»Granatapfel und Artischocke«

In Saghar Setarehs erstem Kochbuch gibt es iranisch-italienische Fusionküche und iranische Klassiker.

Ein Esstisch mit Pasta in einer Schüssel und auf Tellern.
Früher nannte man dieses Pastagericht in Neapel »Vermicelli mit entlaufenen Venusmuscheln.« Bild: Saghar Setareh/Ars Vivendi.

Nudeln mit Tomatensauce – und dann ein Eis! 

Die in Italien lebende Iranerin Sanhar Setareh hat in ihrem ersten Kochbuch traumhaft bebilderte Geschichten vom Essen und Kochen aufgeschrieben – auf eine Art, die dafür sorgt, dass einem wieder einfällt, worum es beim Kochen geht. Vieles ist iranisch-italienische Fusion, aber es fehlt nicht an iranischen Klassikern. Bonus: Wer traut sich schon, in einem Kochbuch explizit von Migration von Menschen und Zutaten (statt von »Vielfalt« oder »Buntheit …) zu schreiben? Eine Wohltat. Und ein so schöner Beitrag zur Vielfalt. 

Mitternachtsspaghetti mit Knoblauch, Chili & Olivenöl

Ajo, ojo e peperoncino

Eine Wohngemeinschaft mit StudentInnen oder frischgebackenen AbsolventInnen um die Zwanzig hinterlässt bleibende Erinnerungen fürs ganze Leben. Sicher gab es Unstimmigkeiten, etwa, wer mit dem Putzen dran war, oder über die Stromrechnung. Aber es gab viel zu lachen und einfache Antworten auf die meisten Fragen des Lebens, und nicht selten gehörten Alkohol und Essen dazu. Egal, ob man eine Prüfung gut bestanden hatte oder durchgefallen war, ob jemand eine nette ragazza kennengelernt oder ein ragazzo nicht anrief, Feiern wie Trösten begann mit billigem Bier, gefolgt von etwas Stärkerem, gelegentlichem Abtanzen und manchmal wurde einfach nur gekocht. 
In Italien tragen junge Leute ihre Gefühle nach draußen auf ein Bier und zum Tanzen. Im Iran, einem kulturell introvertierten und politisch durch die Tyrannei geknebelten Land, feierten wir drinnen. Vielleicht nicht so oft wie die Menschen in Italien, aber eindeutig ausgelassener. Nach der Party gingen wir zuweilen raus, auf der Suche nach einem nächtlichen Sandwich oder, wenn wir uns besonders verwegen fühlten, einem frühmorgendlichen kalleh pacheh. Wenn man in Italien in den frühen Morgenstunden etwas beschwipst und hungrig vom Feiern nach Hause kommt, steht vielen oft der Sinn nach einer spaghettata con aglio, olio e peperoncino – eine schnelle, billige und einfache Spaghettimahlzeit, meist nur mit Knoblauch, Olivenöl und Chilischoten zubereitet, aber unwiderstehlich lecker. 
Das ursprünglich aus Neapel stammende Pastagericht ist in ganz Italien ein Renner, weil es so einfach und schnell geht und weil auch Ältere damit Erinnerungen an einen großen Topf Pasta um drei Uhr morgens verbinden. Als ich einmal in Mailand war, rührte ein Neapolitaner witzigerweise eine andere spaghettata zusammen, mit Sardellen, Knoblauch und Walnusskernen, und erklärte, so würden es dort die StudentInnen in der Nacht essen. 
Bei dem hier vorgestellten Rezept, für das nur Knoblauch, Chili und große Mengen Olivenöl verwendet werden, könnte man meinen, es müsse doch etwas fehlen – aber probieren Sie es aus, dann werden Sie überzeugt sein. Im neapolitanischen Dialekt hieß das Gericht früher vermicelli con le vongole fujute – Vermicelli mit »entlaufenen Venusmuscheln«. Sicher, alles, was man braucht, um aus aglio, olio e peperoncino echte spaghetti alle vongole zu machen, ist ein Glas Wein und natürlich die Muscheln. (In Neapel enthält die aktuelle Version von Spaghetti mit entlaufenen Venusmuscheln auch Tomaten – noch ein Schritt weiter weg von aglio, olio e peperoncino, ein Gericht, das immer »weiß« ist.) 
Ich mag es besonders gern in der Variante mit Semmelbröseln, die dem Ganzen eine wunderbar sandige Textur verleihen, angeblich ein sizilianischer Einfluss. Als Gericht der »extrem armen« Küche wird dafür nicht einmal Käse verwendet – vor allem ist er für den Geschmack gar nicht nötig. (Ich versuche gerade, Ihnen diplomatisch nahezulegen, dieses Gericht wirklich niemals mit Käse anzurichten.) 
Nächtliche Spaghetti mit »entlaufenen Muscheln« sind die perfekte Mahlzeit für gute und weniger gute Nächte, für jeden Anlass – geprägt durch die intensiven Aromen von Knoblauch und peperoncino. 

