„Iss mich! … anstatt mich wegzuwerfen“

Bild: Stefan Csáky

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Jährlich werden weltweit 1,3 Milliarden Tonnen Essen weggeworfen. Bereits seit 2012 versucht Tobias Judmaier, gelernter Filmemacher, Koch und leidenschaftlicher Waste Diver, auf diese Problematik aufmerksam zu machen. Er ist Koch einer Online-Kochshow, veranstaltete einen Free Supermarket in Wien. Sein neuestes Projekt, das er in Zusammenarbeit mit Sabine Schellander und Paul Streli umsetzt, ist der Essen-Lieferservice „Iss mich!“. BIORAMA hat sich mit Tobias getroffen, um mehr über seine Idee zu erfahren.

 

BIORAMA: „Essen statt wegwerfen“ – so lautet euer Slogan. Wann hast du beschlossen, gegen unsere Wegwerfgesellschaft in punkto Essen etwas zu unternehmen? 

Tobias Judmaier: Wir haben die vergangenen zwei Jahre mit unserer konsumkritischen Kochshow „Waste Cooking“ auf das Thema Lebensmittelverschwendung europaweit aufmerksam gemacht. Die Show war im Internet und auf Community-Sendern zu sehen. Wir waren aber auch auf Kunstausstellungen mit den Videos vertreten und konnten immer wieder auf Festivals das Thema aufzeigen. Das Feedback unserer Aktionen ist dabei durchwegs sehr intensiv. Als Koch der „Waste Cooking“-Show habe ich mich ausführlich mit dem Thema auseinandergesetzt und so wurde auch die Idee zu unserem neuen Projekt geboren.

… das Essenslieferservice „Iss mich“. Inwiefern spiegelt sich deine Ideologie in dem Konzept wieder?

„Iss mich! …anstatt mich wegzuwerfen“ ist eine wichtige Entwicklung, die über das Aufmerksam-machen hinaus geht. Bei „Iss mich!“ beziehen wir Lebensmittel, die aus ästhetischen Gründen nicht für den Handel geeignet sind, und verkochen diese Gemüse zu schmackhaften Gerichten, die man sich liefern lassen kann. Außerdem kann man „Iss mich!“ auch als Catering für Veranstaltungen buchen. Somit trägt man beim Essen zur Reduktion der Lebensmittelverschwendung bei.

Was ist das besondere an den Konzept?

„Iss mich!“ ist ein rundum nachhaltiges Konzept. Wir verkochen aussortiertes Gemüse, daher sind unsere Gerichte großteils vegetarisch, beziehungsweise vegan. Die Gerichte werden eingemacht und auf diesem Wege ganz natürlich haltbar gemacht. Ausgeliefert wird mit dem Fahrrad, was den CO2-Fußabdruck minimiert. Zudem arbeiten wir mit der Caritas zusammen um Menschen, die einen erschwerten Zugang zum Arbeitsmarkt haben, die Möglichkeit auf einen Job zu geben. Besonders ist auch, dass wir „Iss mich!“ zwei Mal pro Woche (Montags und Mittwochs) ausliefern. Man muss also ein bisschen planen, wenn man unser Essen haben möchte – auch das spart Ressourcen. „Iss mich!“ wird es auch bei ausgewählten Greisslern geben.

Bild: Stefan Csáky

Bild: Stefan Csáky

Euer Essen wird in Gläsern geliefert. Was war der Hintergedanke? Kannst du uns mehr über die ökologischen Vorteile des Projekts sagen?

Die Mengen an Gemüse die in Österreich übrig bleiben, sind enorm und immer, wenn wir aussortierte Ware bekommen, handelt es sich um große Mengen. Solche Ladungen zu verarbeiten, zu lagern und zu vertreiben ist eine Herausforderung. Daher ist das klassische „Einwecken“ im Einmachglas eine hervorragende Lösung, die frisch eingetroffene Ware gleich schonend zu verarbeiten und die daraus entstandenen Gerichte lagern zu können. Unsere Gläser sind Pfandgläser, sie werden bei jeder Lieferung vom Fahrradboten durch volle Gläser ausgetauscht.

Laut euer Website werden pro „Iss mich!“-Glas, 50 Gramm Kunststoffverpackung gespart und 300 Gramm Lebensmittel gerettet. Was steckt hinter dieser Rechnung?

Da wir das Essen in Gläsern ausliefern und somit auf Plastikverpackung gänzlich verzichten, entsteht diese Ersparnis. Wir haben einfach mal nachgerechnet, was an Verpackungsmüll bei herkömmlichen Essenslieferungen anfällt. Die 300 Gramm ergeben sich aus der Füllmenge der Gläser, da wir vornehmlich mit aussortiertem, aber frischem und gesundem Gemüse kochen.

Bestellen kann man seit letzter Woche. Wie viele Gerichte bietet ihr jeweils an? Sind eure Zutaten biologisch?

Es werden immer zwei bis drei Suppen und zwei bis drei Hauptgerichte angeboten und die Speisen wechseln wöchentlich. Langsam aber stetig wollen wir unsere Auswahl vergrößern. Und ja, unsere Zutaten sind großteils biologisch und – wo möglich – auch regional.

Bild: Stefan Csáky

Bild: Stefan Csáky

Das Projekt ist von dir gemeinsam mit Sabine Schellander ins Leben gerufen. Wie arbeitet ihr zusammen? Wer ist sonst noch in eurem Team?

Sabine Schellander kümmert sich um Marketing und Planung, aber auch um die Kommunikation. Paul Streli, mit dem ich gemeinsam ein Restaurant betreibe, ist für die Koordination in der Küche verantwortlich. Und natürlich haben wir eine Vielzahl von Helfern.

Wie kann man deiner Meinung nach etwas gegen die „Wegwerfgesellschaft“ unternehmen?

Für mich stellt sich vielmehr die Frage nach einem sinnvollen Umgang mit Lebensmitteln – dazu kann nämlich jeder etwas beitragen. Es gibt dabei einfache Grundregeln, die ich ohne bestimmte Wertung nennen möchte: In den Kühlschrank schauen, bevor man einkaufen geht. Erst vorhandenes verkochen, dann Neues kaufen. Auf die eigene Nase vertrauen, um zu verstehen, ob etwas abgelaufen ist. Saisonal und regional einkaufen – nein, im Februar gibt es bei uns weder Tomaten noch Erdbeeren! Und auf Verpackungen verzichten.

Eines eurer Projekte war auch der Free Supermarket in Wien. Kannst du darüber etwas erzählen? Wird es wieder ähnliche Projekt geben?

Uns hat der Free Supermarket, der im Rahmen der Wien-Woche statt fand, enormen Zulauf gebracht. Dadurch waren wir natürlich sehr motiviert weitere Events in Angriff zu nehmen. Wir planen derzeit ein Folgeprojekt, das aber eher den Stil eines Restaurants haben wird. Geplant ist das ganze ab September.

Und eure Kochshow: Werden nach wie vor Episoden gedreht? Wird es die Möglichkeit geben, sich das im Fernsehen anzuschauen?

David Gross wird im Sommer neue Episoden drehen. Das Format der Kochshow wird sich allerdings etwas ändern – man darf also gespannt sein!

 

www.issmich.at
www.wastecooking.com

 

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