Ins Rollen bringen
Martin Blum, Wiens Radverkehrs-Beauftragter, im Gespräch mit BIORAMA.
BIORAMA: Du bist Radverkehrs-Beauftragter und Geschäftsführer der Mobilitätsagentur der Stadt Wien, somit das vormals oft vermisste Bindeglied zwischen Radfahrern und Magistratsämtern. Als ehemaliger Radbote und Experte für Verkehrspolitik beim VCÖ (Verkehrsclub Österreich) unumstritten, wirst du oft als Wiens »Chef-Radler« bezeichnet. Welche Position nimmst du bei der Mitgestaltung des Velo-city-Kongress ein? Wird der Gastgeber-Stadt überhaupt die Möglichkeit dazu gegeben?
Martin Blum: Velo-city – der Name ist ja Programm – heißt einerseits die Fachkonferenz, bei der es darum gehen wird, aus Wien eine stärkere Velo-city zu machen. Dabei ist die Verdoppelung des Radverkehrsanteils erklärtes Ziel. Die Velo-city-Konferenz als solche erfüllt den Zweck, dass Wien eine Woche lang zur Welthauptstadt des Radfahrens wird. Und ich wünsche mir, erwarte mir auch – und das ist eigentlich auch in allen bisherigen Städten so passiert –, dass durch die anwesenden Experten so etwas wie ein Keim gesetzt wird, die Saat soll in den folgenden Jahren aufgehen und das Radfahren auch wirklich in der Stadt verankert werden. Davon, das erhoffe ich mir, wird die Stadt profitieren und mehr zu einer Velo-city, im besten Sinne. Andererseits ist Wien selbst in dieser Zeit die Velo-city und das trifft konkret, wofür ich als Radverkehrs-Beauftragter zuständig bin und was wir in der Mobilitätsagentur machen. Unser Zuständigkeitsbereich ist, die Velo-city für die Wienerinnen und Wiener erlebbar zu machen. Wir gestalten die Wiener Radwoche von 8. bis 16. Juni mit einem reichhaltigen Programm (siehe Info, Anm. d. Red.).
Die Velo-city ist eine Fachkonferenz, die das Know-how aller bisherigen Radhauptstädte nach Wien bringt. Das genannte Ziel einer Verdoppelung des Radverkehrsanteils bis 2015 klingt gewaltig – in Wien ist dieser ja unglaublich niedrig. Was darf man sich da vom Wissensaustausch auf einer Konferenz realistisch erwarten? Wird es einen merklichen Impact geben?
Ja. Zum Einen wurde ja auch schon in Vorbereitung auf die Konferenz so einiges ins Rollen gebracht: Es gibt jetzt die erste Straße ohne Radweg-Benützungspflicht, es wird bald eine Rad-Zähl-Stelle geben, die klar signalisieren soll, »Jeder zählt!«, es wurden einige Radweg-Ausbauten rechtzeitig zur Velo-city fertiggestellt. Auch der Ring-Radweg wurde renoviert und deutlich sichtbarer markiert. Zum Anderen ist es natürlich so, dass sehr viele Leute aus dem Rathaus und aus dem Magistrat an der Konferenz teilnehmen. Da erwarten wir uns, dass das geballte Know-how auf fruchtbaren Boden fällt und die Überlegungen in die Planungen und Verkehrskonzepte der nächsten Jahre einfließen und eine nachhaltige Wirkung haben. Es ist oft schon was anderes, wenn man in diesem Bereich arbeitet und dann sieht, »Ah, das gibt es dort schon, vielleicht könnte man das auch in Wien ausprobieren«. Das hat sich zum Beispiel in München gut gezeigt. Die Stadt war vor einigen Jahren Velo-city und dort war dieser Effekt merklich. Es ist ein Rückenwind entstanden für das Radfahren und München hält bei 17 Prozent Radverkehrsanteil, hat sich also deutlich steigern können.
… was ja für eine Stadt dieser Größe durchaus bemerkenswert ist. Graz, um eine österreichische Stadt zu nennen, hat bekanntlich auch einen sehr hohen Radverkehrsanteil, aber mit einer Stadt dieser Größe ist Wien wohl kaum vergleichbar.
Man darf bei solchen Vergleichen nicht vergessen, dass auch Städte wie Kopenhagen und Amsterdam deutlich kleiner sind. Kopenhagen hat, glaub ich, 600.000 Einwohner, auch Amsterdam liegt unter der Einwohnerzahl von Wien. Für die Größe unserer Stadt – und da möchte ich dazu sagen, dass in Kopenhagen oder Amsterdam der öffentliche Verkehr schlechter ausgebaut ist, in Kopenhagen gibt es erst seit kurzem eine U-Bahn und in Amsterdam gar nicht –, für diese Voraussetzungen ist der Radverkehrsanteil in Wien nicht so schlecht, aber natürlich noch steigerbar.
Deutlich steigerbar.
Ich würde einmal sagen, wir haben eine ganz gute Basis, die deutlich steigerbar ist. Genau. (lacht)
Die größten Nörgler tun die Velo-city als kurze, internationale Konferenz ab, der Wien natürlich freudig Bühne bietet. Und dafür würde jetzt viel aufgeholt – alles was noch aufzuholen geht in der kurzen Zeit. Was kann man sich für die Zeit nach dem wichtigen Impuls erwarten? Wird es leiser werden um den Radverkehr oder darf man die Velo-city als Startschuss für viele neue Fahrrad-Projekte verstehen? Gibt es da schon etwas Konkretes, das du auspacken darfst?
Natürlich erwarte ich mir, dass es weitergeht, es sprechen auch alle Zeichen der Zeit dafür. Wir arbeiten bereits an Konzepten für die nächsten Jahre. Gerade wird eine Studie zum Thema »Langstrecken-Verbindungen mit dem Fahrrad« durchgeführt. Es wird 2015 beim Hauptbahnhof eine große Radgarage entstehen, beim Westbahnhof wird ebenfalls eine verbesserte Radabstellmöglichkeit errichtet werden. Es sind einige Sachen in der Pipeline und es ist keineswegs so, dass das mit der Velo-city im Juni enden wird in Wien. Ich werde – das ist auch meine Aufgabe als Radverkehrs-Beauftragter – alle strategischen und konzeptionellen mittel- und langfristigen Projekte weiter verfolgen und im Auge behalten.
Wiener Radwoche
Die Wiener Radwoche bietet von 8. bis 16. Juni 2013 ein vielfältiges Programm – von der Fahrrad-Modenschau am Karlsplatz bis zu einem Fahrradklingel-Konzert. Im Museum für Angewandte Kunst wird mit »Tour du Monde« eine Ausstellung der Embacher-Fahrradsammlung zu sehen sein, der Wiener Radchor wird erstmalig fahren und auf der Kaiserwiese im Prater gibt es Kaiserschmarrn und Musikprogramm. Die Rad-Arena am Rathausplatz bietet außerdem ein Fahrradservice, einen E-Bike-Testparcour, Fahrradwäsche und Kinder-Radkurse.
Velo-City 2013
BIORAMA stellt begleitend zur Velo-city, die von 11. bis 14. Juni 2013 Radexperten und Radbegeisterte aus aller Welt in Wien versammelt hat, das Konzept »Rad-Stadt« auf den Prüfstand. In einer Artikelserie diskutieren wir Entwicklungen auf dem Sektor Radverkehr und verschiedenste Aspekte der Fahrradkultur mit Experten und Aktivisten.