ORFAFA wie Organic Fair Fashion
Die Online-Community ORFAFA bündelt das vielseitige Angebot an fairer Bio-Mode, das dazugehörige Forum und Magazin sind Orte an denen Austausch und Information stattfindet. BIORAMA hat mit Martina Jordan, der Gründerin von ORFAFA, über die Arbeitsbedingungen in der Modebranche und über Chemikalien in unserer Kleidung gesprochen.
BIORAMA: Kannst du uns die Geschichte von ORFAFA erzählen?
Martina Jordan: Ich hab schon vor recht langer Zeit von den Arbeitsbedingungen in der Modebranche erfahren. Die Kampagne für Saubere Kleidung macht da seit zehn Jahren ziemlich intensive Arbeit. Aber damals gab’s kaum Alternativen. Es gab Hessnatur, aber das war nicht so richtig mein Stil. Ich kann mich erinnern, dass ich ziemlich begeistert war, als Armed Angels dann an den Start ging. Aber da war dann schnell die Ernüchterung da, weil es am Anfang bei denen nur T-Shirts und Kapuzenpullis gab. Mittlerweile ist das Angebot doch stark gewachsen.
Ursprünglich haben Aline, mit der ich jetzt zusammen ORFAFA gegründet habe, und ich überlegt, ob es nicht Sinn machen würde, selbst ein Label für faire Bio-Kleidung zu gründen. Da haben wir dann viel zusammen recherchiert und haben erstaunlich viele potenzielle Konkurrenten gefunden, also viele kleine Labels. Wir sind dann davon abgekommen selbst eines zu gründen, weil wir gesehen haben, dass es schon so ein tolles und großes Angebot an fairer Bio-Kleidung gibt. Da haben wir uns entschlossen ORFAFA zu gründen. Denn die meisten Konsumenten, die Lust hätten auf solche Mode, wissen gar nichts von dem großen Angebot, weil es so zerstreut ist. Man findet es nicht in den Einkaufsstrassen, es gibt unzählige kleine Online-Shops, man muss sich mit sehr vielen Siegeln und Sozialstandardinitiativen auseinandersetzen.
Da muss man sich erst einmal durchschlagen und die Frage ist auch: Wem kann man da überhaupt vertrauen und wem nicht? Die Idee war, mit ORFAFA eine Plattform zu schaffen, um interessierte Leute, die vielleicht auch etwas in der Modebranche verändern möchten, und dieses tolle Angebot zusammenzuführen.
Das Thema Arbeitsbedingungen ist ja zur Zeit wieder sehr aktuell. Angesichts der Ereignisse in Kambodscha wird deutlich, wie prekär die Lage in Billigproduktionsländern oft ist: Textilarbeiter demonstrierten für eine Lohnerhöhung auf 116 Euro. Die Regierung fürchtete wirtschaftliche Schäden wegen der Streiks, die Proteste wurden gewaltsam aufgelöst und fünf Menschen kamen dabei ums Leben. Zieht die Textilindustrie dennoch immer weiter in die Länder, in dem die Löhne am niedrigsten sind? Wird der Mindestlohn erhöht, wenn wir in Kambodscha Produziertes boykottieren?
Ich denke, das große Problem ist, dass viele oder eigentlich alle traditionell-konventionellen Mode-Labels ihren Beschaffungsprozess so strukturiert haben, dass sie im Grunde genommen sagen: ,Wir haben hier ein T-Shirt oder einen Rock, der soll produziert werden. Wer bietet am wenigsten?‘ Und danach wird dann ein Auftrag vergeben und zwar oft nicht mal durch die Labels selbst. Denn sie haben Partner vor Ort, die die günstigste Fabrik raussuchen. Die Labels wissen also oft noch nicht einmal, dass das in dieser oder jener Fabrik in Kambodscha produziert wird. Mit solchen kurzfristigen Kooperationen kann man natürlich keinen Einfluss auf die Arbeitsbedingungen in den einzelnen Fabriken nehmen.
Ich denke, eine Grundvoraussetzung, dass sich dort was ändert, wäre, dass diese Labels sagen: ,Ich produziere in Bangladesch, aber ich produziere mit einer bestimmten kooperierten Fabrik. Ich arbeite mit einer lokalen Gewerkschaft zusammen, dort können sich Arbeiter darüber beschweren, was nicht richtig läuft. Ich hab ein konkretes Programm wie dort Lohnerhöhung stattfinden soll, damit diese Menschen bald einen Lohn bekommen, von dem sie wirklich Leben können.‘ Ich denke, das ist eine sinnvolle Sache.
