunstfaser zurück.
Neben der Preisfrage kann Kunstfaser aber auch in der Nützlichkeit punkten. Vor allem bei Sportbekleidung kommt man um synthetische Stoffe nicht herum. Diese Funktionsshirts werden meist nach nur einmal Tragen gewaschen. Für die meisten Konsumenten geht die Funktion in diesem Fall vor Umweltfreundlichkeit. Im Vergleich zu Plastikflaschen, Fischernetzen und größerem Plastikmüll betreffen die planktongroßen Kunstfaserabfälle auch besonders kleine Lebewesen. Gedeihen deren Populationen nicht, fehlen sie größeren Meerestieren als Nahrungsgrundlage.
Neben Meeresbewohnern betreffen die Plastikpartikel aber auch uns Menschen. Über Meeresfische nehmen wir Plastik auf, welches in unser Körpergewebe eindringen und Entzündungen auslösen könnte. Dabei soll es sich um 100 winzige Plastikteilchen pro ein dutzend Austern handeln. Wie sich Mikroplastik im menschlichen Organismus verhält, ist allerdings noch wenig erforscht.
Kunstfaser-Boykott keine Lösung
Rein synthetische Fasern haben einen enorm großen ökologischen Fußabdruck. In diesen fließen Umweltbelastungen durch die Erdölproduktion, etwa die Verseuchung der Regenwälder, gleichermaßen ein, wie der Energieverbrauch durch die chemische Weiterverarbeitung der Rohstoffe. Bei einem doppelt bis dreifach so hohen Energieverbrauch erscheinen Kunstfasern wesentlich umweltschädlicher als Naturfasern. Synthetische Stoffe vollkommen mit Baumwolle zu ersetzen, würde die Umweltprobleme allerdings nicht lösen, nur verlagern.
Die Herstellung von Naturfaser in hohen Quantitäten braucht im Vergleich zu Kunstfaser deutlich mehr Wasser. Durchschnittlich 8000 Liter fließen in die Produktion von einem Kilo Baumwolle. Für ein Kilo Polyacryl sind es nur 210 Liter. Folglich müssen 60% der Baumwollfelder zusätzlich künstlich bewässert werden. Die Auswirkungen zeigt Greenpeace anhand des asiatischen Aralsees, der aufgrund der Baumwollindustrie heute nur mehr ein Zehntel seiner ursprünglichen Fläche misst.
Zusätzlich zum hohen Wasserverbrauch belasten Pestizide, Gentechnik und Kunstdünger den Ruf konventioneller Baumwolle. Der Marktanteil von Bio-Baumwolle wächst zwar langsam, liegt zurzeit aber erst bei 0,4%. Den Bedarf von 61 Millionen Tonnen Fasern zu decken, scheint bei einer jährlichen Ernte von 12.000 Tonnen weltweit reine Illusion zu sein. Öko-Baumwolle kommt als Alternativlösung vorerst somit nicht in Frage.
Scheiternde Alternativen
In der Entwicklung alternativer Textilrohstoffe wird unter anderem auf Braunalgen, Bananenschalen und Milch zurückgegriffen. Sinnvoll sind diese Alternativen nur, wenn es sich dabei um Abfälle oder Produktionsrückstände handelt. Das Mengenverhältnis, das notwendig ist, um am Textilmarkt teilzunehmen, erscheint jedoch utopisch: Um ein Prozent des weltweiten Textilverbrauchs mit Milchfasern zu decken, müsste die Hälfte der Milchkühe in Deutschland dafür eingesetzt werden. Diese Tiere zu versorgen, würde wiederum einen ungeheuer großen Fußabdruck hinterlassen.
Das Wasser durch Kläranlagen und Filter von Plastik befreien will die Politik. Durch technische Vorgaben nach EU-weiten Richtlinien sollen Waschmaschinen mit Filtern ausgestattet werden. Zur Entwicklung und Funktion dieser gibt es von Herstellerseiten jedoch wenig Information. Kläranlagen halten zwar schon einen Teil der Plastiklast zurück, doch auch hier ist die Technologie noch nicht vollständig entwickelt.
Baumwolle weiter zu verwenden ist durch Mischgewebe, Applikationen, Farben und Reißverschlüsse oft nur bedingt möglich. Der Anteil von Recyclingfasern ist folglich beinahe Null, wodurch Recycling nur als vorübergehende Notlösung gesehen werden kann. Bei sechs bis sieben Modezyklen im Jahr bleibt es, trotz erster Lösungsansätze, schwierig, sich umweltfreundlich zu kleiden.