Klein, gelb, gestreift – Porträt eines Fremden
Der aus Nord-Amerika eingebrachte Kartoffelkäfer gilt nicht nur als Schädling, sondern diente auch mehrmals in der Geschichte als Propagandamedium.
Die Kartoffel – ein willkommener Gast
Kartoffeln wurden bereits vor 2000 Jahren von den Inkas in Peru angebaut, stammen also ursprünglich aus Südamerika. Später wurden sie als Kulturpflanze auch nach Nord-Amerika gebracht und letztendlich – vor 450 Jahren – mit Segelschiffen spanischer Eroberer auch nach Europa. Anfangs war die Kartoffel hier jedoch nicht sehr beliebt und wurde an Schweine verfüttert. Erst vor etwa 200 Jahren ist sie in manchen Gegenden Europas zum wichtigsten Nahrungsmittel für die Bevölkerung geworden.
Der Kartoffelkäfer – ein ungebetener Eindringling
Der hübsche Kartoffelkäfer stammt ursprünglich aus Nord-Amerika: 1824 wurde er hier erstmals von Wissenschaftern entdeckt – genauer gesagt in Colorado (USA), in den Tälern des Colorado-Flusses. Deshalb wird er auch Colorado-Käfer genannt.
Seine Leibspeise war die Büffelklette – ein Nachtschattengewächs. Zusammen mit dem zunehmenden Anbau der Kartoffel stellte sich der Käfer um 1850 jedoch vorwiegend auf diese Bodenfrucht – auch ein Nachtschattengewächs – als Hauptnahrungsquelle um. Die damals aufkommenden Monokulturen begünstigten seine explosionsartige Vermehrung.
Und schließlich folgte der Kartoffelkäfer seiner neuen Leibspeise auch über den Ozean – als blinder Passagier erreichte er 1877 Europa und von hier aus fast die ganze Welt. Mit verheerenden Folgen, denn die Schäden und Ernteausfälle, die er dabei verursachte waren enorm.
Hungersnöte in Europa
Die Einschleppung des Kartoffelkäfers führte – gemeinsam mit der ebenso aus Nord-Amerika eingeschleppten Kartoffelfäule, einer Pilzkrankheit – zu großen Verlusten und Ausfällen bei der Kartoffelernte. So kam es vor etwa 170 Jahren in Irland zu einer großen Hungersnot („Irish potatoe famine“): Eine Million Menschen starben und zwei Millionen verließen das Land. Auch in Deutschland brachte der Kartoffelkäfer Teile der Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg an den Rand einer Hungersnot. Heute wird der Kartoffelkäfer durch Pestizide im Zaum gehalten.
Der Propaganda-Käfer
Das Gerücht, dass Kartoffelkäfer über feindlichem Territorium abgeworfen wurden um dessen Ernte zu schädigen, wurde mehrfach in die Welt gesetzt: Die Nazis unterstellten diese „biologische Kriegsführung“ den Alliierten, die Engländer den Deutschen und die DDR den Amerikanern. Im Falle der DDR gab es sogar eine Plakat- und Broschüren-Kampagne gegen den „Amikäfer“. Schüler wurden beauftragt auf den Feldern nach den Käfern zu suchen und sie gegebenenfalls mit Hilfe von Marmeladegläsern zu beseitigen. Und auch Berthold Brecht ließ sich für die Sache einspannen: „Die Amiflieger fliegen / silbrig im Himmelszelt / Kartoffelkäfer liegen / in deutschem Feld.“ Die Behauptungen waren jedoch reine Propaganda, man wollte den Amerikanern die Schuld für die Missernte geben.
Am ehesten ist der Vorwurf noch gegenüber den Deutschen berechtigt, denn die Wehrmacht züchtete tatsächlich Käfer und warf sogar probeweise Insekten aus der Luft ab, um zu überprüfen, ob sie den Fall überhaupt überleben würden. Zum geplanten Einsatz in England kam die biologische Waffe jedoch nie. Auch Frankreich hat Forschung an den Käfern betrieben, auch in diesem Fall haben Freisetzungen nicht stattgefunden.