So einen Weg gehen Labels, die Mitglied der Fair Wear Foundation sind. Das kann eine Verbesserung in Ländern wie Kambodscha und Bangladesch bewirken, und in diesen Ländern sind ja viele Menschen, die diese Arbeitsplätze brauchen. Ich persönlich kaufe bei traditionellen Modelabels, die in Bangladesch produzieren keine Klamotten mehr. Im Grunde genommen boykottiere ich es. Aber ich denke der richtige Weg ist der, Konsumenten dazu aufzufordern bei diesen Modelabels nachzufragen und zu sagen: „Puma, H&M, Levis – ihr produziert in Kambodscha oder Bangladesch und ihr solltet nicht einfach weiterziehen ins nächste Land und in Indien produzieren oder vielleicht wieder in China, sondern ihr müsst sehen, dass ihr die Art wie ihr produziert, umstellt – auf langfristige und faire Zusammenarbeit.“
Es gibt bereits ein sehr vielfältiges Angebot an fairer Bio-Kleidung. Die meisten kaufen aber weiterhin bei konventionellen Konzernen. Warum?
Es ist einfach im Moment noch zu mühselig. Kleidung ist etwas, bei dem man was finden möchte, das dem eigenen Stil entspricht. Man möchte nicht einfach nur einen Rock oder ein T-Shirt haben, sondern das soll einen gewissen Schnitt, eine gewisse Farbe haben und zu dem passen, was man sonst trägt. Das Angebot ist im Moment so zerstreut und man sucht in so vielen kleinen Online-Shops! Das ist einfach sehr zeitaufwändig und sicher auch mit ein Grund, warum viele Leute doch wieder etwas kaufen, wenn sie in der Innenstadt sind.
Welche Angebote kann man auf eurer Online-Mode-Community nutzen?
Wir haben einen großen Produktkatalog. Da versuchen wir möglichst viel Angebot auf einer Seite zusammenzuführen und durchsuchbar zu machen. Wir gehen dabei auf Label-Basis vor: Wir suchen Labels aus, die im Großen und Ganzen unsere Fairness- und Umweltverträglichkeits-Kriterien erfüllen. Falls dann nur 80 Prozent der Sachen dieses Label unseren Kriterien entsprechen, dann nehmen wir auch nur diese 80 Prozent der Klamotten rein.
Dann haben wir auf unserer Seit auch noch die Möglichkeit, sich gegenseitig beim Kauf zu beraten: In einem Forum, in das man unter anderem auch Stilfragen posten kann. Auch vor dem Hintergrund, dass man Fehlkäufe vermeidet und nicht so viel Überflüssiges kauft. Denn natürlich ist es umweltfreundlicher, wenn man Bio-Jeans kauft, aber wenn man schon zehn Jeans im Schrank hat oder eine Bio-Jeans kauft, die dann nie getragen wird, dann ist es auch nicht wirklich umweltverträglich. Wir konsumieren viel zu viele Klamotten, unsere Philosophie ist daher auch ein bisschen: Weniger ist mehr, man sollte versuchen mehr Lieblingsstücke und insgesamt etwas weniger zu kaufen.
Dann gibt es noch das Magazin: Im Bereich fairer Bio-Mode ist es zunächst einmal schwierig zu durchschauen, welche Siegel und Sozialstandardinitiativen sinnvoll sind. Also versuchen wir Hintergrundinformation anzubieten, aber auch über Trends zu informieren. Es gibt zum Beispiel Artikel über die Fashion Week in Berlin oder über Upcycling, Bio-Siegel und Green-Shopping in New York – also eine Mischung aus Hintergrundinformation und ein bisschen Lifestyle-Themen. Weil wir finden, dass Mode auch weiterhin Spaß machen soll. Ich denke, man kann Leute nicht nur durch schlechte Nachrichten dazu bringen auf grüne, nachhaltige Mode umzusteigen, sondern auch dadurch, dass sie merken: Ja es gibt wirklich tolle Sachen und es gibt Labels mit einer tollen Geschichte, die gut produzieren. Und wenn die Leute das sehen, dann wird vielleicht auch von anderen Labels eher eingefordert, dass sie es anders machen.
Ihr habt die Kriterien, nach denen ihr Kleidung und Schuhe für eure Plattform aussucht, auf eurer Homepage sehr genau und ausführlich angeführt. Warum ist euch das ein Anliegen?
