Katzensteuer: Ist sie ökologisch sinnvoll?

Eigentlich höchstens Lebensraum für wenige hundert Wildkatzen leben in Städten wie Wien oder Berlin hunderttausende Hauskatzen – sowie verwilderte Streunerkatzen. Darunter leiden Wildtiere. Lässt sich das Problem nun – wie von Aktivisten gefordert – durch eine Katzensteuer eindämmen?

Es ist ein Gedankenexperiment, völlig hypothetisch: Wären Wien und Berlin bewaldet und menschenleer – flächenmäßig, wieviele Wildkatzen könnten jeweils im Stadtgebiet leben?

Da wie dort würde in Abwesenheit des Menschen Eichen-Hainbuchen-Wald dominieren, meint Christian Übl, Ökologe und Direktor des Nationalpark Thayatal, wo Österreichs einzig nachgewiesene Wildkatzenpopulation lebt. Mit Übergängen zu Rotbuchenwald und Auwäldern in den Niederungen, offenen Flächen und Lichtung wären die Wiener und Berliner Waldgebiete besonders artenreich, mit vielen Kleinsäugern als Nahrung – „und dadurch als Lebensraum für die Wildkatze sehr gut geeignet“.

Da die Winter in Wien mild, im nördlich gelegenen Berlin aber niederschlagsreicher und die Beutetiere länger unter einer Schneedecke verborgen blieben, müssten die Reviere der einzelgängerischen Wildkatze an der Spree etwas größer gedacht werden als an der Donau. Eine Katze würde im Süden 300 Hektar für sich beanspruchen, ein Kuder (männliche Wildkatze) 1.000 Hektar. Im Norden bräuchte eine Katze wohl 500 Hektar für sich allein, ein Kuder 1.500 Hektar. Da sich die Reviere von weiblichen und männlichen Tieren fortpflanzungsbedingt überlappen, kommt der Wildkatzen-Experte in Berlin (89.200 Hektar) auf einen Lebensraum für insgesamt 238 Wildkatzen. Im halb so weitläufigen Wiener Stadtgebiet (41.500 Hektar) könnten 180 Individuen leben.

Tatsächlich leben in Berlin 3,5 Millionen Menschen, und Wien zählt 1,8 Millionen Einwohner. Wildkatzen gibt es in beiden Städten nicht. Allerdings eine steigende Anzahl von Hauskatzen – sowie teilweise seit Jahrzehnten bestehenden Kolonien von verwilderten Hauskatzen. Genaue Statistiken gibt es da wie dort keine. In Berlin hat man, so die Auskunft des Stadtsenats, „keine Ahnung wie viele Katzen es bei uns gibt“. Aktuell führt die Landestierschutzbeauftragte eine Befragung durch – um einschätzen zu können, wie viele verwilderte Streuner in der Stadt leben. In Wien beruft sich Hermann Gsandtner, Tierarzt und Streunerkatzenbeauftragte der Stadt, auf Expertenschätzungen von 250.000 Hauskatzen: „Die Zahl der als Streunerkatzen zu bezeichnenden Tiere ist vergleichsweise gering und wird sich maximal, wenn überhaupt, in der Größenordnung von ein paar Tausend Tieren bewegen.“

Die wilde Hauskatze, der „Freigänger“

Nun ist die stark gefährdete Europäische Wildkatze (Felis silvestris silvestris) nicht – wie oft fälschlicherweise behauptet – der Vorfahre unserer Hauskatzen. Unser Stubentiger stammt vielmehr von der nordafrikanische Falbkatze (Felis silvestris lybica) ab, die domestiziert als Haustier über die Ägypter, später Griechen und Römer nach ganz Europa gelangte und im Zuge des europäischen Kolonialismus auf den Schiffen der britischen Seefahrer bis in die entlegensten Weltgegenden vordrangen. In Mitteleuropa richten die massenhaft auftretenden Haustiere auch nicht vergleichbar verheerende Schäden an, wie in der pazifischen oder arktischen Inselwelt, wo es davor keine Raubtiere gab, wo die Evolution flugunfähige Pinguine, Kiwis oder andere am Boden brütende Vögel hervorgebracht hat.

Doch welchen immensen Beutedruck allein die „paar Tausend“ Streunerkatzen in Wien bei Singvögeln, seltenen Spitz- und Haselmäusen, Siebenschläfern, Eidechsen, Libellen und andere Insekten in einem eigentlich für höchstens 180 Wildkatzen geeigneten Lebensraum ausüben, lässt sich erahnen. Hinzu kommt, dass gerade in den Außenbezirken, in Gartengegenden und Vororten auch ein großer Teil (insgesamt 250.000) Wiener Hauskatzen als Freigänger draußen jagt, weil ihre Besitzer das als „artgerecht“ empfinden. In Berlin ist das nicht anders. Dass diese Tiere gefüttert werden ändert wenig – denn Katzen jagen nicht nur aus Hunger, sondern töten auch zum Vergnügen. Unmittelbare Auswirkungen hat das etwa auch auf den teilweise im Wiener Stadtgebiet liegenden Nationalpark Donau-Auen. Äußern möchte man sich dort dazu nicht – wohlwissend, dass katzenkritische Wortmeldungen in der Bevölkerung nicht wirklich gut ankommen.

„Lenkungsmaßnahme im öffentlichen Interesse“

Theoretisch ist es Jägern auch in Wien erlaubt, streunende Katzen zu erlegen – sofern diese nach ihrem Ermessen junge Feldhasen und am Boden brütende Vögel gefährden. Praktisch akzeptiert wird diese Handhabe von der Bevölkerung allerdings immer weniger. Weshalb der pensionierte Anwalt, Jagdgutachter und Jagdaktivist Rudolf Gürtler nun eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof vorbereitet. Als Hundehalter, der für seine Tiere Hundesteuer zu zahlen hat, fühlt er sich gegenüber Katzenhaltern ungleich behandelt. Offensichtliches Ziel der Beschwerde ist aber wohl nicht, die Hundesteuer zu Fall zu bringen, sondern eine Katzensteuer zu erstreiten.

Der Wildökologe Klaus Hackländer, Leiter des Instituts für Wildbiologie und Jagdwirtschaft, unterstützt die Idee einer Katzensteuer als „Lenkungsmaßnahme im öffentlichen Interesse“ und fordert im Interesse der wildlebenden Fauna auch begleitend Abschüsse von Streunerkatzen. Eine Umweltschutz-Idee, die manch Tierschützer auf die Barrikaden bringt.

Kritisch sieht auch Nationalparkdirektor Christian Übl die Abschüsse von streunenden Katzen – zumindest in ländlichen Gebieten: „Mit der Unterscheidung von Haus- und Wildkatze tun sich oft sogar ausgewiesene Experten schwer. Aus hundert Meter Entfernung, bei Dämmerung und vom Hochstand aus – da besteht die Gefahr, dass versehentlich eine Wildkatze erlegt wird.“

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