Von der Biologie des Kartoffelkäfers
Der Kartoffelkäfer ist bis zu 13 Millimeter lang, hat wie jeder Käfer sechs Beine und trägt außerdem zwei dunkle Endglieder – die Fühlhörner –, mit denen er riechen kann. Das Markanteste an ihm ist seine Musterung: er trägt zehn dunkelbraune bis schwarze Längsstreifen auf den gelben, etwas glänzenden Flügeldecken. Dadurch ist er nicht nur unverwechselbar, sondern auch in Sicherheit, denn die auffällige Färbung dient als Abwehrschild für Fressfeinde.
Die Kartoffelkäfer leben hauptsächlich auf den Blättern der Kartoffelpflanze, von denen sie sich ernähren, die Knollen rühren sie hingegen nicht an. Den Winter über verkriechen sich die Käfer in die Erde um dort zu überwintern. Im Frühjahr kommen sie aus ihren Verstecken heraus und paaren sich auf den Kartoffelpflanzen. Pro Sommer werden je Weibchen 700 bis 1200 rot-gelbe Eier gelegt und diese in kleinen Paketen an die Blattunterseiten geklebt. Bereits nach fünf bis zwölf Tagen schlüpfen die Larven. Nach einigen Häutungen und Farbwechseln und weiteren 17 bis 20 Tagen haben die Larven so viel gefressen, dass sie ausgewachsen sind. Sie krabbeln zurück in die Erde um sich dort für zwei Wochen zu verpuppen. Dann schlüpfen die Käfer, die aber noch bis zu einer Woche im Boden bleiben. Sobald sie an der Oberfläche auftauchen, sind sie tagaktiv und abermals unermüdlich gefräßig, bis sie nach weiteren zwei Wochen zur Fortpflanzung bereit sind.
Der gesamte Entwicklungszyklus – von der Eiablage bis zum „fertigen Käfer“ dauert also gerade einmal sechs bis sieben Wochen. Das bedeutet bis zu drei Generationen von Kartoffelkäfern in einem Sommer – ein enormes Vermehrungspotenzial! Genau deshalb wird der Schädling von den Bauern so gefürchtet. Aber auch, weil er ein ausgezeichneter Flieger ist.
Was sind Aliens?
Als Aliens – oder gebietsfremde Arten – werden Tier- und Pflanzenarten bezeichnet, die vom Menschen in Gebiete gebracht werden, an denen sie natürlicherweise nicht vorkommen.
Aliens können bewusst und absichtlich als Waren, Güter oder Rohstoffe in Gebiete eingebracht werden, beispielsweise die Kartoffel als Kulturpflanze, oder der Marienkäfer zur Schädlingsbekämpfung. Gebietsfremde Arten können aber auch – vor allem in Zeiten der Globalisierung – unabsichtlich eingeführt werden, etwa als blinde Passagiere auf Schiffen und Zügen.
Welche Auswirkungen haben Aliens auf Mensch und Umwelt?
Generell gilt die Faustregel: 10 % aller eingebrachten Arten können sich etablieren und lediglich 1% aller eingebrachten Arten führt zu Problemen: Indem sie die Artenvielfalt bedrohen, weil sie einheimische Arten verdrängen oder auffressen; indem sie Parasiten und Krankheiten übertragen oder Allergien auslösen; oder indem sie hohe wirtschaftliche Schäden in der Land- und Forstwirtschaft verursachen.
Wie wirkt sich der Klimawandel auf gebietsfremde Arten aus?
Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass der Klimawandel die Ausbreitung von Aliens beschleunigen kann, weil sie sehr flexibel sind und sich rasch an geänderte Bedingungen anpassen können – eine wesentliche Voraussetzung ihres Erfolgs als Aliens.