ZUTATEN für 4-6 Portionen

  • Salz
  • 500 g Spaghetti
  • 125 ml hochwertiges Olivenöl
  • 3 Knoblauchzehen, 
  • fein gehackt
  •  1/4–1/2 TL Chiliflocken oder 1 rote Chilischote, fein gehackt mit Samen
  • 50 g Semmelbrösel

ZUBEREITUNG

In einem großen Topf reichlich Wasser zum Kochen bringen und kräftig salzen. Die Spaghetti hineingeben. Sie sollen hier sehr al dente garen, nur die Hälfte der auf der Packung angegebenen Zeit. 
Also hat man etwa 5 Minuten Zeit, um das Öl mit dem Knoblauch und der Chilischote in einen großen (aber nicht unbedingt sehr hohen) Topf zu geben (den Herd aber noch nicht anschalten, es geht vorerst nur darum, dass sich Öl und Gewürze vermengen). 
In der Zwischenzeit die Semmelbrösel in einer kleinen Pfanne 1–2 Minuten duftend rösten, bis sie leicht gebräunt sind. Dann in eine kleine Schüssel geben. 
Nun die Kochplatte für den Topf mit Öl, Chili und Knoblauch auf eine mittlere bis niedrige Stufe stellen. Der Knoblauch sollte nicht verbrennen, denn sonst bekommt er einen unangenehmen Nachgeschmack, der das Gericht verdirbt. 
Nach zwei Dritteln der Kochzeit vom Kochwasser 750–1000 ml abschöpfen. Die Spaghetti abgießen und sofort in den Topf mit dem Öl, jetzt auf hoher Stufe, geben und gut umrühren. 250 ml Kochwasser zugeben und etwa 4–5 Minuten weiterrühren, dann nach und nach das übrige Kochwasser angießen, bis sich im Topf eine sämige Sauce gebildet hat, die so noch zu flüssig zum Servieren wäre – aber sie zieht weiter durch, nachdem man den Topf vom Herd genommen hat. 
Die Hälfte der gerösteten Semmelbrösel untermischen. Die Spaghetti rasch auf Teller verteilen, Semmelbrösel darüberstreuen, mit etwas Olivenöl beträufeln und sofort servieren. Kein Käse! 

Bastani Sonnati, selbstgemachtes iranisches Eis.
Bastani Sonnati unterscheidet sich in seiner Konsistenz von herkömmlichem Eis, da keine Eier verwendet werden. Bild: Saghar Setareh/Ars Vivendi.