Wir haben während unserer Recherche ziemlich schnell festgestellt, dass viele Labels den Anschein erwecken möchten, dass sie fair und umweltfreundlich produzieren, weil sie merken, dass Konsumenten das wertschätzen. Und das ist insgesamt eine positive Sache, weil es zeigt, dass Leute sich zunehmend für nachhaltige Mode interessieren. Aber die Labels nutzen das ein bisschen aus und deklarieren zum Teil Sachen, die eben nicht fair und bio sind, als solche. Ein gutes Beispiel ist Bio-Baumwolle: Es gibt viele Hersteller, die auf ihre Klamotten „mit Bio-Baumwolle hergestellt“ schreiben. Ein Teil der verwendeten Baumwolle ist dann zwar bio, der andere aber nicht. Und es sagt auch noch gar nichts darüber aus wie der gesamte Weiterverarbeitungsprozess läuft. Das Ganze kann mit sehr giftigen chemischen Farben weiterbehandelt sein, aber es steht groß Bio drauf. Die falsche Kennzeichnung ist für Verbraucher im Moment noch sehr irreführend. Und deshalb war es uns sehr wichtig klar darzulegen, wie wir auswählen, was unsere Kriterien sind und Transparenz zu schaffen.
Eine aktuelle Studie von Greenpeace zeigt, dass Kinderkleidung internationaler Modemarken, auch teurer, gefährliche Chemikalien enthalten. Diese sind in größeren Mengen nicht nur gesundheitsschädlich, sondern stellen auch eine große Umweltbelastung dar. Glaubst du, dass auch die Nachfrage nach ökologisch und fair produzierter Baby- und Kinderkleidung steigen wird?
Auf jeden Fall. Ich denke, dass das Kinderbekommen für viele Leute ein Zeitpunkt ist, an dem sie sich damit auseinandersetzen, welchen Giftstoffen wir ausgesetzt sind. Viele fangen auch an Bio-Lebensmittel und Bio-Kleidung für ihre Kinder zu kaufen und dann später auch für sich. Ich kenne viele Mütter, die sagen: „Ja, ich kaufe für mich hauptsächlich Second-Hand-Sachen und für mein Kind kauf ich Bio- oder GOTS-zertifiziertes, weil mir alles andere zu unsicher ist.“
Das ORFAFA-Team lebt verstreut über den ganzen Globus: Du in Brasilien und im Weserbergland, Aline, die zweite Gründerin, in Berlin und eure Pressesprecherin Nava agiert in Graz – welche Vor- und Nachteile ergeben sich daraus?
Es hat sich einfach so ergeben. Wir kennen uns schon sehr lange, insofern klappt das gut, weil das Vertrauen da ist. Die Kommunikation läuft sehr gut über Telefon und Skype und ich denke das ist so ein bisschen der ausschlaggebende Punkt, warum es nicht nötig ist, sich jeden Tag im Büro zu treffen.
Wie groß ist das Interesse an nachhaltig produzierter Mode in Brasilien?
In Brasilien ist es so, dass gerade der Markt nach Bio-Lebensmittel anfängt zu boomen. Und es gibt auch die ersten kleinen Bio-Läden. Aber die Leute wissen gar nicht, dass es Bio-Baumwolle gibt. Das Thema Arbeitsbedingungen hat hier einen anderen Stellenwert. Da ist es auch schwieriger die Leute davon zu überzeugen. Aber das Thema Bio in Bezug auf Kleidung und Chemikalien in Kleidung ist noch gar nicht in den Köpfen, das kennt noch keiner, zumindest kein Marktführer.
Was sind deine Highlights oder Lieblingslabels?
Ich mag People Tree persönlich super gerne. Die haben viele Sachen, die man toll kombinieren kann, aber die doch trotzdem irgendwie außergewöhnlich sind. Sie sind auch vom Produktionsprozess und der ganzen Philosophie her toll: People Tree ist eines der Labels, das zeigt, dass man in Ländern wie Bangladesch und Indien fair produzieren kann. Sie haben mit einem Zulieferer in Indien die erste komplette Bio-Produktionskette in einem Entwicklungsland entstehen lassen. Also der ganze Prozess – zertifizierter Baumwoll-Anbau, Herstellung der Stoffe, Färben – wird vor Ort gemacht und zertifiziert. Da haben sie viel weiterentwickelt! Dann mag ich Monkee Genes, das ist ein Jeans-Label. Die machen ganz tolle bunte Skinny-Jeans. Armed Angels mag ich auch sehr gern, die haben mittlerweile ein tolles großes Angebot, nicht nur Shirts und Kapuzenpullover. Treches machen auch tolle Sachen. Das ist ein kleines Berliner Label, die fertigen von Hand.
Bei Kinder-Labels find ich Fred’s World, ein skandinavisches Label, sehr schön weil sie sehr farbenfrohe und praktische Sachen machen. Eines, das ich auch toll finde, ist New Generals, die machen mehr so moderne, ungewöhnliche und rockige Kindermode.
Und hier geht’s direkt zum Produktkatalog: www.orfafa.de/fashionfinder