Schnelles iranisches Eis

Bastani sonnati

Ich liebe Kochen, aber ich bin auch eine große Verfechterin der Bequemlichkeit in der Küche. Manchmal mache ich mir die Mühe, etwas so Zeitaufwendiges wie das sartù (Mehr dazu im Buch, Anm.) zuzubereiten, aber manchmal möchte ich einfach nur ein Verlangen stillen, ohne dass ich dafür lange in der Küche stehe. 
Im Iran lieben wir nicht nur unser traditionelles Speiseeis, bastani sonnati. Ich war sogar einmal verrückt nach einem amerikanischen Eis, Baskin-Robbins, es tauchte auf mysteriöse Weise im Iran auf, trotz jahrzehntelanger Handelssanktionen. (Ebenso rätselhaft ist, wie wir die neuesten iPhones bekommen, bevor es sie in Europa gibt, während wir gleichzeitig als Teil dieser Wirtschaftssanktionen im Iran keine Kreditkarten benutzen können.) 
Das traditionelle bastani sonnati ist ein Genuss. Es unterscheidet sich durch seine kompaktere Konsistenz von normalem Eis, da keine Eier enthalten sind. Die Hauptzutat ist sahlep, ein Mehl aus Orchideenwurzeln. Es ist auch wie Mastix, ein Baumharz, in bakdash booza enthalten, dem berühmten Eis aus Damaskus, das auch sehr zähflüssig ist. Bastani sonnati wird oft zwischen zwei hauchdünnen Waffeln serviert, wie ein Sandwich, und enthält Stücke von gefrorenem Mascarpone. 
Das folgende Rezept ist gleichzeitig eine Ode an die Faulheit und an die Raffinesse in der Küche. Es handelt sich nicht um das traditionelle Rezept, denn dies hier ist bastani sonnati ohne Orchideenwurzeln, ohne Baumharz und ohne kräftiges Rühren. Das »Geheimnis« liegt, wie bei vielen anderen iranischen Süßigkeiten, in der Verwendung von Rosenwasser, Safran und Pistazien. Einfach, blumig und eindrucksvoll.

ZUTATEN Für 4–6 Portionen

  • 500 g Sahne- oder Vanilleeis
  • 12 Kardamomkapseln (oder 1 TL gemahlener Kardamom)
  • 1 winzige Prise Zucker
  • 3 EL Safran-Aufguss (Mit Zucker gemörserte Safranfäden, die für 10 min zugedeckt in heißem (Rosen-)Wasser ziehen dürfen; eine Anleitung dazu findet sich im Buch, Anm.)
  • 2 EL Rosenwasser
  • 1 große Handvoll Pistazienkerne, 
  • grob gemahlene Damaszener-Rosenblütenblätter zum Garnieren (optional)

ZUBEREITUNG

Das Eis 10 Minuten bei Zimmertemperatur antauen lassen. 
Kardamomkapseln in einen Mörser geben und aufbrechen, um die Samen herauszulösen. Kapseln wegwerfen (oder Tee damit aromatisieren) und die Samen mit dem Zucker zu Pulver zerstoßen. (Diesen Schritt überspringen, wenn Sie gemahlenen Kardamom verwenden – aber abgesehen davon, dass Sie ein intensiver duftendes Kardamompulver erhalten, gibt Ihnen dieser Schritt auch das Gefühl, einen Teil dieses köstlichen Desserts selbst gemacht zu haben.) 
Den Safran-Aufguss zubereiten, aber nur ein Drittel des angegebenen Wassers verwenden und stattdessen mit Rosenwasser verdünnen. Mit dem Kardamompulver vermengen. 
Das Eis in eine große Schüssel füllen (die Packung aufbewahren) und mit einem Gummispatel auflockern. Eine dünne Schicht Eiscreme auf dem Boden der Eispackung verteilen. Die Schicht muss nicht perfekt sein. Mit einem Teelöffel große Tropfen der Safranmischung darüberträufeln, dann Pistazien daraufstreuen. Den Vorgang wiederholen, bis die Eisschale mit dem persischen Eis gefüllt ist. 
Zugedeckt für 4–5 Stunden in den Gefrierschrank stellen. 
Für einen Wow-Effekt servieren Sie das Eis in bunten Gläsern mit getrockneten Rosenblättern als Dekoration. 

Das Cover von »Granatapfel und Artischocke«.

»Granatapfel und Artischocke«, von Saghar Setareh. Ars Vivendi, 2023.

BIORAMA #89

Dieser Artikel ist im BIORAMA #89 erschienen

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